Neue Herausforderungen
Themen des BIFFF...
Bücher und Broschüren
English Texts
E-Mail an BIFFF...





































Dezember 1998:  Angst vor offener Diskussion

Kulturamt Prenzlauer Berg kneift
 
Statt kontroverser Podiumsdiskussion darf nun ein HVD-Vertrauter die Freireligiösen-Ausstellung reinwaschen  ---  Antisemitismus ist wieder inbegriffen  ---  BVV-Vorsteher Dr. Günter Bärwolff (PDS) ist blamiert ---
Bezirksamt verbreitet Beleidigungen, Humanistischer Verband  verbreitet heiße Luft  ---  Nach unserer Kritik wurde die Ausstellung verändert: Was auf die Existenz der Berliner Freireligiösen nach 1934 hinwies, wurde weggemacht ---  Regelmäßige Treffen der Berliner Gemeinde 1939, 1940, 1941 ...

Zur Provinzposse gerät dem Bezirksamt Prenzlauer Berg mehr und mehr die Auseinandersetzung um die Freireligiösen-Ausstellung im Prenzlauer-Berg-Museum. Statt der groß angekündigten kontroversen Podiumsdiskussion, die BVV-Vorsteher Dr. Günter Bärwolff (PDS) mit Vertretern des Senates, der Jüdischen Gemeinde, der Freireligiösen und des BIFFF... e. V. machen wollte, gibt es jetzt nur einen Vortrag eines Vertrauten des Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) und der Freireligiösen Gemeinde Berlin: HVD-Autor Ulrich Nanko soll sagen, daß sich die Freireligiösen nur deshalb den Nazis angeschlossen hätten, um einem Verbot zu entgehen - so steht es in der Ankündigung des Museums. Bärwolff ist blamiert, im Kulturamt unter Bezirksstadtrat Burkhard Kleinert (PDS) regiert offenbar schon der HVD, Aufklärung und Widerspruch sind nicht erwünscht. Statt sich unseren Argumenten zu stellen, verbreitet das Bezirksamt inzwischen die Beleidigungen der Freireligiösen Gemeinde gegen uns ("amoklaufender Wirrkopf" usw.) und riskiert damit ein Strafverfahren. Der offenbar außer Kontrolle geratene Bezirksbürgermeister Reinhard Krätzer (SPD) zeigt einer Pressemeldung der "Berliner Zeitung" zufolge einen unbescholtenen Bürger an und riskiert ein weiteres Strafverfahren nach § 164 StGB (falsche Verdächtigung). Peinlich, daß ein Bezirksamt der Hauptstadt nicht mehr zu bieten hat.

Die anhaltenden Forschungen des BIFFF... e. V. haben jetzt ergeben, daß sich die organisierten Berliner Freireligiösen - von wegen Verbot! - ab 1939 regelmäßig zu öffentlichen Veranstaltungen trafen, 1939 am Alexanderplatz, ab 1940 im Restaurant Atlas an der Weidendammer Brücke; am 13. April 1941 hielten sie Jugendweihe-Feiern ab. Wir kennen sogar die damalige Telefonnummer des Vorsitzenden der Berliner Freireligiösen, die die Gemeinde 1940 im ganzen Reich verbreiten ließ. Die Freireligiösen waren ab 1937 wieder eingetragener Verein, von einem Verbot - wie in der Ausstellung behauptet - keine Spur.

Die bisher angekündigten juristischen Schritte gegen uns haben sich als heiße Luft erwiesen: Die angebliche Klage des HVD gegen uns ist immer noch nicht eingegangen, auch von den angekündigten juristischen Schritten der Berliner Freireligiösen-Vorsitzenden Anke Reuther gegen uns war bisher nichts zu bemerken, und zu der Strafanzeige des SPD-Politikers Krätzer namens des Bezirks Prenzlauer Berg erklärt BIFFF...-Vorstand Peter Kratz: "Wir wünschen eine schnelle Anklage, damit wir noch vor der Abgeordnetenhauswahl freigesprochen sind. Die Affäre wird der SPD sicher Stimmen kosten. Aber wahrscheinlich kommt es so, wie bei allen anderen Ermittlungsverfahren gegen uns bisher: Weil es nichts anzuklagen gibt, bleiben sie liegen, bis sie ohnehin verjährt sind, und werden dann eingestellt. Keine einzige der zahlreichen Anzeigen gegen das BIFFF... und gegen BIFFF...-Vertreter, die aus dem Bereich Freireligiöse/Unitarier/"Humanisten" kamen, führte bisher zu einer Anklage. Außer Spesen nichts gewesen."

Ausstellung verändert

Bis zu unserer Kritik an der Ausstellung konnte man in einer Vitrine das aufgeschlagene Bestattungsbuch der Freireligiösen Gemeinde sehen, in dem Bestattungen der angeblich verbotenen Gemeinde im Jahr 1936 auf dem angeblich enteigneten Gemeindefriedhof verzeichnet waren. Nachdem wir auf diese Unstimmigkeit hingewiesen hatten, veränderte das Prenzlauer-Berg- Museum die Vitrine: Statt der Seiten des Jahres 1936 ist das Beerdigungsbuch nun neuerdings in den 20er Jahren aufgeschlagen - so erspart man sich Nachfragen kritischer Besucher.

Referent schwatzt Nazi-Thesen nach

Die Veranstaltung des Kulturamtes mit Ulrich Nanko am 28. Januar 1999 ist in jeder Hinsicht eine weitere Peinlichkeit. Nanko arbeitete 1997 für die HVD-eigene "Humanistische Akademie e.V." und schrieb in deren Blatt "humanismus heute" gegen das Buch "Die Götter des New Age" von Peter Kratz an. In dem Buch, das 1994 im Berliner Elefanten Press Verlag erschien, wird auch die Nazi-Nähe des HVD-Chefideologen Hubertus Mynarek offengelegt. 1999 soll Nanko als objektiver Zeuge gegen uns dienen. Dazu wird er sogar vom Kulturamt als "katholischer Theologe" angekündigt. In Nankos Dissertation steht davon allerdings nichts, hier ist er konfessionsfreier Religionswissen- schaftler. Die Bezeichnung "Theologe" ist nicht geschützt, jeder kann sich so nennen. Nanko wird vom Kulturamt weder als "Diplom-Theologe" (das wäre eine geschützte Berufsbezeichnung mit Universitätsexamen) noch als ordinierter katholische Priester (auch dies wäre eine geschützte Bezeichnung, vergeben von der Kirche) vorgestellt. Wozu das erneute Verwirrspiel mit Begriffen?

Auch Nankos Dissertation über die Deutsche Glaubensbewegung hat ihre Tücken. Als hauptsächliche Quelle benutzt er das Archiv des Führers der Deutschen Glaubensbewegung, des SS-Mannes Wilhelm Hauer. Unkritisch betet Nanko die Geschichte so nach, wie Hauer sie in seinen Aufzeichnungen und Briefkopien hinterlassen hat. Wurden die Originale der Kopien auch abgeschickt? Oder hat Hauer sie zwischen 1945 und seinem Tod 1962 erst für spätere, naive Geschichtsschreiber verfertigt? Statt dies zu fragen, bedankt Nanko sich noch artig bei Hauers Witwe für ihre Unterstützung. Am Ende entsteht eine Geschichte der Deutschen Glaubensbewegung, wie deren Führer Hauer sie wohl gerne gelesen hätte.

Antisemitin als Quelle

Naiv ist auch Nankos Umgang mit anderen Quellen. So führt er in seiner Dissertation immer wieder die Hauer-Biographie der Nazi-Autorin Margarete Dierks als ernst zu nehmende Quelle an. Über die politischen Hintergründe der Dierks weiß er nichts, denn Nanko hat keine Ahnung von Antifaschismus und nur wenig Ahnung vom Nationalsozialismus. Dierks - nach 1945 eine enge Weggefährtin des weiterhin rassistischen Hauer - schrieb 1938 ihre Dissertation über "Die preußischen Altkonservativen und die Judenfrage 1810/1847". Darin warf sie den Liberalen vor, 1848 die Emanzipation der Juden betrieben zu haben und lobte den "Abwehrkampf ..., den eine Reihe preußisch- deutscher Männer (der Altkonservativen) während einiger Jahrzehnte gegen das Judentum geführt haben. Es war die für den Einbruch des Jüdischen in den deutschen Geistes- und Kulturbereich, in das deutsche Staats- und Wirtschaftsleben entscheidungsvolle Zeit, denn es handelte sich damals um die volle Gleichberechtigung und Anerkennung der Gleichwertigkeit des Juden im preußischen Staate. Das Streben danach erfolgte von zwei Seiten: einmal von den Fremdblütigen selbst, die im Namen der Menschheit Heimatrecht forderten in einem Lande, das nicht ihres Blutes und ihres Geistes Heimat war, und von den Deutschblütigen, die aus Gründen der aufgeklärten Humanität, der christlichen Duldsamkeit und erklügelter Menschenrechte dem fremden Element Heimatrecht gewähren wollten." Doch die Altkonservativen hätten die Judenemanzipation nicht verhindern können, so Dierks, denn ihnen "fehlte die Unterstützung durch wissenschaftliche Rasseerkenntnis", und sie seien "gehemmt (gewesen) durch den christlichen Glauben, der dem Christen befiehlt, auch den fremdblütigen Getauften als Bruder in Christo anzunehmen". Dierks schreibt am Ende ihrer Dissertation: "In der Folge der Zeit erhielt der Instinkt des Blutes von der Naturwissenschaft die Beweise, die er brauchte, um sein inneres Gesetz in der öffentlichen Gesetzgebung geltend zu machen. Erlebnis und Erfahrung unseres Volkes traten hinzu, bis nach gewaltigem Ringen sich ein deutscher Staat auf rassischer und volklicher Grundlage erhob. Er hat die Judenfrage endgültig der christlich-religiösen Sphäre entrückt, indem er ihre Entscheidung auf dem Boden völkischer Gesetzgebung fällte. Er traf diese Entscheidung, wie es 'das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre' zum Ausdruck bringt, ausschließlich in dem Bewußtsein der Verantwortung und Verpflichtung für die Zukunft unseres deutschen Volkes."

Die Diss der Dierks ist nachzulesen in der Universitätsbibliothek Kiel - wahrlich eine Gewährsfrau für Nanko und für die Ausrichtung der Freireligiösen-Ausstellung im Prenzlauer-Berg-Museum! Man bleibt sich eben treu.

Dierks - seit 1932 Mitglied der antisemitischen Ludendorffer-Sekte (Lebenslauf zur Dissertation 1938) - wurde in der Bundesrepublik als Teilnehmerin der rechtsextremistischen "Lippoldsberger Dichtertage" (hier trafen sich alljährlich die früheren Führer-Geburtstags-Dichter der Nazis) vom Verfassungsschutz beobachtet. Der frühere Verfassungsschutzpräsident Manfred Jenke nannte sie namentlich in seinem Buch "Verschwörung von rechts?"

Doch für Ulrich Nanko ist das, was Dierks über ihren Förderer Hauer zu Papier brachte, eine Quelle, die er kritiklos nachbetet, und für das Kulturamt Prenzlauer Berg ist Nanko der passende Zeuge gegen uns.

Peter Kratz kommentiert:

"Die Freireligiösen und Pseudo-Humanisten haben immer schon menschenverachtende Thesen vertreten, ob sie nun um die Jahrhundertwende als Rassehygieniker auftraten, in den 20er Jahren die Sozialeugenik propagierten oder in den 30er und 40er Jahren die KZ zu füllen halfen und Euthanasie und Zwangssterilisierung durchsetzten. Insofern sind die menschenverachtenden Ausfälle der Vorsitzenden der Berliner Freireligiösen Gemeinde, der früheren SPD-Abgeordneten Anke Reuther, gegen mich zwar noch auf einem unteren Handlungsniveau, knüpfen aber schon an die Tradition der Vergangenheit an und verweisen auf die Richtung, die man für die Zukunft befürchten muß."                                                        

(Dezember 1998)

...Bezug: HVD-Ausstellung über Freireligiöse Gemeinde Berlin

                           ...zurück zur Übersicht: Faschismus "religiös"

                       ...zurück zur Übersicht: Themen des BIFFF...

                      
...Eingangsseite