Peter Kratz: "Rechte Genossen.
Neokonservatismus in der SPD", Kapitel 5
© 1999 Copyright by Peter Kratz.
Jede Verwendung des Textes  unterliegt dem Urheberrecht.
     
  
5. Vom August '14 zum November '89 
und immer weiter  - 
Volks-Gemeinschaft oder freie Gesellschaft 
Zusammenwachsen in deutscher Pflicht 

Die Völkischen errangen ihren größten Sieg auf dem Gebiet der Ideologie, indem sie auf der Linken das Bewußtsein darüber zerstörten, daß der Sozialismus im Sinne der hegelschen und marxschen Dialektik Erbe des Liberalismus ist. Die Linke hat ihre liberalistische Herkunft danach immer wieder und bereitwillig verleugnet, obwohl seit den Klassikern sozialistischen Denkens klar war, daß sie nicht die Alternative zum freien Individuum verficht, sondern seine materiellen Voraussetzungen. "An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassen-Gegensätzen tritt eine Association, worin die freie Entwicklung eines Jeden die Bedingung für die freie Entwicklung Aller ist." Dieser Gedanke aus dem "Manifest" von Marx und Engels beinhaltet den Primat des Individuums, nicht des Kollektivs. In den Demokratischen Sozialismus passen Elitevorstellungen von Glotz ebensowenig wie die "Hedonismus"-Kritik Thierses. Der Angriff der Herrschenden auf diesen Gedanken zielte gegen die Bedingung: Sie wurde umgekehrt, und ein Großteil der Linken vollzog dies mit. So wurde es möglich, die nationalrevolutionäre Demagogie als Sozialismus mißzuverstehen. 

Die Linke ließ sich trotz der Marxismus-Renaissance der 70er Jahre erneut mehrheitlich für die Idee des völkischen Kollektivs vereinnahmen, als die Wiedervereinigung den Herrschenden neue Möglichkeiten eröffnete, die soziale Idee der Solidarität auf die völkische Gemeinschaft hin umzuinterpretieren. Der wirtschaftliche Zusammenbruch der DDR und seine Folgen, mit Hilfe der Währungsunion größtenteils künstlich herbeigeführt, dient lediglich als Aufhänger, um die Formierungsbestrebungen im Interesse der Hochtechnologie-Konzerne widerstandslos durchsetzen zu können. Die Idee der Formierten Gesellschaft, die in den 60er Jahren den Protest der Linken hervorrief, ist heute offenbar Allgemeingut. Nichts zeigte dies besser als der interfraktionelle Gesetzentwurf, den über 300 Bundestagsabgeordnete zur Änderung des Grundgesetzes im Januar 1994 einbrachten, unter ihnen mit zwei Dritteln aller Unterzeichner fast die gesamte SPD-Fraktion, aber auch mehr als die Hälfte der PDS-Gruppe. Ihre Absicht, mit einem Artikel 2a im Verfassungskatalog der individuellen Grundrechte eine Verpflichtung auf die völkische Gemeinschaft der Deutschen einzufügen, wurde mit den Argumenten der konservativen Kulturkritik begründet. 

"Wir" stünden heute vor Problemen, hieß es da unter dem Primat des völkischen Kollektivs, "die aus einem rücksichtslosen Gebrauch der Freiheitsrechte resultieren." Keineswegs sollten durch den Verfassungszusatz, der den Wortlaut "Jeder ist zu Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn verpflichtet" haben sollte, etwa die Rechte der Konzerne beschränkt werden, ihre Kapitalverwertungsmöglichkeiten durch Massenentlassungen oder neue Produktfelder der Atom- oder Genindustrie zu verbessern. Ein individuelles Recht auf Arbeit hatte Otto Schily schon 1991 im "Vorwärts" für die SPD als "unrealistisch" verworfen; ein Recht auf Wohnung gibt es nicht - mit der Folge, daß der obdachlose Teil der Bürgerschaft nicht einmal sein Wahlrecht ausüben darf -; das Wahlrecht für fast zehn Prozent der Bevölkerung - Ausländer - ist gänzlich verfassungswidrig und das Asylrecht abgeschafft. Es seien "in unserer Zivilisation ein Übermaß an Egoismus, fortschreitende Entsolidarisierung, Atomisierung des gesellschaftlichen Gefüges sowie ein Rückzug ins Private zu beklagen", meinten die Abgeordneten in ihrem Gesetzentwurf, als hätten sie in ihren Ausschußsitzungen die Werke von Ludwig Klages studiert. "Überall wird das Fehlen menschlicher Wärme beklagt. ... Das unser Wirtschaftsleben bestimmende Konkurrenzverhalten durchdringt inzwischen alle Bereiche des gesellschaftlichen und privaten Lebens. ... Auf der anderen Seite gibt es immer weniger Menschen, die sich für soziale und gemeinwohlorientierte Belange einsetzen, und immer mehr, die solches Engagement belächeln. Der Vorrang des freiheitlichen Individuums, so erweist es sich, führt nicht zwingend zu Gerechtigkeit und Verantwortungsfähigkeit des einzelnen in einer humanen Gesellschaft. Insbesondere zeigt sich, daß die innere Einheit Deutschlands im Rahmen eines egoistischen Gebrauchs der Freiheitsrechte nicht gelingen kann." 

Doch dieser Kritik folgte keineswegs die Konsequenz, wie sie Marx und Engels im "Manifest" zogen. Vielmehr wurde ein "Gemeinwohl" als "unerläßliche ethische Orientierung auf dem Weg zur inneren Einheit Deutschlands" beschworen, das sich ausdrücklich an "Hans Jonas' Prinzip der Verantwortung" orientieren solle, einer Idee, deren Erläuterung durch Jonas in seinem gleichnamigen Buch stellenweise dem "Heroischen Realismus" der Konservativen Revolution sehr nahe kommt. Statt die Interessengegensätze in der Gesellschaft wenigstens zu konstatieren, schoben die Abgeordneten dem angeblich egoistischen Individuum die Schuld zu und schlossen sich der Kritik an einem Verfassungspatriotismus an, der die Freiheitsrechte des Individuums gegen die Herrschenden betont: "Mit negativen Grundrechten allein ist kein Staat zu machen." Als sei das New Age bereits angebrochen, schrieben sie, auf Erich Fromm anspielend: "Es gilt, von der Zivilisation des Habens zu einer Kultur des Mit-Seins, der Ko-Individualität zu gelangen." Dazu bedürfe es des "Gemeinsinns": "Gemeinsinn meint die Beziehung zum und im Gemeinwesen, die Verantwortung für das gesellschaftliche Ganze. ... Der Begriff des Gemeinsinns hebt den Begriff der Mitmenschlichkeit auf die überindividuelle Ebene." 

So wird das ganzheitliche Denken eines visionären Neuen Zeitalters politisch konkret, so bereitet man den allgemeinen Arbeitsdienst ideologisch vor. Hier zeigt sich der Sinn der Theorie von den Individualisierungsschüben: Sie zielt auf eine gesellschaftliche Formierung, die die Interessen des Individuums hinter die der völkischen Gemeinschaft zurückstellt. Lediglich die Kostüme dieser Politik wechseln durch die Jahrzehnte. 

Der interfraktionelle Gesetzentwurf zur Gemeinschaftsverpflichtung wurde im Juni 1994 vom Deutschen Bundestag abgelehnt, nachdem die Gemeinsame Verfassungskommission aus Bundestag und Bundesrat eine ähnliche Grundgesetzänderung vorgeschlagen hatte, die jedoch zwei Monate später mit anderen Vorschlägen der Kommission ebenfalls keine Mehrheit fand.  (84) 

Herbert Ammon schrieb im November 1994 in der "Jungen Freiheit" über die "Rückkehr der Gemeinschaft". Sein Thema, die Kommunitarismus-Debatte unter rechts gewendeten "68ern" in den USA, ließ ihn den alten Gegensatz von Gemeinschaft und Gesellschaft wieder beschwören, den Ferdinand Tönnies als angeblich grundlegenden Unterschied zwischen der deutschen und der angelsächsischen Auffassung vom menschlichen Zusammenleben erfand. "'Die Macht des Marktes erobert ... mit rasanter Geschwindigkeit jedwede Sphäre der Gesellschaft - selbst die Familie, jene traditionelle Bastion des Rückzugs aus der 'herzlosen Welt'", zitierte Ammon einen Kommunitaristen und interpretierte: "Eine ausschließlich zweckrationalistisch ausgerichtete Wirtschaftsideologie, die Menschen in unablässige Markt-Maximatoren verwandelt, unterminiere ihr Engagement in Familie, Kirche, Nachbarschaft, Schule, aber auch in den großen staatlichen und globalen Gesellschaften." 

Hier könnte die SPD-Spitze von Thierse bis Scharping zustimmen, und so, wie diese Kritik schon vor hundert Jahren dienstbar gemacht wurde, kann Glotz in ihrem Windschatten die "Markt-Maximation" betreiben. Ammon beklagte "fortschreitende Modernisierung, Individualisierung", "abnehmende Loyalität gegenüber Führungspersönlichkeiten, Parteien und Institutionen" - man fühlt sich an Peter Glotz erinnert! Der "Neue Gesellschaft"- und "Junge Freiheit"-Autor Ammon schloß sich im Zitat US-amerikanischer Konservativer der Kritik des verhaßten Verfassungspatriotismus von Habermas an: "Eine rein abstrakte Verpflichtung auf das Gemeinwohl genüge nicht zur Fundierung politisch-sozialer Verantwortung. Ein Staat, der nur dazu da sei, die äußeren Bedingungen für die Selbstverwirklichung einzelner zu gewährleisten, und der sich sonst jeglicher Stiftung von Solidargemeinschaft enthalte, könne nicht eine Identität mit seinem Bürger behaupten. Was also hält sie Gesellschaft im Innersten zusammen?" 

Nur Vaterland, Patriotismus, nicht etwa "universales Menschheitspathos", könne den nötigen Zusammenhalt stiften, so Ammon; "Amital Etzioni, der in Köln als Werner Falk geborene Schüler Martin Bubers", habe dies als Führer der US-amerikanischen Kommunitaristen bereits früher ausgesprochen. So sind die Deutschen als Leithammel gerettet, wenn auch nur in Gestalt eines Anhängers des völkischen Zionisten Buber, mit dem aber wenigstens prominente Ideologen der konservativ-revolutionären Fraktion des Nationalsozialismus persönlich befreundet waren, Wilhem Hauer z. B., der ungeachtet dieser Freundschaft in den 20er bis 60er Jahren das Juden- und das Christentum in Deutschland bekämpfen wollte "bis zum Sieg". Ammon betonte die "marxistische Vergangenheit" der Kommunitaristen, als wäre die Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe auferstanden. Er schrieb in der "Jungen Freiheit", als hätte ihm Thierse souffliert: "Gerade die geringe Kraft des Zusammenhalts, die eine liberale Gesellschaft im 'postnationalen' Zeitalter bietet, erfordert eine Wiederkehr von 'Bindestoffen', die ursprünglicher sind als jene, die sich ausschließlich auf das universal-abstrakte Motiv der 'Bürgergesellschaft' berufen." 

Ammon machte klar, daß es um nichts anderes geht, als um Sozialabbau, hierbei deutlich auf Lafontaine verweisend, ohne ihn zu nennen. "'Das Band der Solidarität mit meinen Landsleuten", zitierte der "Dozent für Geschichte und Soziologie am Studienkolleg für ausländische Studierende der FU Berlin" - wie die "Junge Freiheit" ihn vorstellte - in schlechter Übersetzung einen britisch-kanadischen Kommunitaristen, "basiert auf einem Sinn geteilten Schicksals, in dem das Teilen selbst von Wert ist.' ... Keine Frage: Die deutsche Wiedervereinigung würde vermutlich weniger schmerzhaft verlaufen, wenn der Einheitskanzler den - nüchternen - patriotischen Appell an die Deutschen riskiert hätte. Das Versprechen des schenllen Wohlstands für die 'Landsleute im Osten' entsprang genau jenem liberalen Staatsverständnis ('Jedem wird es besser gehen ...'), aus dem nach Meinung der Kommunitaristen keine Kraft in gesellschaftlichen und nationalen Krisenlagen erwächst." Für die Einheit des Marktes der Konzerne, die schnell die ostdeutsche Konkurrenz vernichteten und dann von der Erblast der russischen Okkupation sprachen, ist kein patriotischer Appell zu billig, seit August 1914 nicht, als die Panik vor russischer Okkupation mit "tartarischen Bestialitäten" (Friedrich Stampfer) geschürt wurde. 

"Wo finden wir den historischen Schlüssel zu einer politischen Gemeinschaft?", fragte Ammon noch und antwortete: "Wo findet in Deutschland die historische 'Narration' statt? In den Schulen? In den Familien? In der Kunst? In der Glotze?" Wenn Thierse in Potsdam 1993 vom "Verlust sozialintegrativer Strukturen" sprach, der durch die Hinwendung zur "Kulturnation" ausgeglichen werden müsse, so gibt es in der Sache keinen Unterschied zur "Neuen Rechten".  (85) 

Hans-Jochen Vogel beklagte als SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzender im September 1989, daß "die nationalen Identitäten durch einen elektronischen Einheitsbrei überdeckt und ausgehöhlt" würden. Bereits 1986 hatte er in NG/FH das Konzept des "Verfassungspatriotismus" angegriffen: "Auch die beste Verfassung ... wird überlastet, wenn sie leisten soll, was für andere Völker das nationale Bewußtsein, also das Nationalgefühl leistet." Seinen Begriff von "Kulturnation" erläuterte er so: "Eine auf der Grundlage langdauernder Lebensgemeinschaft gewachsene Form menschlicher Gemeinschaft, deren kulturelle Substanz und Erscheinungsform sich von anderen Gemeinschaften dieser Art unterscheidet. Entsprechend wird der Begriff des Nationalgefühls als bewußte Bejahung dieser Gemeinschaft und des Willens zu definieren sein, sie zu bewahren." Es gebe eine "Gefühlsgemeinschaft" der Deutschen, die sich in der kulturellen "Gemeinsamkeit des Ausdrucks" zeige. Völlig wirklichkeitsfremd beharrte Vogel auf einer Nationalideologie, die zu den "konstituierenden Elementen der Nation" auch die "Gemeinsamkeit des kulturellen Erbes und des gegenwärtigen kulturellen Schaffens" zähle "sowie eine Gefühlsgemeinschaft, daß heißt ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und des wechselseitigen Interesses". Die Assoziation zum nationalsozialistischen "Haus der Deutschen Kunst" läßt sich nicht verdrängen, wenn Vogel das "gegenwärtige kulturelle Schaffen" unter die Prämisse der nationalen Gemeinschaft stellen will. 

Als der "Sozialdemokratische Pressedienst" im Februar 1987 dem entgegenhielt: "Die gefühlsmäßige 'Gemeinsamkeit des Ausdrucks' (Vogel) findet der deutsche Fan einer amerikanischen Rockband sicher eher bei ebensolchen afrikanischen oder asiatischen Fans, wenn er mit ihnen in der Disko am spanischen Ferienstrand tanzt, als beim deutschen Opernbesucher, der seinerseits eher mit Gleichgesinnten anderer Kulturkreise eine Gefühlsgemeinschaft empfindet als mit dem deutschen Rockfan", da veranlaßte Vogel gegen den Autor ein Schreibverbot in allen sozialdemokratischen Publikationen. 

Am vierten Jahrestag der Maueröffnung, 9. November 1993, wiederholte Vogel im Südwestfunk seine Ansicht über das deutsche Volk: "Frage: Bekennen Sie sich zur deutschen Nation? Vogel: Ja, ich glaube, daß wir nach wie vor eine Geschichtsgemeinschaft, eine Kultur-, Sprach- und auch Gefühlsgemeinschaft darstellen. Und daß man dazugehört, daß man ein Teil dieser vier Gemeinschaften ist, das, glaube ich, ist eine Realität. ... Dieses Gemeinschaftsgefühl ist eine Realität, und ich meine, wohl auch eine stabilisierende Realität." Da müssen alle Nichtdeutschen leider draußen bleiben; und zu zweitklassigen Formaldeutschen werden die, die nicht deutsch-innerliche Kultur pflegen, nicht Weihnachtsbäume zu Christi Geburt aufstellen, sondern z. B. jüdische Feste feiern, oder islamische; oder eine weltliche Party mit der Musik von Elvis Presley, den Dead Kennedys oder den Rednex machen. Genau diese Haltung des deutschen Stammtisches ist es, vor der man sich im Ausland zu Recht fürchtet. Dem SPD-Vorsitzenden Vogel hielt Ludger Heid schon 1990 in der jüdischen Zeitschrift "Tribüne" unter der Überschrift "Wenn Deutschland erwacht" entgegen: "Anspruch auf die originelle Idee, diesen Tag" (den 9. November 1989, P. K.) "zum nationalen Gedenktag zu erheben, äußerte als erster der Vorsitzende der bundesdeutschen Sozialdemokratie, Hans-Jochen Vogel. Er übersieht in der nationalen Euphorie - übersieht er wirklich, oder ignoriert er einfach? -, daß dieser Tag längst historisch eingeordnet und auf denkwürdige Weise mit deutschem Schicksal verknüpft ist. Vor allem mit dem Novemberpogrom 1938." 

Der frühere Intendant des Westdeutschen Rundfunks, Friedrich-Wilhelm Freiherr von Sell, schrieb im Dezember 1989 einige kritische Bemerkungen zu Vogels Gemeinschaftsverständnis an den "Vorwärts". Sein Beitrag wurde jedoch auf die Leserbriefseite verbannt: Zu Vogels Sätzen angesichts des Mauerfalls "Jetzt ist nicht die Zeit des Parteienstreits. Gemeinsamkeit ist das Gebot der Stunde" meinte von Sell: "Uff, sagt da nicht nur der alte Indianer. Auch der geschichtsbewanderte Demokrat erinnert sich der majestätischen Äußerung vom August 1914, 'ich kenne keine Parteien, ich kenne nur noch ('nur noch', wie wahr!) Deutsche.' Sind wir denn im Krieg? ... Oder ist Demokratie als Streitgesellschaft einfach nur mal eben wieder ausgesetzt? Und wenn, warum? Haben wir den berühmten Notstand (der dann auch endlich die Legitimation für eine große Koalition hergäbe)? Sind Wahrheit, Klarheit, Unterschiede der Positionen zu schwere Kost für den 'mündigen Bürger'? Und wer, wenn... bestimmt das? Wer fürchtet da den Streit um die Wahrheit?"  (86)  

Die Konservative Revolution in der SPD fürchtet den Streit seit Lassalles Zeiten, da mag SPD-Mitglied von Sell noch so sehr wünschen, daß Vogels völkische "Gemeinsamkeit endlich im Orkus der Vordemokratie verschwindet". Schon Berlins Wissenschaftssenator Peter Glotz sah 1978 eine "Gefahr für die Stabilität unseres politischen Systems" aufziehen, als sich die "Tunix"-Studenten unbewilligte Freiheiten herausnahmen. Zur Rettung des Systems müsse der Protest kanalisiert werden, meinte er damals in der "Zeit": "Hundertausende junger Menschen kommen an die Universitäten mit dem bohrenden Drang nach Lebensorientierung, nach Übersicht, 'Sinn'. Die moderne Massenuniversität läßt sie gerade mit diesem Bedürfnis allein. ... In dieser Situation ist die Forderung nach dem 'politischen Mandat' der Studentenschaft ein Ausdruck der verzweifelten Suche nach 'Sinn'. ... Ich warne davor, das elementare Bedürfnis zu verkennen, das hinter diesen studentischen Forderungen steht. Deshalb plädiere ich für die Beibehaltung - beziehungsweise in Berlin für die Wiederherstellung der verfaßten Studentenschaft - trotz unbestreitbaren Mißbrauchs dieses Instruments an einigen Stellen." 

Gemeinschaftsstiftende Plazebo-Politik hat Konjunktur. Im November 1994 stellte die bayrische SPD-Vorsitzende Renate Schmidt die Forderung nach mehr Plebisziten im kommunalpolitischen Bereich - dort also, wo jedenfalls keine weitreichenden Entscheidungen über die Kapitalverwertungsmöglichkeiten der Konzerne getroffen werden. Glotz hatte schon vorher gefordert, den Bundespräsidenten vom Volk direkt wählen zu lassen. Das bringt zwar keine Arbeitsplätze - es bringt eigentlich bei der Machtlosigkeit der Institution des Bundespräsidenten überhaupt nichts -, aber angesichts von Sozialkürzungen muß man dem Volk was anbieten. Schmidt sprach vom verbreiteten Mißbrauch der Sozialhilfe und meinte: "Alles muß erst erwirtschaftet werden, bevor es verteilt werden kann." Da jedoch die wirtschaftliche Situation zu Hoffnungen auf einen Zuwachs an materieller Lebenqualität nicht berechtige, so zitierte die "FAZ" Schmidt, andererseits die SPD schlecht beraten wäre, täte sie so, als lasse sich derlei erzwingen, müsse die Partei sich um gewissermaßen immaterielle Lebensqualitäten kümmern. "Dazu zählte Frau Schmidt ein Volksbegehren, das die SPD unterstützen werde, wenngleich etliche Kommunalpolitiker dieser Partei hauptsächlich Unannehmlichkeiten befürchteten. Es geht um den Plan, in den Gemeinden 'Bürgerbegehren' und 'Bürgerentscheide' einzuführen, das heißt Plebiszite zu kommunalpolitischen Themen", so die "FAZ". 

Die Wirklichkeit bürgerlicher Teilhabe zeigte dagegen Lafontaine mit seinem saarländischen Pressegesetz gegen den Enthüllungsjournalismus, der auf moralische Werte pocht. "Hunde an die Leine" titelte "Der Spiegel" 1994 zu den Versuchen, die Pressefreiheit sozialdemokratisch einzuschränken. "Große 'Maulkorb-Koalition'" nannte die "FAZ" ähnliche Versuche in der CDU, "SPD-Politiker liebäugeln mit dem 'Spähangriff'", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" zu Plänen, den "Großen Lauschangriff" mit Kameras zu ergänzen - die Wirklichkeit der Volksgemeinschaft zeigt sich wie gehabt.  (87) 

Was Thorsten Hinz - "Chef vom Dienst" bei der "Jungen Freiheit" - im Januar 1995 schrieb, ist durchaus konsensfähig bis in den Bundestag hinein, wenn man vom Pathos absieht: "Auf viele Veränderungen, die sich mit dem Reizdatum '1968' verbinden - den Zuwachs an individuellen Entfaltungsmöglichkeiten, die Stärkung der Gesellschaft gegenüber dem Staat, die Aufhebung von Bigotterie und verklemmter Sexualmoral - möchten auch viele Konservative nicht verzichten. Sie sind jedoch davon überzeugt, daß der Gedanke der Emanzipation zur selbstzerstörerischen Ideologie verkommen ist und ihm durch den Rekurs auf Tradition und langfristige Überlieferungen Grenzen gesetzt werden müssen. Mit dem Bezug auf das Nationale erhält das Staatswesen Dignität und Tiefe. Auf sicherem Grund stehend, kann der Konservative sich den geschichtlichen Brüchen sowie den Veränderungen in Politik, Gesellschaft, Kultur und Bewußtsein stellen und sein momentanes Ghetto verlassen. ... Ein national gestimmter Konservatismus will ... nicht ausgrenzen, sondern integrieren und die Rechte und Freiheiten der Mehrheit so gut wie die der Minderheiten sichern. Das ist allerdings nur möglich, wenn der individuellen Freiheit die Verantwortung für die Gemeinschaft zur Seite steht. ... 'National' zu sein heißt, was der Nazi-Gegner und heimgekehrte Emigrant Bertolt Brecht in die Verse kleidete: 'Und nicht über und nicht unter / Andern Völkern wollen wir sein.'" 

Nicht nur Scharping zitiert in den 90er Jahren mit Vorliebe Brechts Lied, das der schlaue Dichter 1956 "Kinderhymne" nannte, weil es die gesellschaftliche Wirklichkeit naiv betrachtet: "Armut sparet nicht noch Mühe / Leidenschaft nicht noch Verstand / Daß ein gutes Deutschland blühe / Wie ein andres gutes Land. / Daß die Völker nicht erbleichen / Wie vor einer Räuberin / Sondern ihre Hände reichen / Uns wie andern Völkern hin. / Und nicht über und nicht unter / Andern Völkern wolln wir sein / Von der See bis zu den Alpen / Von der Oder bis zum Rhein. / Und weil wir dies Land verbessern / Lieben und beschirmen wir's / Und das liebste mag's uns scheinen / So wie andern Völkern ihrs." Nein, Brecht war kein Ethnopluralist, die Kinderhymne ist kein Volks-Lied. Aber nicht nur Scharping und die "Junge Freiheit" zitieren sie ernst gemeint. Das Gedichtchen gehört inzwischen - als einzige Äußerung desjenigen, der den "Anachronistischen Zug" und "Die Erziehung der Hirse" schrieb - zum Gemeingut der "Neuen Rechten". Auch Eichbergs "wir selbst" druckte es mehrmals, 1989 neben einem Kommentar von Franz Schönhuber, 1990 neben einer Anzeige für Helmut Diwalds Ullstein-Buch "Deutschland, einig Vaterland". 

Rudolf Scharping setzte die Kinderhymne an den Anfang seines Buches "Was jetzt zu tun ist" von 1994. Im selben Jahr übernahm er sogar die nationalrevolutionären Positionen von Peter Brandt: "Die PDS ist das parteipolitische Symbol für die noch andauernde Spaltung in Deutschland", sagte er dem "Spiegel", die Partei müsse deshalb weg. Brandt hatte seinen Versuch, die Linke zur Wiedervereinigung zu locken, immer wieder mit dem Hinweis auf die Spaltung der "deutschen (!) Arbeiterklasse" in Kommunisten und Sozialdemokraten, in SED und SPD, begründet: schon in Venohrs Buch "Die deutsche Einheit kommt bestimmt", in "wir selbst" und etlichen nationalrevolutionären Publikationen. Die Wiedervereinigung des Marktes ist Scharpings Thema. "Wohlstand durch Modernisierung" müsse her, meinte er in "Was jetzt zu tun ist". Und weil die kleinen Leute das bezahlen sollen, müsse man zuerst die "Grundlagen der Freiheit festigen": durch Brechts Gedicht zum Beispiel. Denn "soziale Milieus und Bindungen lösen sich auf", wußte der SPD-Vorsitzende, "manch einer fühlt sich durch diese Veränderungen überfordert, verliert die Orientierung. Andere glauben nun, losgelöst von sozialer Verantwortung, nur noch den eigenen Vorteil suchen zu müssen." (Das zweite Komma ist das interessante, aber Scharping hat es nicht bemerkt.) Er beklagt die "atomisierte Gesellschaft" und die "grenzenlose Libertinage". In dem Buch "SPD - Anpassung oder Alternative?" hat er folgende Antwort auf die Titelfrage parat: "Offenkundig gibt es einen Mangel an Identität, und bisher sehe ich nur, daß der Versuch gemacht wird, ihn von der rechten Seite des politischen Spektrums her zu füllen." Meint er seinen Vorgänger Vogel? "Es muß gelingen, dem etwas entgegenzusetzen, das den Menschen eine Heimat gibt, einen Ort, an dem sie sich sicher fühlen": Deutschland eben, wenn auch so, wie es sich ein Kind vorstellt. (88)  

"Der Wettbewerb regiere, die Auflösung traditioneller Sozialmilieus gefährde soziale Einheiten ... wie Familie oder Gemeinden. Eine 'Ego-Gesellschaft' entwickele sich, sofern die 'Individualisierung' voranschreite, ohne daß Gegenkräfte gestärkt würden", so zitierte die "taz" im November 1994 Wolfgang Schäuble aus einem Vortrag vor der Konrad-Adenuer-Stiftung, Titel: "Nationale Identität und die innere Einheit Deutschlands". Ähnlich hatte Schäuble sich im Juni 1994 in der "FAZ" geäußert: Nation sei eine "Schutzgemeinschaft" und als "identitätsstiftendes Band des Gemeinwesens" unverzichtbar, weil "die schiere Vernunft allein nicht ausreicht, um auftauchende Mühsal zu akzeptieren und zu bewältigen", vor allem in Zeiten, in denen "Gefühl für Gemeinsinn und Gemeinwohl gefordert" sei. 

Schäuble habe sich auch auf amerikanische Kommunitaristen gestützt, berichtete die "taz" über seinen Vortrag und kommentierte das Ziel seiner Zivilisationskritik: "Das Heilmittel bleibt freilich das alte, auch wenn die Schriftzüge des Doktor Schäuble auf seinem Rezept für das gefährdete Deutschland neuerdings etwas gefälliger ausfallen: die Bindungskraft der Nation soll als 'emotionales Element' den Menschen an die 'Gemeinschaft' heranführen. Die Deutschen sollen sich nach Schäubles Willen 'auf die Grundlagen der nationalen Gemeinschaft besinnen und sie wieder mit Leben füllen'." 

"Deutsch ist ein lebendiges Wort", hatte der brandenburgische SPD-Vorsitzende Steffen Reiche im August 1993 bei der Vorstellung des Fichter-Buches "Die SPD und die Nation" in den Saal gerufen: "Ich bin dankbar, daß ein lebendiges Wort ein Stück weit, ein kleines, wichtiges Stück weit, in seiner Geschichte offengelegt wird - das lebendige Wort Nation." Er freut sich mit Schäuble und der "Jungen Freiheit", die seine Rede druckte, "wenn sich die Menschen in so etwas wie einer lebendigen Nation geborgen wissen", mehr noch: "Wir sind als Nation gefragt", meinte Reiche. 

Eine Über-Große Koalition hat sich gebildet. "Konsens tut Not", schrieb der Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Rheinland-Pfälzischer Unternehmerverbände, Christoph Stollenwerk, im Februar 1994 in der Zeitschrift "Gesellschaftspolitische Kommentare" und beklagte die "Überbetonung der Individualrechte". Der Beirat des Blattes besteht aus Abgeordneten von Bundestag und Europäischem Parlament, unter ihnen die SPD-Politiker Catenhusen, Vosen, Pfaff, Linkohr und Rothley. Stollenwerk schrieb vom "Vaterland" und davon, "unsere politischen Mandatsträger in ihrem Mut (zu) stärken, auch unpopuläre Entscheidungen, wenn sie der Sache dienlich sind, zu treffen". Nach der Klage, daß die "Bindungsbereitschaft" an "Familie", "Parteien", "Kirchen" "spürbar" nachlasse, wußte er: "Vieles spricht dafür, daß all diese Erscheinungsbilder unseres heutigen Alltags eine gemeinsame Wurzel haben: Wir reden zwar von der Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft, pflegen statt dessen aber den Individualismus." Und damit das aufhöre, forderte der SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Indistriegewerkschaft Chemie-Papier-Keramik, Hermann Rappe, im Januar 1995, den Tarifvertrag mit den Chemie-Arbeitgebern unverändert fortzuschreiben, der den Pluralismus des "Rechts auf Ungleichheit" praktisch anwendet: Wird einem Langzeitarbeitslosen gnädig ein Arbeitsplatz verschafft, so bestimmt dieser Tarifvertrag, daß er nur 90 Prozent des Tarifgehaltes bekommt, das ihm eigentlich zusteht und das seine vorher nicht arbeitslosen Kollegen erhalten. 1932 gab es das schon einmal, von Staats wegen, als Reichskanzler Franz von Papen und Reichspräsident Paul von Hindenburg die untertarifliche Bezahlung erlaubten. Anreiz für die Unternehmer nennt Rappe es heute. Und auch die Sozialkürzungen, die Renate Schmidt vorschweben, um den "Gemeinsinn" konkret werden zu lassen, gab es damals: "Der Staat darf nicht zur Wohlfahrtsanstalt werden", meinte Papen. Auf Rappes Angebot reagierte die Chemieindustrie sofort: 1994 sei ihr Umsatz um 6,4 Prozent gestiegen, statt der erwarteten 4 Prozent; weitere 30 000 Stellen müßten jetzt noch abgebaut werden - Krisengewinnler, wie damals.  (89) 

Sonderbewußtsein gegen gleiche Rechte 

Ist aus einer Gesellschaft erst einmal eine Volksgemeinschaft geworden, scheidet diese immer auch völkische Minderheiten aus, per definitionem. Damit die Menschen, die vorher gleiche Mitbürger waren und jetzt als "fremd" definiert werden, nicht Opfer der Hegemonie werden, will man sie besonders schützen. Solche Schutzrechte verschaffen der Volksgemeinschaft dann die Aura der Menschlichkeit. Die Rede von der Differenz ist die direkte Folge der Idee der Volksgemeinschaft. Die Ideologie des Ethnopluralismus wird nur da benötigt, wo die Hegemonie eines Teils die gleichen Rechte für alle bereits zerstört hat. 

Die Verankerung des Schutzes völkischer Minderheiten ("alteingesessene Volksgruppen") im Grundgesetz schien eines der Hauptanliegen von Hans-Jochen Vogel in der Gemeinsamen Kommission zur Verfassungsreform zu sein, die Bundestag und Bundesrat nach der Wiedervereinigung eingerichtet hatten, um den Ruf nach einer Volksabstimmung über ein neues Grundgesetz abzuwürgen. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte dazu einen Gesetzentwurf eingebracht, der einen neuen Verfassungsartikel einführen wollte: "Der Staat achtet die Identität der ethnischen, kulturellen und sprachlichen Minderheiten. Er schützt und fördert Volksgruppen und nationale Minderheiten deutscher Staatsangehörigkeit." 

An ein Ausländerwahlrecht war dabei ebensowenig gedacht wie an offene Grenzen. Die "kontrollierte Zuwanderung" dient immer nur dazu, das Arbeitskräfte-Reservoir zu regulieren, nicht etwa, gleiche Rechte zu garantieren. Die Friesen, Sorben und Wenden - seit langem die deutschen Vorführminderheiten der Nationalrevolutionäre um Eichberg, denen "wir selbst" lange Artikel widmete -, vielleicht auch die Mischkulturen der repatriierten Deutschstämmigen aus Kasachstan, Siebenbürgen und dem Banat, auch die Dänen im deutschen Süd-Schleswig sollten geschützt werden. Der Vorschlag betraf also nur solche Gruppen, die eh schon deutsch waren - ein reines Propagandaunternehmen, dessen einziger Sinn es war, die Idee der kulturellen Differenz als Grundlage sozialer Differenz zu transportieren. Dazu wurde auch das Leiden der Sinti und Roma unter dem Faschismus benutzt. So ließ sich die kulturelle Differenz, das "Recht auf Ungleichheit", leichter als menschenfreundliche Politik hinstellen. Keine kurdische Trachtengruppe, die ihre rückständige Botschaft verzweifelt gegen Hip Hop, Punk, Tekkno und Madonna zu verteidigen versucht, keine Wanderarbeiter aus Mosambik oder Vietnam hätten sich auf diesen Verfassungsartikel berufen können. Für sie ist Ausweisung und Abschiebehaft die Rechtswirklichkeit. Es gehe um die "Glaubwürdigkeit der Haltung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Fremden und Ausländern", Deutschland werde sich ohne solche Schutzrechte für Minderheiten "im zusammenwachsenden Europa isolieren", warnte der "Sozialdemokratische Pressedienst" noch im Januar 1994 und verriet damit die Motivation des geplanten Verfassungszusatzes: "Ein Land muß sich daran messen lassen, wie es mit seinen Minderheiten umgeht." Doch das ganze Vorhaben scheiterte schließlich an der CDU/CSU. 

Die faktische Abschaffung des Asylrechts, die nur mit Hilfe der SPD möglich war, zeigte, daß die Debatte um den verfassungsmäßigen Minderheitenschutz auf freundliche Reaktionen des Auslands schielte und niemals ernst gemeint war. Auch die SPD beendete sie dann sang-, klang- und ergebnislos. Zu einer Zeit, als die Partei an der Asylfrage fast zerbrochen wäre, hatte Vogel die Aufgabe übernommen, für den Zusammenhalt zu sorgen. Gerade der Exponent des rechten Flügels, so das Kalkül, sollte in Asylbewerberheimen übernachten, als die Brandanschläge verübt wurden, um die Solidarität der SPD mit den Verfolgten zur Schau zu tragen und die Proteste der Parteilinken und -mitte gegen die Anti-Asyl-Politik aufzufangen. Vogel war geeignet: Er hatte soeben mit Annemarie Renger, Jürgen Burckhardt, Manfred Struck und Freimut Duve den "Verein 'Gegen Vergessen - Für Demokratie'" gegründet, der sogleich daranging, die DDR mit Nazi-Deutschland gleichzusetzen. Anfang der 70er Jahre hatte Vogel als Oberbürgermeister und SPD-Chef von München fanatisch die linken Jusos bekämpft und die Münchner Partei in eine tiefe Krise gestürzt. 1981 machte er sich als Regierender Bürgermeister von Berlin zum Fürsprecher der Wertkonservativen, also des rechten bis braunen Flügels der Öko-Bewegung, deren linker Teil die isolierte Frontstadt des Antikommunismus umzukrempeln drohte. Ein Rechter konnte um so mehr Anerkennung von links für seine angebliche Solidarität mit bedrohten Asylbewerbern erwarten. Vogel präsentierte sich bis kurz vor der Asylrechts-Abstimmung im Bundestag öffentlich als jemand, der von Zweifeln am neuen Gesetz und von Menschlichkeit geplagt sei, der nicht müde wurde, sein Nein zu bekunden, um dann - das war seit langem klar - im letzten Augenblick auf ein Ja umzuschwenken. So konnte er in einem Befreiungsschlag einen großen Teil der Fraktionsmitglieder mitziehen, die sich unschlüssig waren und wohl eher gegen die Abschaffung gestimmt hätten. 

Der Ethnopluralismus propagiert das völkische Kollektiv gegen die Ansprüche des Individuums, und sei es auch nur das Kollektiv einer friesischen Insel im Meer, eines sorbischen Tales hinterm Wald, im "Hinterwäldlertum" von Thomas Schmid und Peter Glotz. Die Forderung nach völkischem Minderheitenschutz setzt dieselbe Politik fort, die eine Gemeinschaftsverpflichtung gegen das Individuum in der Verfassung verankern will. Es erstaunt nicht, daß beide Positionen von denselben Personen verfochten wurden, Vogel z. B. Sie zielen auf Formierung und richten sich gegen die liberalen Wurzeln des Demokratischen Sozialismus. 

Die wahre Minderheitenpolitik der SPD vertrat Wolfgang Thierse, als er am Abend des Pogroms von Rostock dem ZDF ein Interview gab: "Der Innenminister müßte endlich dafür Sorge tragen, die 300 000 unbearbeiteten Asylbewerberanträge zu bearbeiten und damit Entlastung zu schaffen. Es geht jetzt darum, sowohl praktische, schnelle Beschleunigung von Asylverfahren durchzusetzen und zweitens eine Einwanderungsregel zu erreichen." Schon vor der Bundestagswahl 1987 hatte sich die SPD damit gebrüstet, von der DDR die Zusage erhalten zu haben, tamilische Flüchtlinge schon am Flughafen Schönefeld zurückzuweisen, statt sie als Asylbewerber in die BRD einreisen zu lassen, während die konservative Bundesregierung dem Zustrom tatenlos zusehe. Die langjährige parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion Brigitte Schulte, Mitglied des Ältestenrates des Bundestages, erklärte 1993 zum Zustand der Großstädte in Europa und der "Wahlerfolge von Neofaschisten und Ex-Kommunisten" in Italien: "Wer glaubt, solches könne uns alles in Deutschland nicht passieren, schaue sich nur die Problemquartiere unserer Großstädte an. Dort, wo die kleinen Leute schon heute überproportional häufig ohne Arbeit sind, wo Drogen und Alkohol eine Rolle spielen und 40 Prozent der Bewohner Ausländer sind! Wer kann, zieht weit weg!" Diese Art von Fluchtverhalten der politischen Prominenz vor der Bevölkerung läßt allerdings kaum eine Problembewältigung erwarten.  (90) 

Im März 1989 hatte die prominente WDR-Journalistin Carmen Thomas im "Vorwärts" über zwei Seiten die Parole des FAP-Neonazi-Aufklebers variiert, die lautet: "Deutscher, sei stolz, ein Deutscher zu sein. Türke, sei stolz, ein Türke zu sein." Thomas schrieb: "Tatsächlich. Eine Kolonie sind wir, Motto: Cola war gut, Jeans waren gut, Jogging war gut, warum sollte Pershing schlecht sein?" Doch ihre Kritik an der "Amerikanisierung" zielte gar nicht auf Raketen, sondern auf das Einwanderungsland. Thomas bekannte sich im "Vorwärts" ohne Umschweife zu ihren "ausländerfeindlichen Anteilen", wie sie schrieb. "Das Thema Ausländer und Deutsche beschäftigt mich seit vielen Jahren." Sie habe Radiosendungen über Ausländerkinder gemacht, begann sie scheinbar menschenfreundlich, "über deren Zerrissenheit zwischen zwei Kulturen. Über deren Sprachlosigkeit in zwei Sprachen. ... Sie haben eine gespaltene Identität. Sie wissen nicht wirklich, zu wem sie beim Fußball halten sollen. Sie fühle sich draußen. ... Was tun wir da, dachte ich, als ich Kinder erlebte, die Wut auf ihre Eltern haben, weil sie deren Leben von früher nicht verstehen können, und die Wut auf uns haben, weil sie unser Leben hier auch nicht richtig führen können. Geprägt von den strengen Vorstellungen ihrer eigenen Erziehung, überfordert mit den liberalistischen Tendenzen unserer Erziehung. Ein Heer von seelisch Beschädigten. Nicht wiedergutzumachen. Mein Zorn wandte sich gegen die Wirtschaft und gegen eine Politik, die Völker wie Ersatzteillager behandelt." 

Die Hofgeismarer Fascho-Jusos schrieben im November 1994 zur "unkontrollierten Zuwanderung": "Auch aus moralischen Gesichtspunkten ist es verwerflich, die Welt als eine Art menschliches Ersatzteillager zu betrachten." 

Carmen Thomas griff schon fünf Jahre vorher im "Vorwärts" in die Vollen: "Dann kamen die Asylant-inn-en hinzu. Ich kenne welche - von Verfolgung nicht die Spur -, die schlau, in Kenntnis des deutschen Sozialnetzes herkommen und es besser nutzen als die deutsche Oma, die mit ihrer verschämten Armut ihren selbst eingezahlten Anspruch darauf nicht einlöst." Es sei "ja was dran", daß "die Ausländer-inn-en uns die Arbeitsplätze wegnehmen". Die Journalistin, die wohl zwanzig Jahre, bis 1995, jeden Donnerstag Morgen im WDR die Sendung "Hallo Ü-Wagen" moderierte, sich also mit Sprache und ihrer Wirkung bestens auskennt, war im "Vorwärts" nun selbst schlau: "Den Unterschichtler-innen aber nehmen sie nicht nur tatsächlich die Arbeitsplätze weg. Sie machen oft noch etwas schlimmeres. Sie verderben die Preise. ... Es kann kein Zweifel bestehen, daß sie einen Teil der gewerkschaftlichen Arbeit - ohne böse Absicht und sozusagen unverschuldet - untermininert haben und Errungenschaften von hundert Jahren Arbeitskampf in Frage stellen helfen." Ob böse Absicht oder unverschuldet, 'raus müssen sie alle, damit Deutschland wieder erwachen kann: "So. Und nun - nach alledem - nach den Nazis, den Brüdern und Schwestern, den Europäern, der Amerikanisierung, nun auch noch mehr und mehr Ausländer und Ausländerinnen. Die Menschen" (die Deutschen sind gemeint, P. K.) "in diesem Lande mit der nicht vorhandenen oder angeschlagenen Identität versuchen doch immer noch, sich selbst zu suchen. Sie haben 'Shops' und 'Fastfood' und die 'Martinizings' und das Fremde dicke, gegen das sie sich nicht richtig wehren dürfen, ohne als amerika- und damit regierungsfeindlich zu gelten. Viele fühlen sich in ihrer Sprache, in ihrer Kultur, ihren Gebräuchen geschäftsmäßig ausgehöhlt. Sie müssen gute Miene zum bösen Spiel machen." 

Die Ausländer sollen zurückgehen, "sie brauchen Arbeit, Einkommens- und Ausbildungsmöglichkeiten in ihren eigenen Ländern. Die Fabriken und Ausbildungsstätten müssen dorthin", vor allem wohl die umweltgefährdenden. "Würden die, die dann tatsächlich bleiben wollten, sich nicht so einpassen wollen, daß sie selbst den fremden ängstlichen Deutschen deutlich weniger Bedrohung wären, als es jetzt Schulklassen mit bis zu 70 Prozent Ausländeranteil oder Stadtviertel mit über 40 Prozent tatsächlich sind?" Ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild, auf zwei "Vorwärts"-Seiten. Dann brannte es in Deutschland. Die Hofgeismarer Jusos äußerten Verständnis für die Brandstifter und durften in der SPD bleiben. 

Die Glotz-Linie vertrat im "Vorwärts" Harald Schumacher, Redakteur der "Wirtschafts-Woche", die seit je her gegen die "Ausländer raus!"-Forderung auftritt, aus ökonomischen Grünen. "Ausländer schaffen Arbeitsplätze und sichern Renten", schrieb Schumacher im Februar 1994 in der SPD-Mitgliederzeitschrift, "sie haben immer noch die härteren, schmutzigeren und schlechter bezahlten Jobs", die sonst unbesetzt blieben. "'Ausländer raus' ist also eine Parole, die unseren eigenen deutschen Interessen zuwiderläuft." Das gilt vor allem angesichts der realen Bilanz des neuen Asylrechts. "Abgelehnt und verschwunden. Behörden in Rheinland-Pfalz vermissen ein Drittel der abgelehnten Asylbewerber", berichtete das Provinzblatt "Die Rheinpfalz" im Februar 1994. "Unbekannt ist die Zahl der 'Untergetauchten', die sich vor allem in Ballungsgebieten mit Gelegenheitsjobs durchschlagen", und zwar gezwungenermaßen untertariflich bezahlt, dankbar sogar für Hungerlöhne. Illegalität erst einmal herzustellen, um sie dann auszubeuten, ist die Wirklichkeit der Asylrechtsänderung. (91)  

Das Konzept des Ethnopluralismus hat mannigfache Auswirkungen. Frauen nach Art der Rassen zu behandeln, ist ein alter Vorwurf der linken Frauenbewegung gegen die rechte. Die Idee des Sonderbewußtseins und des "Rechts auf Ungleichheit" zieht auf allen Gebieten Benachteiligungen nach sich, die als menschenfreundliche Schutzinteressen ausgegeben werden. 

Für den Bereich der amerikanischen Universitäten, an denen das ethnisch und feministisch begonnene Sonderbewußtsein inzwischen zur selbstverständlichen Etablierung weißer männlicher Rassistenorganisationen geführt hat, die ihre "Identität" gegen den Egalitarismus mit denselben Argumenten verteidigen wie Farbige und Frauen, hat Béatrice Durand die Auswirkungen untersucht, die das Denken in den Konzepten der Differenz hervorbringt. Sie weist vor allem auf die Apartheid-Folgen hin, die jede allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz verschiedener Kulurmilieus von vorne herein unmöglich machten: "Die Aufteilung der Fakultäten auf der Basis von 'Identitäten' sorgt zwar für Sichtbarkeit, aber kaum für die viel nötigere multikulturelle Zirkulation des Wissens: Die meisten Women-Studies-Kurse werden nur von Frauen, die Black-american-Studies von Schwarzen besucht und so weiter." Inzwischen gebe es apartheidliche Trennungen bei Studentenwohnheimen, Mensen, studentischen Verbindungen und Vereinigungen, die sich gegen "Fremde" mit dem Argument des Schutzinteresses abkapselten - und somit natürlich auch ihre Privilegien bewahren. "Oft meint man, es nicht mehr mit selbstbewußten Individuen zu tun zu haben, sondern mit bloßen Trägern bestimmter kollektiver Attribute", konstatierte Durand 1992 in einem "taz"-Artikel. 

Thomas Schmid hatte sich in NG/FH dafür ausgesprochen, mit Hilfe von Abgrenzungen das "Fremde" fremd zu belassen, also genau die kommunikativen Strukturen zu durchschneiden, die für ein gleichberechtigtes Miteinander auf der Basis gegenseitigen Kennens - und daher auch Angleichens - nötig sind. Die Jusos, die ihn damals zur "multikulturellen Gesellschaft" einluden, haben inzwischen die konservativen Bestrebungen aufgegriffen, in der Schule die Geschlechtertrennung wiedereinzuführen. Die Idee der Mädchenschule wird seit Ende der 80er Jahre in der SPD verfochten. Die damalige SPD-Kultusministerin von Schleswig-Holstein, Eva Rühmkorf, wollte sie in praktische Politik umsetzen, der "Vorwärts" brachte eine Titelgeschichte, beim Juso-SchülerInnen-Kongreß im Dezember 1994 wurde die anti-egalitäre Stoßrichtung sogleich mit der antiamerikanischen verbunden: "K.O. education?" hieß eine Arbeitsgruppe, die gegen Koedukation Stellung bezog. Der "Vorwärts" schrieb im Oktober 1988 über ein reines Mädchengymnsium: "'Das ist das Tolle hier', sagt Vera, 'wir können uns ganz auf das Lernen konzentrieren und werden nicht von den Jungen abgelenkt.' Macho-Sprüche wie 'Laß mich mal ran, ihr Weiber habt doch eh keine Ahnung' kennt Vera 'nur von meinen Freundinnen aus gemischten Schulen'." 

Das Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung analysierte 1993 uralte Daten neu, die 1968 erhoben worden waren, um zu beweisen, daß die Geschlechtertrennung im mathematisch-naturwissenschaftlichen und im sprachlichen Unterricht nötig sei - als hätte sich das Selbstbewußtsein der Jugendlichen in den letzten 25 Jahren nicht verändert. Zur Leistungssteigerung sei getrennter Unterricht von Jungen und Mädchen nötig, lautete das Ergebnis der Neuauswertung. Biologische Kollektive sind die Richtschnur, nicht die konkrete Lebens- und Lernsituation des einzelnen Jugendlichen. Dieser Argumentation gegen die Koedukation folgend, müßten auch separate Autobahnen für Frauen nützlich sein, um das Fahrverhalten zu verbessern und männliche Beleidigungen gegenüber Frauen am Steuer verstummen zu lassen. 

Die Debatte wird zu einer Zeit hochgepuscht, in der die schulische und universitäre Ausbildung stromlinienförmig an die Modernisierungsinteressen der Kapitalverwerter angepaßt und gleichzeitig die öffentlichen Ausgaben für die Bildungseinrichtungen drastisch gesenkt werden. Statt eine genügende Anzahl von Lehrkräften einzustellen, statt die Hochschulen entsprechend den Bildungsbedürfnissen auszubauen, werden mangelnde Leistungen auf den angeblich schlechten Einfluß des jeweils anderen Geschlechts zurückgeführt. Das ist entschieden billiger, als die pädagogische und psychologische Lernförderung auszubauen. Wo nur noch das Trimmen auf Höchstleistungen an einem speziellen Arbeitsplatz zählt, fallen psychosexuelle Probleme der Individuen nicht ins Gewicht, die aus der Geschlechtertrennung gerade in der Jugendzeit entstehen. Daß auch hinter dieser Debatte nackte Konzerninteressen stehen, die darauf gerichtet sind, den gesellschaftlichen Wohlstand von der Lebensqualität auf die Hightech-Subventionen umzuverteilen, scheinen die SPD-Verfechterinnen der Differenz ebenso wenig bemerkt zu haben, wie die Tatsache, daß geschlechtshomogene Jugendgruppen ohnehin nur Macho- und Tussi-Verhalten bestärken, weil Korrektive fehlen.  (92) 

Eine ähnliche Differenz-Debatte kennzeichnet die sozialdemokratische "Dritte Welt"-Politik, seit der Bundestagsabgeordnete Ingomar Hauchler zum entwicklungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion avancierte. Der Mann kennt sich aus, war er doch Mitglied der Geschäftsleitung der Verlagsgruppe Bertelsmann und vorher Vorstandsassistent bei der Metallgesellschaft AG, einem großen Handelspartner der "Dritten Welt", dem es darum geht, die Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt zu drücken. Seit 1976 ist Hauchler Professor an der Hochschule für Wirtschaft in Bremen. Im Dezember 1994 forderte er in der Haushaltsdebatte des Bundestages eine neue Strategie gegenüber der "Dritten Welt": Die Entwicklungspolitik müsse weg von der "gönnerhaften Helfer-Attitüde" und als "Sicherheits- und Überlebenspolitik" zum "integralen Bestandteil der Außen- und Wirtschaftspolitik werden"; sie solle daher im eigenen Interesse Deutschlands ein stärkeres Gewicht erhalten. Hinter aller Menschlichkeits-Rhetorik, die aus der SPD in die "Dritte Welt"-Bewegung gesendet wird, stehen zahlreiche klare Aussagen, die dem Süden eine agrarische nationale Identität zuordnen, die zu bewahren sei, während der Norden im Reichtum der Hochtechnologie-Industrie lebt. Lafontaine nahm im Juli 1991 im "Vorwärts" neben drei Seiten Werbeanzeigen von Siemens und Daimler-Benz kein Blatt vor den Mund: "Jeder weiß doch: Wenn in Kuwait nur Datteln wüchsen, dann hätte es den Golfkrieg in dieser Form niemals gegeben." Die Araber, Iraker und Iraner müssen - rein pazifistisch motiviert, versteht sich! - in die Armut zurückgeworfen werden, selbstbewußte Mittelmächte als mögliche Verbündete der "Dritten Welt" können nicht geduldet werden: "Eine andere Energiepolitik, eine Politik der Energieeinsparung, wäre ein gutes Stück Friedenspolitik im Nahen Osten." 

Über allem schweben die Behauptungen, die Ökologie der Erde gehe kaputt, wenn die Menschen im Süden die Mühsal ihres Lebens ebenso reduzieren wollten, wie es die des Norden versuchen, und die völkische Kulturvielfalt der Erde werde zerstört, wenn man im Süden Walkman, zwanzig Fernsehkanäle, Kühlschränke und soziale Sicherungssysteme hätte und auch selbst erwirtschaften und finanzieren könnte. Dem Süden wird einfach das Recht auf die entwickelte Industriegesellschaft abgesprochen. Kultur und Natur werden hier in gleicher Weise als statische Phänomene ausgegeben, die in ihrem Zustand bewahrt werden müßten. Die Armut des Südens wird zur ethnischen Besonderheit erklärt und bekommt den Stellenwert einer Naturkonstanten. Verzicht auf Wohlstand, damit kulturelle Identitäten und scheinbar natürliche Zusammenhänge erhalten bleiben, lautet die Forderung, die im Sünden wie im Norden vor allem die Armen trifft, weil die Reichen der Gesellschaften sich ihren Luxus immer noch leisten können und werden. Die Arbeitsgruppe für wirtschaftliche Zusammenarbeit der SPD-Bundestagsfraktion gab sich 1990 pathetisch und zeigte auf, wer verzichten soll: "Verursacher der katastrophalen Entwicklung ist in erster Linie der Norden, aber der Süden ist in steigendem Maße beteiligt. Wir müssen aufhören, gegenseitig mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Beide Seiten müssen umkehren, bevor es zu spät ist. ... Ein Umweltprogramm für die Eine Welt muß auch zu tiefgreifenden Änderungen im Süden führen. In dem Bemühen der Länder der Dritten Welt, ihren Entwicklungsrückstand aufzuholen, liegt die Gefahr, die Fehler des Nordens zu wiederholen. Wenn diese Länder auch nur annähernd so viel Energie verbrauchen werden wie die Industrieländer des Nordens, können wir Menschen auf der Erde nicht überleben. Wo Entwicklungsländer auch im Interesse der Weltgesellschaft wirtschaftliche Möglichkeiten zugunsten des Umweltschutzes ungenutzt lassen, müssen die Industrieländer für den finanziellen Ausfall aufkommen. Zwei Konsequenzen, die einander bedingen, sind unvermeidlich: Abkoppelung des Südens von falschen Vorbildern und Entwicklungsmodellen des Nordens; Änderungen in der Wirtschaftsstruktur und im Konsumverhalten des Nordens." 

Konsumverzicht allenthalben, egal mit welcher Begründung, damit Finanzen für die Hightech-Entwicklungen frei werden. Den Armen des Südens fällt es eben leichter, "zugunsten des Umweltschutzes" zu verzichten, als der SPD-Bundestagsfraktion, die sich an Computer, Dienstwagen und ISDN-Telefone von Siemens gewöhnt hat. Die Armen sind leichter abzukoppeln, sie kennen ja nichts anderes. "Abkoppelung" ist der Begriff Henning Eichbergs, den er 1989 zum Titel seines Buches im Bublies-Verlag wählte. Abkoppelung sei gleichbedeutend mit Entkolonialisierung, schrieb er, in gleicher Weise für Deutschland wie für die "Dritte Welt", die beide vom US-Imperialismus kolonialisiert seien. 

Eichberg lehnte unter der Überschrift "Fremdes und Eigenes" die Entwicklungshilfe ab und betonte die Abgrenzung der Kulturen, wie es Schmid schon vorher in NG/FH getan hatte. Es ist in Wirklichkeit die Abgrenzung der Reichen von den Armen, die erhalten werden soll. Eichberg idealisiert die Lebensweise mythischer Figuren wie "Indianer" oder "Eskimo" und verschweigt, daß die Armut der realen nordamerikanischen Ureinwohner keineswegs aus einer Volksabstimmung über Verzichtsappelle herrührte, sondern aus einer steinzeitlichen Produktionsweise, deren Folgen eine durchschnittliche individuelle Lebenserwartung von dreißig Jahren und grausame Stammeskriege um Jagdgründe waren. "'Entwicklungshilfe' heißt die Lösung für jene 'armen Eingeborenen'", höhnte der Strasser-Schüler Eichberg, "denen es an 'Waschlappen und Spielzeug' fehlt. Wir sind es, die auf dem Stand der Zeit sind, und die anderen, Zurückgebliebenen sollten unserer Produkte und Produktivität teilhaftig werden. Aber irgendwie merken wir, daß dieses Bild, daß diese Perspektive nicht mehr stimmt. In unseren Flüssen können wir unsere Hände nicht mehr waschen, und die Lastwagen und Autos, die den 'armen Eingeborenen' fehlen, töten allein in unserem Staat jährlich 15 bis 20 000 Menschen. ... Und spricht nicht die grüne Alternativkultur unserer 'Stadtindianer' für verbreitete Zweifel an den seit 200 Jahren etablierten Werten von Wachstum, Fortschritt und Produktivität?", fragte er zustimmend. "Aus selbstbewußten arktischen Jägern wurden Wohlfahrtsempfänger. Ihrer Sprache und Rituale entfremdet, kann die Jugend sich vielfach nur noch durch körperliche Aggression ausdrücken." Als wären die wirklichen Indianer Pazifisten gewesen! Als wären die Stadtindianer der 80er Jahre nicht inzwischen Sozialhilfeempfänger geworden! Als würden Eichbergs Schriften im Kartoffeldruck hergestellt! Nein, er benutzte selbstverständlich hochentwickelte Verkehrssysteme, mit denen er zu einem Treffen mit Mechtersheimer aus Dänemark nach Berlin reiste. Als Indianer, zu Fuß, wäre er wohl nicht rechtzeitig angekommen, um "neurechte" Politik zu machen. 

Was bei Eichberg romantizistisch klingt, wird von anderen realpolitisch umgesetzt. Die Nord-Süd-Dichotomie tritt außer Kraft, wenn Hightech-Produkte verkauft werden sollen. Die armen Peripherien des Norden und des Südens stehen gegen die reichen Metropolen, ob München, Singapur oder Nairobi. Die agrarischen Armutsregionen, denen man ohnehin keine Produkte von Siemens oder DASA verkaufen kann, sollen im Extremfall Sammler und Jäger bleiben und ihre Erze billig hergeben, weil sie ja doch keine Hochöfen haben. Die Peripherien werden (vorläufig) abgekoppelt, weil sie (noch) keinen Markt darstellen. Die Monopolisierung der Hochtechnologie für wenige Konzerne ist das Ziel dieser Ideologie, denn wo käme der Norden hin, wenn jeder Braune oder Schwarze jetzt ebenfalls Kommunikationssatelliten in den Himmel schießen wollte! 

Es bleibt ein Faktum, daß nur der Norden die Ressourcen hat, um z. B. energiesparende und FCKW-freie Kühltechnik oder das Drei-Liter-Auto zu entwickeln. Die Kühltechnik des Südens bleibt dann die des Wind-Durchzugs durch Strohdächer auf Lehmhütten. Der Transport des Trinkwassers erfolgt weiterhin auf den Köpfen der stolzen Frauen Afrikas, während die weiße Schwester im Swatch-Auto von Daimler-Benz zum "Kaufhaus des Westens" fährt und französisches Mineralwasser in der Glas-Mehrwegflasche statt in der Pet-Flasche einkauft. So leistet eben jede ihren Beitrag! Glaubt jemand im Ernst, die neuen Abgeordnetenbüros in Berlin hätten keine Klimaanlage und im Winter säßen die MdB mit Schals um den Hals vor Papier und Bleistift, weil die Computer des Parlakom-Systems wieder abgeschafft worden wären, die Siemens-Nixdorf Ende der 80er Jahre dem Bundestag verkaufte - für jeden Abgeordneten zwei komplette Computersysteme, eins im Parlamentsbüro und eins im Wahlkreis, inklusive Fachbetreuung und Ausbildung? 

Wiederum ist der Verzichtsappell bloße Demagogie, diesmal im Gewand des Kultur- und Naturschutzes. Er steht nur scheinbar im Gegensatz zu den Modernisierungsstrategien von Peter Glotz und Uwe Thomas, denn er richtet sich an die Massen und vor allem an die ärmsten Regionen, die erst einmal kapitalintensiv entwickelt werden müßten, bevor hier ein Massen-Markt für Hochtechnologie entstehen könnte. Wohlgemerkt: Es sind nicht die Armen, die den Diskurs der Differenz betreiben, die etwa freiwillig auf ihre Teilhabe am Wohlstand verzichteten, weil sie tatsächlich ihr Eßgeschirr aus Kürbishälften für eine ebensolche Errungenschaft der Menschheitsentwicklung hielten wie den Cyberspace-Helm für virtuelle Wirklichkeitserlebnisse, dessen Computer allerdings in unklimatisierten Lehmhütten mit Elektrizität aus dem Fahrraddynamo gar nicht erst funktioniert. Es ist - wie seit Jahrhunderten - der Norden, der dem Süden die Entwicklungsrichtung des Verzichts vorschreibt, diesmal als oktroyierte kulturelle Identität. 

In der ersten Publikation der "Stiftung Entwicklung und Frieden", die Willy Brandt gründete und deren Vorstand u. a. Kurt Biedenkopf und Ingomar Hauchler angehören, beschrieb Hauchler 1988, wie er die Armutspolitik menschenfreundlich verkaufen will: Verschiedene Regionalkulturen sollen verschiedene Wohlstandsmodelle entwickeln, so daß die Reichen reich bleiben können, während die Armen stolz auf ihre Armut werden sollen. Die "Befriedigung der Grundbedürfnisse" wird völkisch relativiert, die Grundbedürfnisse der Menschen werden selbst schon nach Regionen verschieden definiert: "Innerhalb sozial-kulturell relativ homogener Regionen könnte ein eigenständiger und umfassenderer Begriff des Fortschritts formuliert und die Inhalte und Zeithorizonte von Entwicklung differenzierter bestimmt werden, als dies global je möglich sein wird. Die Illusion global einheitlicher Entwicklung würde abgelöst durch die reale Chance, daß jede Region ihre spezifische Vorstellung von Wohlstand, Arbeit und Leben verwirklichen und sich selbst behaupten kann." So kann der Eskimo arktischer Jäger bleiben und Bertelsmann Konkurrent von Sony: Jedem das Seine. 

Hauchler ist ein geopolitischer Neuordner, der in Großwirtschaftsräumen denkt. "12 oder 15 Weltregionen" schweben ihm vor, "eine Multikooperativität geographischer Großräume". Es müsse eine "Bündelung von Potentialen" "auf dem Weltmarkt" geben. So soll eine hierarchisch formierte Struktur entstehen, in der die jeweils reicheren Regionen die jeweils ärmeren dominieren: abgestufte Hegemonie, innerhalb der Großwirtschaftsräume und zwischen ihnen. Die ärmsten Regionen werden zu abgekoppelten Peripherien der reicheren Metropolen der "Dritten Welt", die nun als Handelspartner interessant sind und angekoppelt bleiben. Der weiße Mann, der mit großer Geste die Welt plant, hat wiederum nur den Nutzen der bekannten Mächte im Sinn. Schon fünf Zeilen, nachdem er den Wohlstandsbegriff ethnopluralistisch differenzierte, verrät Hauchler das Ziel: "Für Mercedes und IWF wären Südostasien oder Mittelamerika ein gewichtigerer Partner als Malaysia oder Costa Rica." Diesmal ist er es, der die Lebenschancen verteilt, oben waren es Glotz oder Schmid; die Interessen von Daimler-Benz bleiben dieselben. 

"Die weltweit ausstrahlenden Medien des Nordens erhöhen täglich die Ansprüche, Erwartungen und Hoffnungen in den Ländern des Südens", kritisierte Hauchler im "Vorwärts" 1991. Man brauche aber "Respekt und Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Religionen", schrieb er im "Nord-Süd Info-Dienst" des SPD-Parteivorstands 1991. Solange Bertelsmann-Töchter jeweilige Kulturen in Großwirtschaftsräumen verkaufen können, bleibt der Profit im Mutterhaus. Die kulturelle Differenz ist, wie wir oben bei Glotz schon sahen, auch selbst profitträchtig. 

Man erinnert sich: Das West-Fernsehen, das in die DDR strahlte, wurde für seine Wirkungen gelobt, die Ostdeutschen bekamen Begrüßungsgeld, damit sie in den Kaufhäusern West-Berlins ihre Ansprüche befriedigen konnten, die das Werbefernsehen geweckt hatte. Es ist nicht zweierlei Maß, es ist dasselbe Ziel: Die Befriedigung der Bedürfnisse der Massen Südostasiens oder Mittelamerikas würde dort eine allseitig entwickelte industrielle Gesellschaft voraussetzen, also Konkurrenz für den Norden; solche Konkurrenz wurde für den Bereich der DDR aber gerade liquidiert. 

"Unrealistisch" seien die Forderungen zur Entwicklungspolitik gewesen, die der Süden in den 70er Jahren erhoben habe, beschied Hauchler 1990 in einem "Vorwärts"-Interview. "Es leuchtet ein", schrieb er 1991 im selben Blatt ohne weitere Begründung, "daß ein einfaches 'Aufschließen' des Südens zum Norden ökonomisch unrealistisch und ökologisch nicht vertretbar ist." Ideologie muß einleuchten, sonst ist sie unbrauchbar. 

Hauchler lieferte die Rechtfertigungen für die Armutspolitik, die sich sowohl gegen den Süden als auch gegen die ärmeren Regionen des Nordens richtet. "Der Westen hat seit Jahrhunderten Wohlergehen mit materiellem Fortschritt verknüpft. Wir Sozialdemokraten müssen von dieser einseitigen Sicht individuellen Glücks und gesellschaftlicher Entwicklung abrücken", schrieb er im Juli 1992, wieder im "Vorwärts". Statt Wohlstand bot er die spirituellen Tröstungen des New Age an, die an den SPD-Kirchenreferenten Rüdiger Reitz und seinen Rückgriff auf den alten Hofgeismarer Hendrik de Man erinnern: "Wir müssen an einer neuen Aufklärung mitwirken, die unser Bewußtsein so verändert, daß wir fähig werden, Frieden mit der Natur zu schließen und nicht im wirtschaftlichen Wachstum, sondern im persönlichen und sozialen Gleichgewicht Erfüllung zu finden." 

Schade nur, daß die Natur keinen Frieden mit dem Menschen schließt, nicht bei AIDS, Pest und Grippe, nicht bei Unwettern, nicht beim Erdbeben in Kobe und nicht beim Vulkan Pinatubo. "Wer kann, zieht weit weg!", möchte man mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Brigitte Schulte sagen, die jeden Quadratmeterpreis bezahlen kann. Wenn der Berg rutscht, nützt "persönliches Gleichgewicht" nicht viel; die Menschen in der "Dritten Welt" wissen das längst und stellen deshalb Forderungen nach Teilhabe am Wohlstand, an den materiellen Grundlagen für ein bißchen persönliche Sicherheit im Leben. Wie sechs oder acht Milliarden Menschen zu ernähren sind, Bildung erwerben und Spaß haben können, sagt Hauchler nicht. In den Millionenstädten Indiens fehlen Kanalisation und Müllabfuhr, sie auszubauen, so daß die Menschen überhaupt erst einmal eine Chance bekämen, den Seuchen vorzubeugen, wäre derart teuer, daß der Ober- und oberen Mittelschicht dort wenig Spielraum zum Kauf der Produkte von Daimler-Benz oder Siemens bliebe. Wer hat die Handies gezählt, rund um die Börse von New Delhi? Ethnopluralismus im Großwirtschaftsraum Südostasien heißt konkret: Hightech-Geschäfte mit dem entwickelten Singapur, Malaysia und Thailand, dagegen "persönliches Gleichgewicht" als religiös-kulturelle Identität für verarmte Südinder und Bangladeschi. Ist es "Frieden mit der Natur", wenn zwei Drittel verhungern, wenn in den potentiell reichen Ländern Pakistan und Indien 80 Prozent Analphabeten bleiben und der Walkman den Kindern des Nordens vorbehalten ist? Auch für Hauchler gilt der alte Grundsatz: Ideologie erklärt nicht die Wirklichkeit, sie ist nicht wahr, sondern soll die gesellschaftlichen Risse verkleistern. 

Hauchler schrieb im Mai 1994 offen über die Ziele der SPD-Entwicklungspolitik: "Nach der SPD-Konferenz 'Wirtschaft und Entwicklung in Asien' in der Handelskammer Hamburg über die Beziehungen zwischen Asien und Deutschland haben wir heute im Bundeshaus bei einem Round-Table-Gespräch mit Vertretern der Wirtschaft über eine konstruktivere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik diskutiert." Ergebnis sei, daß es eine "konstruktive Zusammenarbeit zwischen Staat und Unternehmen" geben müsse. Deren Ziel ist nicht die Entwicklung der "Dritten Welt", sondern die Erschließung neuer Absatzmärkte und Rohstoffquellen für die deutsche Industrie: "In Zukunft sollte nicht die Subvention für das Einzelgeschäft, sondern die Förderung der Rahmenbedingungen fur die Leistungsfähigkeit der Betriebe und die infrastrukturellen Voraussetzungen für den Wettbewerb im Weltmarkt im Mittelpunkt der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft stehen. ... Der Staat sollte in Zukunft vermehrt versuchen, privates Kapital fur Investitionen in Entwicklungsländern zu mobilisieren. Die großangelegte Substitution von überalteter Kraftwerktechnologie durch umweltbewußte Energienutzung, zum Beispiel moderne, emissionsarme Kohlekraftwerke oder Solarenergie in Indien oder China, wäre eine Herausforderung ersten Ranges für die deutsche Industrie", namentlich für die Siemens AG, die China solche Anlagen bereits verkaufte; sicher auch für "Eurosolar", der Lobbyistenorganisation für die Hersteller von Solarzellen, die Hauchlers SPD-Bundestagskollege Hermann Scheer gründete. 

Das heißt im Klartext, Entwicklungshilfe fließt nicht in Notregionen, sondern zu solchen Mittelmächten, die bereits einen Grundsockel an Wohlstand haben, um sie für die Hochtechnologieprodukte aus Europa aufnahmefähig zu machen, und die willfährig sind, als Markt zu dienen. Aus diesem Grunde gehen bereits heute die größten Teile der deutschen Entwicklungsgelder nach Osteuropa (Deutschland ist mit mehr als einem Drittel der insgesamt rund sieben Milliarden jährlich der größte Sponsor von "Zwischeneuropa"), ins ehemalige Jugoslawien, nach Ägypten und Israel. Erst mit großem Abstand folgt z. B. Indien. "Das gleiche gilt etwa für ein großangelegtes Engagement zum Aufbau umweltgerechter Verkehrssysteme. Der Staat sollte in Zukunft stärker die Aufgabe wahrnehmen, solche entwicklungsförderliche Technologie- und Investitionsfelder, die auch mit beschäftigungswirksamen Lieferungen verbunden sein können, zu identifizieren und im Dialog mit Partnerländern und der Wirtschaft in Gang zu bringen", befand Hauchler. 

Doch die Städte Indiens und Afrikas brauchen wohl weniger den Transrapid als vielmehr eine Grundausstattung an Hygiene-Zivilisation. Das ist eben nicht der "Waschlappen" Eichbergs, sondern die Kanalisation, an der freilich Siemens und Thyssen kaum verdienen können. Die AIDS-Prophylaxe scheitert vor allem am mangelnden Bildungsniveau des Südens, doch Hauchler und Scheer möchten Solartechnologie exportieren. Das leuchtet ein: Wohin denn sonst, wenn nicht in die Sonnenregionen! Wenn das Kapital der "Dritte Welt"-Metropolen an die Hightech-Konzerne des Nordens fließt, bleibt für Bildungsprogramme in den "Dritte Welt"-Peripherien nichts mehr übrig.  (93) 

In dem Buch "Mut zur Identität" aus dem Kasseler "Thule-Seminar" schrieb Alain de Benoist 1988 gegen Egalitarismus und "Hedonismus" an. Es sei die "Ideologie der Menschenrechte", die weltweit in gleicher Weise die "Erhöhung des Lebensniveaus" propagiere und dadurch die "kulturellen Eigentümlichkeiten" zerstöre. Doch stehe keineswegs fest, ob materieller Wohlstand "dem Wunsch aller Menschengruppen entspricht oder entsprechen muß. Das Glück hat nämlich nicht nur mit Materiellem zu tun. Es besteht auch aus dem zwangsläufig besonderen Schicksal, das sich die Völker verleihen wollen." Die gesamte "Neue Rechte" vertritt diese Position. 

Bis zur kindischen Naivität trieb der damalige bremische Bürgermeister Klaus Wedemeier im "Nord-Süd Info-Dienst" seine ethnopluralistische Begeisterung, die hinter aller Reminiszenz an Karl-May-Zeiten darauf abzielte, Verzicht zu fordern: "Die Yanomami gelten als eine der letzten intakten Stammesgesellschaften, und ihre weitgehend unabhängige Existenz, die ihre traditionelle soziale, wirtschaftliche und religiöse Struktur bewahrte, stieß auf das Interesse vieler Forscher. Die Yanomami haben eine Kultur und eine Weltsicht, die uns fremd erscheinen mag. Doch wir können von den anderen Kulturen und Vorstellungen über das Gemeinschaftsleben nur lernen. ... All jene, die in den Entwicklungsländern die politische und ökonomische Macht besitzen, sehen in unserem Wirtschaftsmodell ihr Vorbild, dem sie nacheifern. Doch dieses Modell kann nicht auf die ganze Menschheit übertragen werden. Im Gegenteil! ... Die Werte anderer Kulturen, die Begegnungen mit Menschen anderer Wertvorstellungen, die Erfahrungen des indianischen Lebens im Frieden mit der Natur sind Anstöße zur Umkehrung bei uns." 

Als um so absurder müßte es doch erscheinen, einem Yanomami "stellvertretend für alle indianischen Völker" einen "Bremer Solidaritätspreis" zu verleihen. Offenbar kann aber sogar ein vermeintliches Naturvolk mit bremischem Geld etwas anfangen, das abzuholen ihr Repräsentant sogar über den Atlantik fliegt. Gertrud Höhler bemühte im August 1989 in "MUT" die Naturnähe der Indianer, um Sozialabbau zu rechtfertigen: Wer bei jedem Wehwehchen vom sozialen Netz aufgefangen werde, dürfe sich nicht wundern, wenn er sich der Natur entfremde. Das ist die Realität indianischen Bewußtseins in Deutschland. Eichberg bemühte in seinem Buch "Abkoppelung" den Indianer, um den deutschen Anspruch auf seine Heimat Schlesien zu behaupten: "Der Boden, den ihr hier seht, ist kein gewöhnlicher Boden - er ist das Blut, das Fleisch und die Knochen unserer Vorfahren", so zitierte er einen Indianer-Häuptling, der "in ständiger Sorge um die Erhaltung des Heimatlandes, in dem Väter und Großväter begraben sind", sei. Deutschland solle sich ein Beispiel daran nehmen, denn heute gebe es keine Nation, nur "häßliche Staaten" mit diesem Namen, so Eichberg: "Der eine dieser Staaten fordert von seinen Bürgern einen pro US-amerikanischen 'Verfassungspatriotismus' - wie soll man da dem Lakota antworten? Der andere flüchtet sich in eine 'österreichische Nation'; er verschenkt damit nicht nur die Einsichten Herders, sondern zugleich die 'balkanische' Vielfalt und Unübersichtlichkeit, die in der deutschen als mitteleuropäischen Befindlichkeit liegt." Man versteht sich, erst mal auf "indianischem" Felde angekommen, von Glotz und Wedemeier bis Eichberg und Höhler. 

Das gute Leben wird den Armen als immaterielles gepredigt: Glück im Geiste, wenn in der Wirklichkeit Not herrscht. Nicht die Selbstbestimmung der Menschen über ihre Entwicklung und Teilhabe am weltweiten Wohlstand ist das Ziel dieser Entwicklungspolitik, sondern der Erhalt eines aufgezwungenen Völkerzoos, in dem Armutskulturen ausgestellt werden, von denen der weiße Mann behauptet, sie seien "indigen". In Wahrheit wird dem Süden die Hochtechnologie vorenthalten, damit der Norden sein Monopol nicht verliert. Das Adjektiv "fair" dient dazu, diese Weltwirtschaftsordnung zu bezeichnen. "Fair" bedeutet "Jedem das Seine". 

Die linken Entwicklungspolitiker in der SPD, die egalitäre Positionen vertreten, wurden in den letzten Jahren zurückgedrängt. Uwe Holtz, lange Zeit Vorsitzender des Bundestagsausschusses, kandidierte bei der Bundestagswahl 1994 nicht mehr. Er hatte immer wieder vor den konkreten sozialen Auswirkungen des Geredes über kulturelle Identitäten gewarnt. Der Bundestagsabgeordnete Hans Wallow blieb mit Äußerungen einflußlos, die für die Menschen in der "Dritten Welt" dieselben Rechte reklamieren wie für die Europäer: "Die Faszination in der Politik liegt auch darin, daß man lernt, über die lokalen Probleme des eigenen Wahlkreises bis zu den Existenzfragen der Menschen im Süden in globalen Zusammenhängen zu denken", meinte Wallow - Abgeordneter aus der Eifel, die bis in die 70er Jahre ein Armenhaus mitten in Europa war - 1993 im "Nord-Süd Info-Dienst" der SPD. "Die Stimmungen, Hoffnungen und Wünsche der Menschen an der Ahr und in der Eifel unterschieden sich grundsätzlich kaum von denen in Costa Rica, Somalia oder Afghanistan." Der richtige Ansatz Wallows, der die "Eine Welt" auch sozial verstehen will, hatte jedoch unter Hauchler in der SPD-Entwicklungspolitik keine Chance gegen diejenigen, die vor allem Märkte für Siemens und Daimler-Benz erobern wollen.  (94) 

Weniger Demokratie durchsetzen 

Sozialabbau läßt sich nur durchsetzen, wenn demokratische Rechte eingeschränkt werden. Das Gerede über Scheinbeteiligungen durch ein Plebiszit bei der Bundespräsidentenwahl kann nicht über die Wirklichkeit hinwegtäuschen: Lafontaine z. B. schlug Jens Reich als den geeigneten parteilosen Ministerpräsidenten-Kandidaten einer von allen Parteien tolerierten Regierung für Mecklenburg-Vorpommern vor, nachdem der Chemie-Lobbyist Reich sich in der "Zeit" für weitere Verschlechterungen der Bürgerbeteiligung im Gentechnikgesetz ausgesprochen hatte. Die wirklich wichtigen Entscheidungen sollen weit weg von der Bevölkerung getroffen werden. Die Parole "Mehr Demokratie wagen" gilt schon lange nicht mehr in der SPD. Bürgerbeteiligung hemmt die Entscheidungen zugunsten der Kapitalverwertungsmodernisierungen, die Forderung nach Bürger-Selbstbestimmung wäre geradezu des Teufels, ja schlimmer noch: des Kommunismus verdächtig. Scharping führte den Bundestagswahlkampf 1994 bewußt mit Helmut Schmidt als der zentralen Bezugsperson der Sozialdemokratie, einem Elitepolitiker par excellence. Auch die Politik Willy Brandts war von zwei unvereinbaren Strängen seiner Biographie gekennzeichnet: Vom "Links und frei" des jugendlichen Sozialisten und militanten Widerstandskämpfers führte der eine zum "Mehr Demokratie wagen" des Reformpolitikers, den der emanzipatorische Aufbruch der "68er"-Bewegung nach oben gebracht hatte. Doch von seiner Lehrzeit bei dem national-autoritären Lübecker SPD-Reichstagsabgeordneten Julius Leber führte der andere Strang zum Plakat "Deutsche, seid stolz auf Euer Land. Wählt Willy Brandt" des Wahlkampfs 1972 und zu der völkisch-biologistischen Perspektive des "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört", die die Partei nach dem November 1989 seiner ursprünglich europäisch statt deutsch national gemeinten Hoffnung unterschob.  (95) 

Brigitte Seebacher-Brandt hat recht, wenn sie den Titel der Autobiographie ihres Mannes über die Jahre 1930 bis 1950, "Links und frei", für aufgezwungen und falsch hält. Tatsächlich war das Buch von 1982 ein Bekenntnis zum zweiten Strang, zur nationalen und formierten Politik. Hier äußerte Brandt, sich auf den Hofgeismarer Theodor Haubach und auf Lassalle beziehend, Sympathie für das "Querfront"-Experiment Kurt von Schleichers. Hier zog er eine Spur von seiner ersten Zeit mit Leber in Lübeck zur Widerstandszeit in Skandinavien, als ihn Leber über einen Mittelsmann in die Pläne zum Putsch des 20. Juli 1944 einbeziehen wollte. Im Hintergrund blieb die Szenerie deutlich, die seit den "Kriegssozialismus"-Tagen über die Ebert/Seeckt/Reichswehr-Zusammenarbeit, die "Querfront"-Pläne schließlich zum militärischen Putsch des 20. Juli 1944 führte, der zu einer Lebenslüge der zweiten deutschen Republik und der Nachkriegs-Sozialdemokratie avancierte. 

Brandts politischer Ziehvater Julius Leber, seit Bebels Tod 1913 Mitglied der SPD, hatte sich sofort nach der Kriegserklärung des Kaiserreichs und noch vor der Zustimmung der SPD-Reichtagsfraktion zu den Kriegskrediten als Freiwilliger gemeldet. Nach der Revolution 1918 blieb er an der Ostfront in den dortigen militärischen Verbänden, die die Provinz Posen zurückerobern, die Arbeiteraufstände im Osten und das "Vordringen des Bolschewismus" bekämpfen sollten, wie es der Groener-Ebert-Plan vorsah. Während des Kapp-Putsches hielt Leber in einem pommerschen Ort eine Arbeiterwehr vom sozialistischen Gegenputsch ab, riß das Kommando einer Reichwehrgruppe an sich und ließ die Arbeiterwehr entwaffnen. Den Kapp-Truppen stellte er sich ebenfalls entgegen. In der Krise der frühen 30er Jahre hielt er die Demokratie der Weimarer Verfassung für gescheitert. Er suchte von dieser Zeit an autoritäre, konservative Alternativen und fand auch hierin später eine gemeinsame Basis mit den militärischen Verschwörern des 20. Juli. 

1933 verfaßte Leber die Schrift "Die Todesursachen der deutschen Sozialdemokratie", in der er sich für die Ideen von 1914 aussprach und der SPD vorwarf, sich nicht rechtzeitig an die Spitze der Kriegsführung und -befürwortung gestellt zu haben. Seine Position entsprach der von Lensch und Haenisch, auch er sah - nun nachträglich - den Ersten Weltkrieg als den nationalen "sozialistischen" Weg zur Befreiung der Arbeiterschaft an, als die große Umwälzung, die vom "egoistisch-ökonomischen Liberalismus" wegführen sollte zur "Proklamierung der menschlichen Arbeit als Fundament sozialer Geltung" - das war die Position der "Kriegssozialisten". Die Schrift von 1933 ist militaristisch, elitär und heroisch, es fehlt auch nicht an antisemitischen Ausfällen gegen andere Sozialdemokraten: Der Fraktionsvorsitzende Haase habe in der Reichstagsfraktion ursprünglich gegen die Kriegskredite mobilisiert, weil er Jude war, meinte Leber nun, als die Nazis bereits an der Macht waren. Der Weimarer SPD warf er vor, sich nicht genügend um "die zwei wichtigsten Fundamente jeder Ordnung" gekümmert zu haben, die nach Leber die Armee und die Justiz waren. Er äußerte nun sogar vorsichtig die Hoffnung, die Nationalrevolutionäre innerhalb der NSDAP könnten den Ideen von 1914 zum Sieg verhelfen, ansonsten würde der Kommunismus siegen, was Leber, der die Linke haßte, als die schlechtere Alternative empfand, obwohl die Nazis ihn 1933 sofort verhafteten. Als Zustimmung zu den "Querfront"-Ideen muß man den Schluß dieser Schrift werten, wo er die "Kämpfer für den Nationalsozialismus" und ihre "Gegner" zur Zusammenarbeit gegen den angeblich drohenden Bolschewismus und den Liberalismus aufrief: "Bald wird sich zeigen, daß die ehrlich ringenden in den feindlichen Lagern geistig näher verwandt sind, als sie heute zugeben können und wollen." 

Auf dieser Basis fand er leicht Zugang zu den Verschwörern des 20. Juli um Stauffenberg, Tresckow und Schlabrendorff, die konservativ-revolutionär gestimmt waren und dem Nationalsozialismus lange Zeit treu gedient hatten. Auch sie wollten eine nationale, autoritäre, antiliberale Gesellschaft, auch sie wollten die deutsche Hegemonie über Europa. Sie wandten sich erst gegen Hitler als Person, nachdem sie glaubten, die Kriegsziele könnten mit diesem Führer nicht mehr erreicht werden und die Wehrmacht sei zu schwach, weshalb mit einem schnellen Frieden im Westen gerettet werden müsse, was noch zu retten sei. Fabian von Schlabrendorff, der von Anfang an zum Zentrum der Planer eines Bombenattentats gegen Hitler gehörte, war seit den frühen 30er Jahren ein enger persönlicher und politischer Freund von Ernst Niekisch. 1976 schrieb er in dem Buch "Begegnungen in fünf Jahrzehnten", zwischen ihm und Niekisch habe es vom ersten Zusammentreffen bis zu dessen Tode "keine Diskrepanz" gegeben, Niekisch sei "wahrscheinlich der bedeutendste Mensch, der je in mein Leben getreten ist". Er lobte auch ausdrücklich Niekischs Schrift "Hitler - ein deutsches Verhängnis" und schilderte, daß er versucht habe, mit jedem einzelnen Autor aus Niekischs Zeitschrift "Widerstand" persönlich in Kontakt zu kommen. Brandts Verleger Wolf Jobst Siedler brachte 1984 Schlabrendorffs Nachkriegsbuch "Offiziere gegen Hitler" wieder heraus.  (96) 

Neben Leber und den Konservativen Revolutionären aus der Wehrmacht und der Aristokratie waren in die Putschvorbereitungen 1943/44 auch Gustav Noske - als "Politischer Beauftragter" für den "Wehrkreis" Kassel - und die früheren Hofgeismarer und zeitweiligen Niekisch-Gefolgsleute Gustav Dahrendorf und Theo Haubach verwickelt. Auch der rechte frühere SPD-Reichstagsabgeordnete und Parteiredakteur Carlo Mierendorff, der wie Haubach jahrelang Autor der "Sozialistischen Monatshefte" war, gehörte dazu. So führte sie ihre Karriere aus dem Hofgeismarkreis über Niekischs "Widerstand" und den rechten Flügel der preußischen SPD um Otto Braun und Carl Severing sowie die faschistoide, paramilitärische Kampforganisation "Das Reichsbanner" schließlich zu den antidemokratischen Putschisten um Stauffenberg, die nach Stalingrad am Zweiten Weltkrieg vor allem störte, daß er für Deutschland verlorenging. 

Dahrendorf - ein langjähriger Partei- und Gewerkschaftsfunktionär, Redakteur in der sozialdemokratischen Presse und in den letzten Monaten der Weimarer Republik SPD-Reichstagsabgeordneter - war wie Noske "Politischer Beauftragter" der Verschwörer, und zwar für den "Wehrkreis" Hamburg, die Region, die er schon bei den Hofgeismarern vertreten hatte. Auch General Friedrich Olbricht, der wie Schlabrendorff zum engeren Kreis um Stauffenberg gehörte, am 20. Juli 1944 die Putsch-Operationen in der militärischen Kommandozentrale Bendlerstraße in Berlin leitete und noch am selben Tag nach der Einnahme des Hauses durch das Hitler-treue Wachbataillon Ernst Otto Remers gemeinsam mit Stauffenberg standrechtlich erschossen wurde, war Niekisch-Anhänger; er hatte dessen Zeitschrift "Widerstand" in der Reichwehr verbreitet. Carl Schenk Graf von Stauffenberg selbst, der Attentäter des 20. Juli 1944, galt als Anhänger des "Kriegssozialismus" der alten Reichswehr und wäre nach Meinung von Zeitgenossen zeitweise sogar bereit gewesen, gemeinsam mit der Roten Armee gegen den Westen zu kämpfen. Sein DDR-Biograph Kurt Finker beurteilte ihn und Olbricht 1977 als Ostorientierte, im Kreise älterer Reichswehroffiziere, die unter dem Einfluß von Seeckts gestanden hätten, ohne daß Finker jedoch die Bezüge und Parallelen zu Niekisch oder Schleicher aufzeigte. Immerhin hatte Seeckt doch in den 20er Jahren Niekisch beauftragt, in Moskau über die geheime illegale Zusammenarbeit von Reichswehr und Roter Armee zu verhandeln. Allerdings scheint Stauffenbergs vermeintliche Neigung zur Roten Armee mehr eine Nazi-Verleumdung zu sein, da schon die Liebe Niekischs für den "russischen Bolschewismus" nur seiner Brutalität galt, Niekischs Haß aber dem Marxismus der Sowjets. 

Haubach sollte nach gelungenem Putsch Pressesprecher des Reichskanzlers Julius Leber werden, eine Schlüsselposition in den Planungen Lebers, der die Menschen mit einer gigantischen Propagandakampagne für seine neue autoritäre Staatsform begeistern wollte. Wie Leber wurde auch Haubach von den Nazis hingerichtet, Mierendorff war schon 1943 bei einem Bombenangriff auf Leipzig umgekommen, Dahrendorf und Schlabrendorff überlebten den Prozeß gegen die Verschwörer vor dem Volksgerichtshof. Schlabrendorff war nach dem Krieg Niekischs Rechtsanwalt in dessen Gerichtsprozessen um finanzielle Wiedergutmachung als Nazi-Opfer, die Niekisch sämtlich verlor, und erreichte schließlich, daß Willy Brandt als Regierender Bürgermeister des Landes Berlin - der für Niekisch zuständigen Behörde - auf einen Vergleich im Rechtsstreit hinwirkte, so daß Niekisch zwar keine Wiedergutmachung, aber Schadensersatz für die entgangene Wiedergutmachung erhielt. 1967 wurde Schlabrendorff Richter am Bundesverfassungsgericht - eine deutsche Karriere. 

Seltsame Duplizität: Am 20. Juli 1932 putschten Papen und Schleicher in Preußen, anschließend verhandelten die gerade weggeputschten rechten Sozialdemokraten, die schon die "Burgfrieden"-Politik des August 1914 mitgetragen hatten, mit Schleicher, um die günstige Gelegenheit für eine elitäre, konservativ-revolutionäre Diktatur gegen die Massenmobilisierer von rechts und links, gegen den Hitler-Flügel der NSDAP und die KPD, zu nutzen. Am 20. Juli 1944 wiederholte sich die Konstellation. Diejenigen, die 1932 eine breite Mobilisierung gegen den Faschismus jeder Fraktion verhindert hatten, weil die Arbeitermassen niemals der Bezugspunkt ihrer Politik waren und weil sie fürchteten, hierdurch könne nur die KPD an Einfluß gewinnen, diejenigen, die teilweise aus der putschistischen Politik Niekischs kamen, setzten zwölf Jahre später erneut auf Konspiration und Putsch. Doch wiederum waren es nicht die konkreten Individuen, um die es ihnen ging, sondern ein weiteres Mal "die Nation", die von der Einzelperson Hitler gereinigt werden sollte. 

Nicht etwa der Einfluß der Konzerne, in deren Interesse der Krieg vor allem gegen die Sowjetunion geführt wurde, sollte beseitigt werden, im Gegenteil: Haubach verhinderte 1942/43 ein schnelles Attentat auf Hitler, weil er fürchtete, nach dem Fall Stalingrads hätte davon nur die Sowjetunion profitiert. Von dem gescheiterten Bombenattentat im Frühjahr 1943 an war die Stärke der Roten Armee der Hauptgrund der Verwörer, erst einmal nicht gegen Hitler vorzugehen, da sie mit seinem Tod den schnellen moralischen und militärischen Zusammenbruch der Ostfront befürchteten. Mit Dahrendorf war ein führender Manager des Energiekonzerns Preussag an den Putschplänen beteiligt. Mit Carl Goerdeler saß ein Lobbyist des Finanzkapitals, der alten Schwerindustrie und der neuen Hochtechnologie unter den Verschwörern. Deutsche Bank, Gutehoffnungshütte, Krupp, Bosch - alle hatten Goerdeler schon bezahlt und in Dienste gestellt. Er gehörte der rechtsextremen "Deutschnationalen Volkspartei" (DNVP) des Pressezaren Alfred Hugenberg an, war Bürgermeister von Königsberg und bis 1937 Oberbürgermeister von Leipzig gewesen. Als "Reichssparkommissar" 1930 bis 1932 hatte er maßgeblichen Anteil an der Politik des Sozialabbaus unter Reichskanzler Brüning gehabt. Brüning wollte ihn 1932 zum Reichswirtschaftsminister und Vizekanzler machen, in der Hoffnung, Goerdeler werde seine Nachfolge antreten. Als der SPD-Ministerpräsident von Preußen, Otto Braun, 1931/32 mit Brüning die zentralistische Reichsreform durch eine Auflösung des Landes Preußen und die Zusammenlegung der preußischen und der Reichsbehörden plante, war Goerdeler als Übergangs-Ministerpräsident an Stelle Brauns im Gespräch. 1932 forderte Goerdeler die Errichtung einer Notstandsdikatur, und nachdem die DNVP am 30. Januar 1933 mit der NSDAP das Kabinett des Reichskanzlers Hitler gebildet und Hugenberg in der Hitler-Regierung Minister geworden war, befürwortete er den Nationalsozialismus an der Macht. 1934 hatte er maßgeblich das Formierungs-"Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit" mitbetrieben und schon vorher die Abschaffung der Tarifverträge und des Acht-Stunden-Tages gefordert. An die freundschaftlichen Kontakte zwischen Goerdeler und dem späteren sozialdemokratischen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter, erinnerte Seebacher-Brandt im Oktober 1994 in der "Welt am Sonntag". Mit Ulrich von Hassel war unter den Verschwörern des 20. Juli ein Vorstandsmitglied des "Mitteleuropäischen Wirtschaftstages", der beste Verbindungen zu den exportorientierten Konzernen hatte und mit Hilfe der Mitteleuropa-Idee die deutsche Hegemonie betrieb; er hätte nach gelungenem Putsch Außenminister werden sollen. Zur Gruppe um Goerdeler und Hassel zählte auch der Geopolitiker Albrecht Haushofer - ein Bruder Karl Haushofers - und der Direktor des früher Schleicher-nahen Otto-Wolff-Konzerns, Erwin Planck. Mit ihnen stand auch der Niekisch-Mann Olbricht in näherer Verbindung. 

Die Verschwörer sahen sich selbst in einer alten antiliberalistischen Tradition. Ihr Anknüpfungspunkt war die nationale Volkserhebung gegen die napoleonischen Truppen 1813, gegen "den Westen" und seine egalitäre Tradition der Menschenrechte. Sie erhofften sich von einem Attentat auf den vermeintlichen Alleinherrscher und Despoten Hitler eine nationale Bewegung, die zum historischen Kompromiß zwischen Arbeiterschaft, Bourgeoisie und Aristokratie führen sollte, wie 1813 zwischen Adel und Bürgerlichen in Preußen. Diese Verzerrung des sozialistischen Gedankens hatte ja schon die Konservative Revolution verfochten. 

Aushängeschild dieser Politik sollte - trotz interner Differenzen und Konkurrenzen der Verschwörer - Julius Leber sein. Wie seine Biographin Dorothea Beck hervorhebt, erinnerte Leber schon bei seiner letzten Reichstagsrede im März 1931 an das historische Vorbild von 1813 und forderte, den "Reformstau" der frühen 30er - wie Steffen Reiche 1992 die gesellschaftliche Situation des Jahres 1932 nannte - analog zu Gneisenau und Scharnhorst aufzulösen: eine gemäßigte Modernisierung auf der Basis des preußischen Militarismus. Stauffenberg war ein Ururenkel Gneisenaus und sah sich in blutsmäßiger Tradition. 

Der elitäre Abscheu vor den Massen und der kindische Glaube an Führergestalten motivierte die Politik der Putschisten vom 20. Juli vordergründig. Der falsche Führer Hitler müßte nur weggebombt und durch den richtigen ersetzt werden - und zwar durch Julius Leber statt des konkurrierenden Goerdeler, wie auch Stauffenberg meinte -, und schon würde sich alles zum Guten wenden. 

In Wahrheit ging es um mehr. Leber hatte schon 1932 auf das "Reichsbanner" und seinen Führer Karl Höltermann gesetzt, um die Weimarer Republik autoritär zu formieren. 1933, in Briefen aus der Nazi-Haft, verurteilte er den Exil-Vorstand der SPD in Prag als "landflüchtig" und forderte einen "scharfen Trennungsstrich" der Partei gegen ihn. Doch er geiferte mit antisemitischem Unterton auch gegen den in Deutschland gebliebenen, auf Ausgleich mit Hitler bedachten Restvorstand unter Paul Löbe, dem wenig später von den Nazis ermordeten Johannes Stelling und dem "jungen Juden Rinner", dem Leber gar nichts zutraute, erst recht nicht die Rettung Deutschlands. 1944 wollte er nach gelungenem Putsch eine aristokratische, autoritäre Diktatur unter seiner eigenen Führung errichten, die ein paar plebiszitäre Elemente haben sollte, in der aber keine linke Partei mehr zugelassen würde, schon gar nicht die KPD. Auch die Sozialdemokratie sollte nicht in der alten Form wiedererstehen, sondern als eine Volksbewegung, innerhalb der die Linke neutralisiert und nach und nach ausgeschaltet werden konnte. Statt demokratischer Legitimation nach dem Weimarer Parlamentarismus-Modell setzte er - wie seine aristokratischen Mitverschwörer - "mehr auf die 'Auslese von Menschen, die nach ihrer Art und Ausbildung in der Lage waren, im richtigen Augenblick das Richtige und Notwendige zu tun'", wie Dorothea Beck 1983 in der Leber-Biographie aus dem Verlag Wolf Jobst Siedler schrieb, mit einer Einleitung Willy Brandts. Der sozialdemokratische Historiker Hans Mommsen schrieb 1987 über das Putschisten-Ziel einer formierten Gesellschaft: "Weimar erschien den nationalkonservativen Verschwörern als Irrweg. Selbst Julius Leber bekundete, daß die Übernahme westlicher Verfassungsvorbilder zum Niedergang der Weimarer Demokratie maßgeblich beigetragen habe. Theodor Haubach und Carlo Mierendorff, die noch 1932 für den Bestand der Republik gekämpft hatten, näherten sich christlich-sozialen und korporativistischen Positionen." 

Wolfgang Venohr, der mit seiner Stauffenberg-Biographie diese Szene ebenso ins rechte Licht stellte wie Rainer Zitelmann, Klemens von Klemperer und Enrico Syring mit ihrem Ullstein-Buch "'Für Deutschland'. Die Männer des 20. Juli", druckte in seinem Buch "Patrioten gegen Hitler. Der Weg zum 20. Juli 1944" Originaltexte Lebers vom Januar 1944 ab, die dessen konservativ-revolutionäre Orientierung zeigten: "Über das liberale Ideal einer 'führerlosen Demokratie' kann ich nur lachen", zitierte er Leber, "gerade die Republik muß wehrhaft, muß entschieden national sein." Weiter Leber: "Die sträfliche Unterschätzung der tiefverwurzelten Gefühlsbindungen der Menschen und der Völker an Heimat und Vaterland - das war es doch, was ich schon 1931 dem Marxismus wie auch dem Liberalismus vorgeworfen habe. ... Im Endziel strebe ich eine nationale und sozialistische Republik in Deutschland an." Das war das Programm der Nationalrevolutionäre. Venohr zitierte Leber unter Hinweis auf dessen Abrechnung mit der Sozialdemokratie von 1933 in der Schrift "Todesursachen der Weimarer Sozialdemokratie": "Meine Partei hat nach 1918 den Kontakt zur Basis, hat das Gespür für die grenzenlosen Wunschträume der Jugend verloren. ... Sie wußte zuletzt nichts mehr von den Träumen und triebhaften Leidenschaften in der unendlichen Tiefe von Millionen, die viel mächtiger sind als alle Worte und Ideologien, als alle Symbole und Programmpunkte." Das genau waren die Gedanken von Dahrendorf, Haubach und den Hofgeismarern gewesen. So führte man soziale Bedürfnisse in nationale Sehnsüchte über, so wurde eine rationale Politik gegen die Kriegsgefahren des Imperialismus deutscher Konzerne romantisiert. 

Zum Mißfallen der SPD stellte der Niekisch-Schüler Venohr das sozialdemokratische Idol Leber offen in seine richtige Reihe, in eine Tradition, die die SPD heute gerne vertuschen möchte, da Leber ihr Einstieg in die Volksgemeinschaft des 20. Juli ist: die formierte Gemeinschaft von Besitzlosen und Besitzenden, die der preußischen Nationaltugenden und der Elitenführung bedarf, die durch einen gemeinsamen Feind - hier Hitler als Person - konstituiert wird und eine antifaschistische Aura hat. Sicher ist Venohr näher an der Wirklichkeit der Politik Lebers als Willy Brandt, der Leber zu einem Vorbild seiner eigenen Politik stilisierte. Dies kam bei Brandt mehr einer psychischen Fixierung gleich, da seine wirklichen Kontakte zu Leber eher flüchtig waren, Brandt dann die SPD ja auch nach links hinaus verließ, während Leber auf dem nationalen Flügel verblieb, auf dem er seit seinem Parteieintritt gestanden hatte. 

Daß es sich in Wahrheit bei den 20.-Juli-Leuten um eine winzige, randständige, dilettantische Gruppe von notorischen Putschisten und Palastrevolutionären handelte, die in ihrer Hitler-Fixierung selbst der NS-Propaganda aufsaßen - wie schon 1932/33, als das "Reichsbanner" den Führerkult kopierte und Niekisch in der Person des "zu legalistischen" Hitler das "deutsche Verhängnis" sah -, daß sie lediglich einen anderen Weg zur deutschen Hegemonie über Europa gehen wollten, der ihnen ab 1943 erfolgversprechender erschien als der, den die Hitler-Fraktion eingeschlagen hatte und verbissen verfolgte, tut der Leber-Verehrung in der SPD keinen Abbruch. 

Der falsche Heroismus der Konservativen Revolution, nicht die Massenpolitik, prägte Lebers Handeln. Brandt erkannte dies Jahrzehnte später lobend an. In "Links und frei" pries er im Stile des Machismus der Hofgeismarer und Niekischs die Verschwörer vom 20. Juli als wahre Männer: "Wenn die Geschichte dieser Zeit geschrieben würde, sollten die Worte, daß es noch Männer gab, darin vorkommen", zitierte er zustimmend den Generalobersten Wilhelm Beck, der ein derart dilettanischer Militär war, daß er sich am Abend des 20. Juli, nach seiner Verhaftung durch Remers Truppen, zweimal in den Kopf schoß und immer noch lebte. Für Brandt verkörperte Leber "mannhafte Würde"; in seinen "Erinnerungen", die Brandt 1989 bei Ullstein herausbrachte, schilderte er ihn als einen elitären Führertypus, der den "Leidensweg eines Helden" gegangen sei, wie Brandt es ausdrückte. Bei der Eröffnung des 12. Deutschen Bundestages am 20. Dezember 1990 sagte Brandt als Alterspräsident: "Wir sind dem Erbe des deutschen Widerstandes verpflichtet. In dieser Stunde denke ich an Julius Leber und an den Grafen Stauffenberg." Das war alles. Den "Widerstand von unten", den die "Arbeitsgemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten" unter Heinz Putzrath kurz vorher in einer Broschüre zusammengetragen hatte, um der einseitigen Reduzierung auf den 20. Juli und den "Tyrannenmord" entgegenzutreten, verschwieg Brandt. Statt dessen fügte er unmittelbar an: "Nicht vergessen sind die Opfer der kommunistischen Diktatur." 

Da wundert es nicht, wenn die neuen Hofgeismarer, die Leipziger Fascho-Jusos, sich auf Julius Leber und seinen Kreis berufen und bei einer Veranstaltung in Köln, im Haus der Burschenschaft "Germania", mehrfach darauf hinwiesen, daß man die Traditionslinie Leber-Brandt in der innerparteilichen Auseinandersetzung gegen die Linke nutzen sollte. Zu recht wurde daher auch der wirre Bernhard Knappstein, der 1993 in Köln einen Hofgeismarkreis-Ableger aufmachen wollte und damit durch die Presse gezerrt wurde, nicht in die Partei aufgenommen, nachdem er Willy Brandt als "Verräter Deutschlands" angegriffen hatte; man hätte ihm vorher Parteischule angedeihen lassen sollen, um ihn auf die ideologische Höhe von Wolfgang Venohr und Willy Brandt zu bringen, mindestens aber auf die von Herbert Ammon und Peter Brandt. 

Nach den Seminaren mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Parteischule-Referenten Tilman Fichter sind die Hofgeismarer heute klüger. In ihrem "Politischen Rundbrief" vom April 1995 führten sie Leber, Haubach und Mierendorff als "ausgesprochene SPD-Modernisierer" an, die "interessante Überlegungen zur Ausbildung 'demokratischer Führer' anstellten" und deshalb Vorbildcharakter haben sollen. Das hatte Ammon schon in den 80er Jahren in dem nationalrevolutionären "Materialbrief Deutsche Probleme - Probleme mit Deutschland" von Rolf Stolz und dem NG/FH-Autor Reinhard Hesse ähnlich zu Haubach und Mierendorff geschrieben. Worauf diese Modernisierung wieder hinauslaufen soll, daran ließ nun die Juso-Truppe um Sascha Jung und Michael Rudloff im selben Artikel des "Politischen Rundbriefs" keinen Zweifel: Hier wimmelte es nur so von "Volksgemeinschaft", "Solidarität aller Volksgenossen"; "der Volksbegriff", zitierte Autor Mike Schmeitzner hier einen historischen Fascho-Juso der 20er Jahre, "ist also der soziale Urbegriff, ohne den kein anderer gedacht werden kann". Und damit niemand den Begriff falsch versteht, zitierte er den damaligen Hofgeismarer weiter: "Diese dauernde Verbundenheit der Glieder und Generationen eines Volkes beruht nicht sowohl auf gleichen körperlichen Eigenschaften, sondern vor allem auf einem gemeinsamen Kulturbesitz, den sich ein Volk in Gestalt seiner Sprache, seiner Sitten und Gebräuche, seiner Anschauungen über Recht und Unrecht, seines religiösen Glaubens, seiner Wissenschaften und Künste allmählich schafft, und den eine Generation der nächstfolgenden meist vermehrt und vervollkommnet überliefert." Vom Führer über die deutsche Kunst bis zur völkischen Religiösität - die Volks-Definition Hans-Jochen Vogels wurde hier lediglich etwas deutlicher ausformuliert. Weshalb sollte der Hofgeismarkreis der Jungsozialisten nicht in die Partei Brandts und Vogels gehören? 

Mit der Volksgemeinschaft-Tradition des 20. Juli kann der Fehler der Nazis vermieden werden, den rechten Flügel der Sozialdemokratie zu verfolgen. Bezieht man ihn über nationalrevolutionäre Verbindungen in den großen Kreis der antiegalitären Politik ein, so ist die Formierung zu Sozialabbau und Weltmarktexpansion eben viel einfacher und risikoloser zu erreichen. Recht hatte Peter Glotz, als er im Januar 1993 in der "Berliner Zeitung" über Brandt schrieb: "Er war, wie er 1989 bewies, ein nationaler Mann." Recht hatten die neuen Hofgeismarer, als sie in ihrem Briefkopf Ende 1994 die Zeile aufnahmen: "Junge Sozialdemokraten für Deutschland". 

Anläßlich einer Gedenkfeier im Januar 1995 zum 50. Jahrestag der Ermordung von Julius Leber sagte Rudolf Scharping: "Mit Julius Leber gedenken wir eines aufrechten, mutigen Kämpfers gegen die nationalsozialistische Barbarei und eines großen Sozialdemokraten, der 'für eine gute und gerechte Sache' sein Leben gab. Das Gedächtnis an die Menschen wachzuhalten, die sich gegen das nationalsozialistische Unrechts- und Mordsystem auflehnten, ist eine moralische und politische Pflicht. ... Die kritische Aneignung demokratischer, freiheitlicher Traditionen ist für das vereinte Deutschland Anspruch und Verpflichtung zugleich." Wie kritisch darf's denn sein? Leber habe sich "das Vertrauen der Arbeiter von Lübeck" erworben, "er war jemand, der für ihre Rechte entschlossen eintrat und ihnen politische Orientierung gab: konsequente Bekämpfung aller totalitärer Parteien von rechts und links." (97) 

Die Gemeinschaft "für Deutschland" geht inzwischen weit. Erhard Eppler, strategischer Kopf der 80er-Jahre-SPD, einer der führenden Antiwestler in der Partei, Entwicklungshilfeminister unter Kanzler Brandt und heute immer noch Mitglied in Thierses Grundwertekommission, die Eppler von 1973 bis 1992 selbst geleitet hatte, durfte am 17. Juni 1989 die Rede bei der Gedenksitzung des Bundestages halten. Der "Vorwärts" druckte sie "ungekürzt", wie er schrieb, wegen der "tagesübergreifenden Bedeutung". Eppler zitierte damals zustimmend Roman Herzog, der gesagt hatte, daß "eine gewisse Identifizierung mit dem Volk, in das man hineingeboren ist, zu den natürlichen Bedürfnissen und Regungen der meisten Menschen gehöre". Wer diese vermeintliche Naturkonstante völkischer Identifikation nicht aufweist, muß demnach wohl erbkrank sein. Dann betete Eppler den ethnopluralistischen Glotz-Kanon von der Erosion der Nationalstaaten vor, die einerseits von der Europäischen Union her, andererseits von den Regionalkulturen her ihre Funktion verlören. 

Eppler wandte sich dagegen, daß im Ausland "das Gespenst eines hegemoniesüchtigen deutschen Nationalstaates neu belebt" würde. Aber das "Recht auf Selbstbestimmung" verstand er national, nicht etwa konkret individuell. Die Stahlwerker von Hattingen, denen damals der Hochofen geschlossen und ihre Einkommen genommen wurden, erwähnte er so wenig wie das Vetorecht im Gentechnikgesetz. "Selbstbestimmung" kommt wohl nur völkischen Gemeinschaften zu, respektive stellvertretend den Eliten auf europäischer Ebene. Dann machte Eppler sich - die Mauer war noch nicht gefallen, selbst der Grenzzaun zwischen Ungarn und Österreich stand noch - Gedanken zu einer "deutschen Föderation innerhalb einer europäischen". 

1993 war diese Vergangenheit bewältigt. Eppler schrieb in der rechtsextremen Zeitschrift "MUT" eine Rezension über Zitelmanns Buch "Demokraten für Deutschland. Adenauers Gegner - Streiter für Deutschland", das die Antiwestler der 50er Jahre behandelt. Es sei "gut, wenn Rainer Zitelmann schon jetzt für die Gegner Adenauers einen ehrenvollen Platz in den Geschichtsbüchern reklamiert". So schaffte Eppler Jahrzehnte später die in den 50er Jahren noch gescheiterte Verbrüderung der Nationalrevolutionäre mit SPD und GVP, seinen damaligen Parteien. 1994 schließlich trat er mit Mechtersheimer im politischen Rahmenprogramm der Recklinghausener Ruhrfestspiele auf, die einmal als linkes Arbeiterkultur-Festival begonnen hatten.  (98) 

Einer der führenden SPD-Politiker der letzten zwanzig Jahre, Klaus von Dohnanyi, präsentiert sich als biologistischer Nationalist: "Die Nation gehört zu uns so unauflösbar wie das Eigentum: Beide entsprechen der anthropologischen Bedingtheit des Menschen", meinte er 1991 in der "Zeit". Deshalb wohl bezeichnete er 1990 in seinem Buch "Das deutsche Wagnis" die sozialistischen Gesellschaften Osteuropas als "fern jeder menschlichen Ordnung". Es sei zwar verständlich, meinte er, "daß die Erben der SED den Versuch machen werden", dies zu leugnen und die Abwicklung der ostdeutschen Wirtschaft "der sozialen Marktwirtschaft anzulasten", aber: "Man muß sie daran hindern." Die größte Gefahr für die Interessen der westeuropäischen Konzerne sah er 1990 in einer "offenen Entwicklungsflanke der DDR", d. h. im Versuch, demokratisch-sozialistische Reformen durchzusetzen. 

Klaus von Dohnanyi war unter Bundeskanzler Brandt Wissenschaftsminister, unter Bundeskanzler Schmidt Staatsminister im Auswärtigen Amt und 1981 bis 1988 Regierungschef in Hamburg, in den 90ern "Treuhandsonderbeauftragter" zur Entfernung der Konzern-Konkurrenzen aus der ehemaligen DDR, ab 1990 Aufsichtsratsvorsitzender der Leipziger Schwermaschinenbau Takraf AG. 

Sein Vater, Hans von Dohnanyi, zählte zum militärischen Widerstand der 20. Juli-Leute. Er war Richter am Reichsgericht in Leipzig, persönlicher Referent des Nazi-Reichsjustizministers, dann beim Geheimdienst unter Admiral Wilhelm Canaris, der selbst zum militärischen Widerstand gehörte, obwohl er - wie Dohnanyi - lange das Vertrauen Hitlers besaß. Mit Canaris hatte Dohnanyi seit 1938 Kontakt und wurde eine Art Privatsekretär des Admirals. Er stand Ulrich v. Hassel nahe und war von Beginn an mit den Überlegungen befaßt, Hitler durch ein Bombenattentat zu töten. Im April 1943, als die Gestapo mehr und mehr über die Geheimdienstaktionen und Verschwörungen gegen Hitler erfuhr, die auch Canaris mit steuerte, wurde Dohnanyi gemeinsam mit seinem Schwiegervater Dietich Bonhoeffer als Widerstands-Agent verhaftet, zwei Jahre später gemeinsam mit Canaris und Bonhoeffer auf persönlichen Befehl Hitlers gehängt. 

Canaris war 1918/19 Adjutant Gustav Noskes und half als Richter in der Militärgerichtsbarkeit der "Garde-Kavallerie-Schützen-Division" dabei mit, die Mörder von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht relativ ungeschoren davonkommen zu lassen. Unterstützt wurde er dabei von dem preußischen SPD-Justizminister Wolfgang Heine. Einem der Mordbeteiligten verhalf Canaris sogar zur Flucht. Mit dem Organisator des Mordes, Waldemar Pabst, war er befreundet; Pabst zählte 1920 zu den Kapp-Putschisten, Canaris rettete ihn während der Strasser-Röhm-Affäre 1934 vor den Mördern aus der Hitler-Linie. Zum Abwehr-Chef der Nazi-Wehrmacht aufgestiegen, spann er schon früh Putschpläne gegen die Hitler-Linie und knüpfte enge Bande zu den Verschwörern des 20. Juli, die das geheimdienstliche Wissen der Abwehr nutzten. Olbricht gehörte zu den engen Vertrauensleuten von Canaris. Anfang 1944 wurde der Admiral, der immer eher der nationalrevolutionären Linie zugeneigt war, entmachtet, am 23. Juli 1944 verhaftet. 

Solche biographischen Bezüge brauchte die Sozialdemokratie noch in den 70er Jahren, um dem Kapital als Regierungspartei akzeptabel zu sein. Auf Klaus, den SPD-Sproß derer von Dohnanyi, war die Partei mächtig stolz. "Auftrag und Vorbild" verkörperten die Putschisten um Stauffenberg und Olbricht für "unser Vaterland", meinte Dohnanyi 1984 bei einer Gedenkfeier, "sie waren Patrioten". 

Im Juli 1994 schrieb er im "Spiegel" gegen die rot-grüne Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt und für die Große Koalition. "Verwirrte Trotzwähler", die der PDS ihre Stimme gäben, dürfe man nicht ernst nehmen: "Kräfte, die das Falsche wollen, hält man in der Opposition und beteiligt sie nicht an der Verantwortung. So funktioniert Demokratie", belehrte der Edelmann die Ost-SPD. "Hält man" steht für Dohnanyis, Lebers, der Putschisten vom 20. Juli Demokratieverständnis: Die Wählerentscheidungen sind allenfalls lästig. Dohnanyi verriet auch gleich das Ziel seiner formierten Gesellschaft: "Das zentrale Problem Ostdeutschlands (und des ganzen Deutschland in den nächsten Jahren) ist die Verteidigung und Gewinnung von Märkten. Man kann nachrechnen, daß unserem Arbeitsmarkt und dem durch die Wiedervereinigung größer gewordenen Produktionspotential heute Märkte von etwa 200 bis 300 Milliarden Mark fehlen. ... Oskar Lafontaine hat erst kürzlich ein brilliantes 20-Punkte-Programm der Wirtschafts- und Finanzpolitik veröffentlicht. Sehr viel davon könnte er mit Kurt Biedenkopf, das meiste vermutlich auch mit Kohl und Waigel, aber keine zehn Prozent mit Gysi verwirklichen." 

Den Grund für die Große Koalition hatte er schon 1990 vorausgesehen: "Das vereinte Deutschland wird nicht reicher, sondern ärmer sein als die bisherige BRD", zahlen sollten die Arbeitnehmer. Eine lange Liste der öffentlich zu finanzierenden Infrastrukturmaßnahmen in der DDR, an denen Westkonzerne Milliarden verdienen könnten, folgte. "Kapitalübertragungen von West nach Ost" seien "in einer Größenordnung von vielen Milliarden" nötig: "Geben heißt auch abgeben", und das zielte vor allem auf den bescheidenen Konsum der Unter- und Mittelschicht in Westdeutschland. Vom Osten verlangte er dafür "Dankbarkeit" und fragte: "Wie lange bleibt die DDR-Region ein Niedriglohnland? ... Die ökonomische Seite spricht für eine eher langfristige Annäherung der Einkommen", es müßten trotz aller politischen Widerstände "wirklich erhebliche Lohndifferenzen zwischen Ost und West in Deutschland für eine mittlere Frist aufrechterhalten" werden. Das ist der eigentliche, meist versteckte Sinn des Ethnopluralismus: verschiedene Lohn- und Tarifgebiete, verschiedene Sozialstandards. Dann wurde Dohnanyi auch offen ethnopluralistisch: "Sizilianer ist man oder Sarde, bald vielleicht auch Lombarde eher als Italiener; oder Baske, vielleicht auch Katalane, ehe man sich als Spanier bekennt." Daß dies in Deutschland auch so werde, dafür gibt es einen Grund: "Der Markt" habe "noch nirgendwo wirklich befriedigend" die regionalen Wohlstandsunterschiede ausgeglichen. "Es ist im Gegenteil die Erfahrung aller Industrienationen, daß historisch gewachsene, regionale Unterschiede trotz zum Teil erheblicher staatlicher Interventionen über lange Zeiträume fortbestanden haben." Gottseidank hatten in Deutschland durch die Jahrhunderte "die landsmannschaftlichen Unterschiede immer etwas Gleichwertiges und Gleichberechtigtes". Da machte es nichts aus, daß es "reiche und arme Regionen in diesem historischen Deutschland" immer gegeben habe. Dohnanyi betrachtet die deutsche Reichsgeschichte als Vorbild für die Zukunft, auch wenn "die Grenze, die von der Sowjetunion zu Beginn des Kalten Krieges entlang dem Eisernen Vorhang gezogen wurde, eine Grenze ist, die tief in der Seele der Menschen verläuft" und deshalb noch viel schneidender sei als die historisch erprobte zwischen arm und reich. 

"Der Markt ist die Kraft, das Gesetz", schrieb er, "die Politik aber gibt die Ordnung. Der Markt treibt die Entwicklung, die Politik muß sie gestalten." Andere Entwicklungskriterien ließ der "Treuhand"-Manager Dohnanyi nicht zu. In Ostdeutschland müßten "politische Strukturen" entwickelt werden, in denen "Kommunalpolitik und Wirtschaft Hand in Hand arbeiten". Die gab es zwar auch bis 1990, aber Dohnanyi meint wohl andere. Das Ergebnis mag dann so ausfallen wie auf Sizilien oder Sardinien. Jedenfalls müsse zuerst die "ideologische Verseuchung" in Ostdeutschland bekämpft werden, vor allem die "der Universitäten und Akademien", so der frühere SPD-Bildungspolitiker in seinem Buch 1990. Die klugen Kapitalvertreter drehen die Erkenntnis von Marx und Engels um: "Was beweist die Geschichte der Ideen anders, als daß die geistige Produktion sich mit der materiellen umgestaltet? Die herrschenden Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen der herrschenden Klasse", schrieben sie im "Manifest". Zu sehr waren die Ideen der Gleichheit der Menschen und der sozialen Sicherheit als gesellschaftliche Grundprinzipien an den ostdeutschen Hochschulen forschungsleitend, als daß die "Treuhand" diese "Verseuchung" hätte weiter gewähren lassen können.  (99) 

Mehr noch als Brandt bestimmt Helmut Schmidt auch die zukünftige Politik der SPD, denn er zieht nicht den roten Rattenschwanz der marxistischen 70er-Jahre-Jusos hinter sich her, die im Windschatten von Brandts Friedens- und Demokratiepolitik sozialistische Positionen fortentwickelten. Solche Traditionen sind für die neue Phase der Hegemonialpolitik unbrauchbar. Es war Helmut Schmidt, der Ende November 1994 die Tutzinger Tagung des einflußreichen "Seeheimer Kreises" eröffnete, auf der die Parteirechte um die bayrische SPD-Vorsitzende Renate Schmidt zum Sturm auf den vermeintlichen Mißbrauch von Sozialleistungen blies und auf der Scharping eine strategische Kursänderung der SPD-Sozialpolitik ankündigte. Die "Zeitung am Sonntag", Wahlkampforgan der Partei, warb im September 1994 für den sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten: "Zwei Männer, die sich verstehen. Helmut Schmidt, bis 1982 Bundeskanzler, und Rudolf Scharping, der Vorsitzende und Kanzlerkandidat der SPD. Schmidt unterstützt den Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz im Wahlkampf: 'Weil er der richtige Mann ist!'" Der Werbesprospekt "Rudolf Scharping im Gespräch mit Hanns Joachim Friedrichs", ein Hauptwerbemittel im Bundestagswahlkampf 1994, trug auf der Rückseite ein ganzseitiges Foto Schmidts mit dem Satz: "Es ist an der Zeit zu handeln. Deutschland braucht den Wechsel." Das war fast der Titel des Schmidt-Buches "Handeln für Deutschland" von 1993, das sein politisches Testament darstellt. Man wird sich also an Helmut Schmidt halten dürfen. 

1993 auch war Schmidt der Trauerredner beim Staatsakt für den hanseatischen Handels-Milliardär Alfred Carl Toepfer im Hamburger Rathaus; Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi saß unter den Trauergästen. Toepfer habe sich als Patriot und Widerstandskämpfer um das Vaterland verdient gemacht, sagte Schmidt über den Import-Export-Händler, der hundertjährig gestorben war. 1914 war Toepfer Kriegsfreiwilliger, in den 30er Jahren finanzierte er die Auslandsreisen von Ernst Niekisch, mit dem er ebenso befreundet war wie mit Ernst Jünger. Der frühere Funktionär des NPD-Studentenbundes NHB und spätere SPD-Funktionär Uwe Sauermann hat über seine nationalrevolutionäre Karriere 1980 in dem Buch "Ernst Niekisch. Zwischen allen Fronten" berichtet, in dem auch Armin Mohler schrieb. Wegen seiner Kontakte zu Niekisch inhaftierten die Nazis Toepfer einige Monate, doch 1939 wurde er wieder Kriegsfreiwilliger und kam zum Amt Canaris. Nach 1945 habe er die Arbeit von Thies Christophersen finanziert und soll auch Abonnent der "Bauernschaft" gewesen sein, behauptete Christophersen 1994 selbst. Zumindest könnte sich so erklären, weshalb Schmidt dieselben preußischen "Sekundärtugenden" hochhält, die Niekisch in den 20er Jahren in seinen Schriften aufführte: Disziplin, Treue, Dienstwilligkeit usw. 

Niemand anderes als der inzwischen nach rechtsaußen gerutschte Historiker des Hofgeismarkreises der antimarxistischen Jungsozialisten, Franz Walter, startete im Mai 1994 im Mitgliedermagazin "Vorwärts" die Schmidt-Renaissance in der SPD. Hatte er für ein Jahrzehnt als der Aufrüstungskanzler gegolten, der im Gegensatz zu Brandt Offizier der Nazi-Wehrmacht war und nicht einmal dem militärischen Widerstand angehörte, sondern am Prozeß des Volksgerichtshofes gegen die 20. Juli-Leute als Zuschauer in Uniform teilnahm, so riß der "Vorwärts" nun das Ruder herum: Ein Foto zeigte Scharping und Schmidt vor einem Bild August Bebels. Franz Walter schrieb drumherum die Parteigeschichte neu. Schmidt habe, nachdem Brandt 1974 endlich gestürzt worden sei, "ohne Demokratisierungspathos nun wieder sachgerecht regiert". Doch die linken Basisdelegierten hätten ihm auf Parteitagen den Garaus gemacht: "All das, was Schmidt den Respekt im Volke eintrug, war ihnen ein Greuel: daß er Pragmatiker war, Krisenmanager, Marktwirtschaftler. Die Delegierten indes träumten noch von großen Alternativen, klammerten sich an sozialistisch-pazifistische Utopien." 

Autoren wie Walter ist immer zu danken dafür, daß sie ungeschminkt ihre Motive preigeben: "Breite Schichten werden in den nächsten Jahren Verzicht üben müssen", schrieb er in diesem Artikel, dessen Überschrift der Mitgliedschaft klarmachen sollte, wie aktuell Schmidts Positionen sind: "Kanzler Schmidt, die SPD und die Gegenwart". "Helmut Schmidt wußte, daß die Deutschen über ihre Verhältnisse lebten", schwärmte Walter über den SPD-Kanzler, der ab 1978 als erster Sozialkürzungen durchsetzte, "daß die großzügige Sozialpolitik nicht mehr zu finanzieren war. ... Auch Scharping und Lafontaine wissen dies alles." 

Schmidt hat 1994 eine "Deutsche Nationalstiftung" gegründet, die als eine Art rechte Denkfabrik fungieren soll und aus Industriespenden, z. B. von Hermann Josef Abs noch kurz vor seinem Tod, finanziert wurde. Ihr Vorstand setzt sich aus Schmidt, Kurt Biedenkopf, Kurt Masur und dem Hightech-Manager Reimar Lüst zusammen, der früher die "Europäische Weltraumagentur" ESA leitete und Mitglied des Stiftungsrates der Siemens-Stiftung unter Armin Mohler war, einem Lobbyisten der Hochtechnologie-Konzerne. In dem Buch "Zur Lage der Nation", das Texte aus der Stiftung enthält - inzwischen hatte sich auch Jens Reich dazugesellt -, schrieb Lüst "zum Geleit" Ethnopluralistisches über die "kulturelle Identitätsfindung der Deutschen im Kontext des kulturellen und politischen Mosaiks in Europa". Daß das deutsche Kapital in der Mitte des europäischen Mosaiks sitzt, ist klar: Es müsse zu einem "Prozeß der nationalen und zugleich europäischen Identitätsstiftung" kommen, deren Kern die deutsche Klassik sein solle. 

Der Vorstand der "Deutschen Nationalstiftung" berief einen "Senat", dem auch Brandts und Schmidts Bau- und Verteidigungsminister Georg Leber angehört. Leber hatte schon am 15. November 1989 gemeinsam mit Biedenkopf zur Gründung einer "Solidaritäts-Stiftung des deutschen Volkes" aufgerufen, die aber nicht zustande kam. Im Aufruf knüpften sie an die Vorstellungen des Ruhr-Barons Stinnes zur Beilegung der Weimarer Wirtschaftskrise an, der von den Arbeitern unbezahlte Mehrarbeit gefordert und zur Durchsetzung auf die Diktatur, aber auf die Putschisten von der falschen Fraktion, gesetzt hatte. "Im Prinzip sollen die Bürger in den kommenden fünf Jahren den Ertrag eines Arbeitstages als Solidaritäts-Leistung zur Verfügung stellen", hieß es 1989 bei Biedenkopf und Leber. "Der 17. Juni wird für die kommenden fünf Jahre zum Tag der Solidarität erklärt. An diesem Tag wird gearbeitet. ... Der Lohn, den die Arbeitnehmer an diesem Tag verdienen, wird von den Betrieben an die 'Solidaritäts-Stiftung des deutschen Volkes' abgeführt" - ein kassisch faschistisches Konzept zur Krisenbewältigung im Deutschland der Volksgemeinschaft. Aus dem Geld sollten die Infrastrukturprojekte in der ehemaligen DDR bezahlt werden, die von den Konzernen bereits ins Auge gefaßt waren. 

Schmidts Buch "Handeln für Deutschland" gibt politische Richtlinien für die SPD der 90er Jahre, die unmittelbar an die Tradition der "Kriegssozialismus"-Politik anknüpfen. Es ist ein politischer Entwurf im Rahmen der heutigen, weiterentwickelten Konservativen Revolution, der dennoch vor allem durch die Offenheit der Formierungspläne und durch die Skrupellosigkeit der beabsichtigten Ausplünderung großer Bevölkerungsteile erschreckt. Das Buch gibt einen Vorgeschmack auf die Wirklichkeit kommender SPD-Regierungspolitik. Hier finden sich alle Elemente des Neokonservatismus wieder: "Hedonismus"-Kritik, Dienstverpflichtung, preußische Tugenden, heroischer Realismus der sich aufopfernden Eliten, nationale Einheit und Identität, Ablehnung eines einheitlichen Rechtssystems im wiedervereinigten Deutschland, Ethnopluralismus des Bildungswesens, Gleichheit nur in der angeblich gemeinsamen Armut aller nach dem 8. Mai 1945, Sozialabbau, Deregulierung bis zum Ausnahmezustand, Elitenherrschaft, die Übereignung der ehemaligen DDR an die Hochtechnologie-Konzerne, Kerneuropa unter Ausgrenzung kleinerer Nationen, selbst offener Rassismus. Das Zentrum des Buches stellt das alte wirtschaftspolitische Ziel des Faschismus aller Fraktionen dar: Mehrarbeit möglich machen, obwohl weniger dafür bezahlt wird. 

"Es ist nicht sonderlich wichtig, ob demnächst die SPD oder die CDU den Kanzler stellt", schrieb Schmidt am Ende des Buches, im Kapitel "Aufruf zur Solidarität". "Entscheidend ist, daß die Richtlinien eines Kanzlers klug und zielstrebig sind und daß er sie in die Wirklichkeit übertragen kann." Den Inhalt der Richtlinien schrieb er gleich zu Beginn auf: "Im Westen wird es ohne einen lang anhaltenden gemeinsamen Verzicht auf weiteres Wachstum des privaten Wohlstands nicht gehen. Und im Osten braucht es viel Geduld. Gemeinsam brauchen wir persönliche Vorbilder." 

Die "überzogene Lohnentwicklung" der letzten Jahre sei rückgängig zu machen, die "Priester der Sozialpolitik" müßten endlich "die volle Wahrheit" erkennen: "Kürzung oder Einfrierung bisheriger Sozialleistungen" müßten "die Arbeitnehmer und die Sozialleistungsempfänger aller Art" hinnehmen. "Wir müssen bis tief ins nächste Jahrhundert warten, ehe in Rostock die gleiche Produktivität erreicht ist wie in Stuttgart oder in Hannover. Ebensolange wird es dauern, bis die Ostdeutschen im Durchschnitt das gleiche reale Nettoeinkommen erwarten können. Noch viel länger wird es dauern, bis in Halle der gleiche Wohnungsstandard erreicht sein wird wie in Dortmund. Damit dies aber erreicht werden kann, muß jeder im Westen wissen: Auf lange Jahre sind keine realen Steigerungen des Einkommens zu erwarten, selbst dann nicht, wenn die Regierenden keine zusätzlichen Fehler mehr machen sollten. Die Westdeutschen müssen sich darauf einstellen, auf den realen Einkommensstand von 1990 zurückzufallen und dort für längere Zeit zu verharren - aber der Lebensstandard des Jahres 1990 war ja doch wohl nicht schlecht!" "Von den Westdeutschen wird also für eine Reihe von Jahren ein Verzicht auf einen weiteren Anstieg ihres Lebensstandards erwartet", schrieb er an anderer Stelle des Buches, "mir erscheint dieser Verzicht moralisch selbstverständlich." Mit anderen Worten und angesichts der Zeitperspektive Schmidts: Den Lebenden wird es nicht mehr besser gehen. 

Bei sinkenden Realeinkommen soll dennoch die Arbeitszeit verlängert werden: "Das erklärte Ziel des DGB, die Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden zu reduzieren, muß für viele Jahre auf Eis gelegt, wenn nicht sogar ganz aufgegeben werden", es sei vielmehr eine Verlängerung der Wochen- und Lebensarbeitszeit nötig. "Wenn die Gewerkschaft es zuließe", müsse es nach japanischem Vorbild zu Einkommenskürzungen im Betrieb kommen - "zehnprozentige Kürzung", so Schmidt -, der Staat dürfe nicht länger "in das deutsche Supermarktsyndrom einbezogen" werden, das da laute: "Er hat gefälligst umfassende Daseinsfürsorge zu liefern, wohlverpackt." Statt dessen forderte er zusätzlich zur Arbeitszeitverlängerung den allgemeinen Arbeitsdienst: "Unser Sozialstaat kann die Zivildienstleistenden nicht entbehren, wir werden in einigen Jahren in den östlichen Bundesländern noch viel mehr von ihnen brauchen - auch zur ökologischen Sanierung. Aus diesen Gründen scheint mir eine allgemeine Dienstpflicht angemessen und notwendig. ... Das 'Prinzip Verantwortung' (Hans Jonas) muß zu Ehren kommen!" Schon im Grundgesetz kämen "die Pflichten des Bürgers ... nur am Rande vor. Sie bleiben auch in der Schule und in den Medien meist marginal", weshalb sich "eine Abkehr vom Gemeinswesen", "Wohlleben und Hedonismus" ausbreiteten. Die Abkehr vom Wohlleben jeder Art muß verdeckt betrieben werden: "Wenn dabei Ansehen und Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften nicht gewahrt werden können, so würden wahrscheinlich Fundamentalisten die Lücke ausfüllen." Die formierende Rolle rechter Gewerkschaftsführer bleibe "unerläßlich, wenn wir nicht auf den Status einer Klassenkampfgesellschaft zurücksinken wollen". 

Den kleinen Heroismus statt des Hedonismus hat er nicht vergessen, mit ihm soll der große Heroismus eingeübt werden, für "Deutsche unter Blauhelmen", wie ein ganzes Kapitel bei Schmidt heißt. "Mut und Tatkraft" seien in Deutschland nötig, doch "unsere Parteien" würden "von uns weder die Anstrengungen noch die Opfer noch die Geduld verlangen, die heute nötig sind". An anderer Stelle: "Jugend braucht beides: Herausforderung und Geleit. Sie braucht die Erlebnisse von Erfolg und Gemeinschaft." "Demokrat wird man nicht am besten durch das Studium der Geschichte oder der Staatslehre, sondern sehr viel eher durch Erziehung und Einübung." Die geschehe bestens bei der "Lehrlingsausbildung im Betrieb, verkörpert durch den Meister", was "zwangsläufig auch Erziehung zu Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Genauigkeit mit sich bringt", schrieb er unter der Überschrift "Reform des Bildungswesens". Es müsse wieder mehr Wert gelegt werden auf die "Erweckung des Bewußtseins, daß wir moralische Pflichten haben. ... Junge Menschen müssen praktisch erfahren: Jedermann ist sittlich verpflichtet, zum Wohle des Ganzen beizutragen." 

Die "antiautoritäre Erziehung" habe dieses Bewußtsein zerstört und die Jugend dem "anarchistischen Schlagwort 'Macht kaputt, was euch kaputmacht'" ausgeliefert, Ergebnis: "Brücken und Bahnhöfe" würden als "Freiflächen für Schmiererei mittels Sprühdosen benutzt". Das Schönhuber-Niveau Schmidts ist ernst gemeint: Den "Scheinasylanten" müßte das Handwerk gelegt werden, auch darauf bestand er. "An den Verwaltungsgerichten häuften sich die Prozesse; am Verwaltungsgericht in Hamburg waren 1991 und 1992 über die Hälfte aller neu anhängig werdenden Prozesse sogenannte Asylfälle, wegen Mittellosigkeit der Asylbewerber zahlt der Staat die Kosten. Die Kriminialitätsrate unter diesen Ausländern ist nicht gering, zumal unter den aus Rumänien kommenden Sinti und Roma." "Die Wiederherstellung eines befriedigenden Maßes an öffentlicher Sicherheit" müsse durch mehr Polizei und durch Bürgerwehren erreicht werden. Ein "Einwanderungsgesetz" müsse her, dann könne man auch "eine Auswahl treffen" - Selektion körperlich Schwacher noch an der Zollrampe. Schließlich präsentierte Schmidt noch ein ganzseitiges dramatisches Schaubild Europas mit vielen Männchen, die Deutschland umzingeln, wie bei den Darstellungen der Heeresgrößen im Bundeswehr-Weißbuch. Es sind die wachsenden Geburtenraten der Nachbarstaaten von Frankreich über Polen und die GUS-Staaten bis Kleinasien und Nordafrika. "In Deutschland: beträchtliche Abnahme" heißt es darunter, die deutschen Minus-Männchen sind hohl und weiß dargestellt, die der anderen bilden schwarze Armeen in Dutzendformationen. 

Die materiell verzichtenden Mehrheiten in Deutschland bekommen nationale Identität als Ausgleich. "Europa ist ein historisch gewachsenes Mosaik. Die deutsche Identität kann nur im Gesamtrahmen dieses Mosaiks verstanden werden." Es gehe um "die Selbstfindung der Deutschen", die "aus den tiefsten Bewußtseinschichten" heraus erfolgen müsse. Der erste Schritt ist schon erreicht: "Aus dem Ruf 'Wir sind das Volk!' wurde unversehens 'Wir sind ein Volk!'." Das Ziel und die Feindbilder bleiben gleich, auch wenn über das Buch hin die Argumente wechseln: "Nicht nur die Definition unseres Staates als Rechts- und Verfassungsgemeinschaft greift zu kurz, sondern ebenso die Annahme, es handele sich um eine höheren Lebensstandard garantierende Institution. Es ist vielmehr das Bewußtsein der Deutschen als einer Nation, das die Vereinigung der beiden deutschen Nachkriegsstaaten zur heutigen Bundesrepublik Deutschlad herbeigeführt hat", das angebliche nationale Zusammengehörigkeitsgefühl eben. Ein "Staatsziel der Vollbeschäftigung", ein "einklagbares Grundrecht auf Arbeit" gar, könne es ebenwo wenig geben wie "ein einklagbares Grundrecht auf Wohnung", denn dies bedeute "Zwangseinweisung". "Ein nur auf das Grundgesetz sich beziehender 'Verfassungspatriotismus', wie ihn Dolf Sernberger und Jürgen Habermas vertreten haben, greift zu kurz. ... Das, was das Deutschsein ausmacht, reicht in ganz andere, tiefere Schichten, als daß es durch die Kultur des Rechts, wie wir sie endlich gefunden und in einem vorzüglichen Grundgesetz niedergelegt haben, erschöpft werden könnte." Welche Tiefenkräfte deutschen Daseins gemeint sein könnten, läßt Schmidt wohlweißlich offen. Doch eines sagt er klar: "Einen der möglichen Irrwege sollten wir auf jeden Fall vermeiden, nämlich unserer Jugend die lange Geschichte unseres Volkes als einen einzigen Weg zum Verbrechen, als ein Verbrecheralbum vorzustellen." Andere pflegten ja schließlich auch ihre nationalen Symbole, die Franzosen z. B. "die Trikolore, die Marseillaise", und Schmidt schließt gleich an, die Geschichte der Marseillaise neu schreibend: "... oder die traditionsreichen Königshäuser in den drei skandinavischen Staaten." Man dürfe, wie die anderen Nationen auch, ruhig stolz sein "auf die eigene Leistung. Bei uns Deutschen gab es bis zum Ersten Weltkrieg ein vergleichbares Gefühl der nationalen Identität." Man dürfe auch in die "Waagschale" getrost "unseren Stolz auf den Widerstand" legen, "auf den 20. Juli 1944, auf den 17. Juni 1953 und auf den 9. November 1989". Alles andere sei "nationales Flagellantentum" und "Selbsthaß". Was habe man denn auch mit "Hitlers Verbrechen" zu schaffen, was mit dem "verbrecherischen Unheil, das Hitler im deutschen Namen über Europa gebracht hat". 

Die konkrete Anwendung des Ethnopluralismus bezieht Schmidt nicht nur auf die bereits vorhandenen Wohlstandsunterschiede, sondern auch auf die Zukunftschancen der Kinder ganzer Regionen: "Im übrigen ist es keineswegs nötig, alle Schulen in Ost und West, in Vorpommern und in Oberbayern über den gleichen Leisten zu spannen." Thomas Schmid steht also in NG/FH nicht allein mit dem "Hinterwäldlertum", Helmut Schmidt rechtfertigt es aber klüger: "Ein erhebliches Maß an Wettbewerb um das beste Schulsystem ist sogar erwünscht", "die Bewahrung der kulturellen Eigenarten der Bundesländer" müsse gewährleistet werden. "De Gaulles Schlagwort vom 'Europa der Vaterländer' findet heutzutage einen Widerpart in dem Wort von einem 'Europa der Regionen'. ... Das gilt durchaus auch für die Hochschulen. Ein deutlich erkennbarer Wettbewerb der Hochschulen" sei nötig, "deshalb ist es auch zu begrüßen, daß neuerdings hier und da private Hochschulen entstehen". 

Schmidts Deregulierungs-Pläne ergänzen dies. Es sei "ein schwerer Fehler im Einigungsvertrag" gewesen, in Ostdeutschland die westdeutschen Rechtsnormen "ohne jedwede Einschränkung und ohne mehrjährige Übergangsregelungen einfach überzustülpen. Denn schon "in Westdeutschland (sind) die meisten Ausführungs-, Verwaltungs- und Verfahrensvorschirtfen längst viel zu kompliziert geworden". Die neuen Bundesländer hätten also zu Experimentierfeldern radikaler Deregulierung werden können, in denen die Ungleichheiten des Rechtsraumes gigantische Profite versprochen hätten. Schmidt sprach sich für umfassende Privatisierungen von "Verkehrswegen, kommunalen Versorgungseinrichtungen, Umweltentsorgung und Erschließung von Gewerbeflächen für Neuansiedler" aus, die vor allem in Ostdeutschland "in die Hände privater Unternehmer" gehörten. Um die Infrastrukturmaßnahmen für "Telekommunikation, Elektronik oder modernste Energietechnologie" und die Unternehmer-Subventionen zur Industrieansiedlung zu finanzieren, sei das "Sparkapital, das im wesentlichen aus Westdeutschland kommt", einzusetzen; schließlich hätten die Menschen "nach Kriegsende" ja auch nichts gehabt, "fast alle fingen bei Null an." Hermann Josef Abs allerdings nicht, deshalb spendete er wohl für Schmidts "Deutsche Nationalstiftung". 

Finanzpolitisch argumentierend, kritisierte Schmidt nun, daß die Finanzminister bisher fälschlicherweise das private Sparkapital für "die alljährliche öffentliche Kreditaufnahme" zugunsten der Sozialhilfe-Finanzierung usw. beliehen hätten, statt daß es "für privatwirtschaftliche Investitionen zur Verfügung steht; es wird also dem Wachstum der westdeutschen Volkswirtschaft entzogen." Öffentliche Einsparungen bringen über eine sinkende Kreditaufnahme der Öffentlichen Hände den Unternehmern sinkene Kreditzinsen, weil mehr verleihbares Geld frei wird. So führt man die öffentliche Armut herbei, unter der viele leiden - von den Kommunalgebühren für Wasser, Bibliotheken, Schwimmbad-Eintrittsgelder bis zur Überlastquote der staatlichen Hochschulen, übrigens eine Erfindung des Bundeskanzlers Helmut Schmidt -, von der aber wenige am Kapitalmarkt und durch die späteren Gewinne aus ihren subventionierten Investitionen profitieren. Die früheren Sozialhilfeempfänger werden einfach für Öko-Sanierungen zwangsverpflichtet, was wiederum die Unternehmen entlastet. Diese Konzepte waren immer schon genial einfach, wenn auch nicht mit demokratischen Mitteln durchzusetzen. 

Helmut Schmidt plädierte für den Ausnahmezustand nach Carl Schmitt. Der Putschismus der 20. Juli-Vorbilder schlug durch: "Als wir in Norddeutschland im Februar 1962 mit einer schweren Flutkatastrophe zu kämpfen hatten, hat keiner lange nach einschlägigen Vorschriften oder Verboten oder früher ergangenen Verwaltungsgerichtsurteilen gefahndet, sondern wir haben augenblicklich gehandelt, denn das Leben von Zigtausenden stand auf dem Spiel. Die heutige Verwaltungs- und Verfahrensrechtslage im Osten unseres Vaterlandes ist auf ihre Weise ebenfalls eine Katastrophe, denn das Vertrauen von Millionen steht auf dem Spiel." Das läßt sich ausweiten. Die Elitenherrschaft der Wissenden, Zupackenden, Entscheidungsfreudigen duldet keine Zweifel aus der Ecke zaudernder Mehrheiten, die ethisch abwägen. Der Bundestag ist nach Schmidts Meinung ohnehin eine Schwatzbude, "er zählt bei weitem mehr Menschen, als in den Wartesaal des Hauptbahnhofs einer deutschen Millionenstadt hineinpassen." Das Listenwahlrecht sei ein "Unglück", denn die Landeslisten sind in ihrer Zusammensetzung zentral nicht zu kontrollieren, "Mehrheitswahlrecht" müsse her. "Darüber hinaus habe ich jedoch kein rechtes Vertrauen in die politische Stetigkeit unseres Volkes, wenn es um Fragen geht, die in ihrer Komplexität schwer zu überschauen sind, die aber leicht von Demagogen ausgeschlachtet werden können." 

Nicht einmal demokratische Mit-Wirkungsmöglichkeiten soll es geben, denn Schmidt hat schlechte Erfahrungen in der SPD gemacht: "Kämpfer gegen den 'staatsmonoplistischen Kapitalismus' (Stamokap) - ein törichtes Agitationsschlagwort der Kommunisten - durften als eben in die Partei eingetretene Jungsozialisten ihre Stimme erheben." Am Ende habe man sich sogar beim SPD-SED-Papier "mit Leninisten auf ausführliche gemeinsame ideologische Formulierungen" geeinigt "und akzeptierte die Feststellung, keine Seite dürfe der anderen 'die Existenzberechtigung' absprechen. ... Ein Teil jener illusionistischen Kräfte (ist) innerhalb meiner Partei noch wirksam", allerdings offenbar nicht beim derzeitigen Partei- und Fraktionsvorsitzenden und den Großen Koalitionären der Spitzen-Troika Scharping-Lafontaine-Schröder, für die Schmidt 1994 in den Wahlkampf zog. Auch Kerneuropa soll entdemokratisiert werden, wie überall so auch hier auf Kosten der Schwächeren: "Die Zahl der Kommissionsmitglieder muß verringert werden; es ist nicht einmal nötig, daß jeder Staat in der Kommission vertreten ist", schrieb Schmidt. 

Am Ende des Buches, in dem er also seinen zahlreichen Unternehmerfreunden die Politik der Scharping-Schröder-Lafontaine-Linie nahelegte, stieß Schmidt Appelle aus, die in ihrer sozialen Unverschämtheit ihresgleichen suchen. "Ich appelliere an die Arbeitnehmer: Seid bereit, euer künftiges Einkommen zu begrenzen, damit Vereinigungskrise und Arbeitslosigkeit überwunden werden." Schmidt hatte für alle was, für die Reichen z. B. Subventionen: "Ich appelliere an die Unternehmer: Seid bereit, im Osten zu investieren und Zulieferungen aus dem Osten zu beziehen. Zu diesem Zweck könnt ihr vom Staat verlangen, daß er einen praktisch brauchbaren gesetzlichen Rahmen schafft, von der Vermögens- bis zur Steuergesetzgebung." Er dankte "für viele Anregungen" zu seinem Buch "besonders" Kurt Biedenkopf, Klaus von Dohnanyi, Edzard Reuter, Wolfgang Thierse, Hans-Jochen Vogel und schloß mit dem Stoßgebet : "Ich appelliere an die Kirchen und Religionsgemeinschaften: Gebt euren gläubigen Angehörigen Führung und Geleit durch die vielfältig vernebelten Nöte unserer Zeit."  (100)  

...Personenregister 

...Inhalt "Rechte Genossen" 

...Eingangsseite 
  

Anmerkungen: 
(Zurück zur Stelle der Anmerkung im Text über den Zurück"-Button" Ihres Browsers.) 

(84) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 2a), Bundestags-Drucksache 12/6708 vom 31. 1. 1994. 
Liste der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf im Plenarprotokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags vom 30. 6. 1994. 
(85) Ammon, H.: Die Rückkehr der Gemeinschaft, in "Junge Freiheit" 18. 11. 1994. 
Thierse vgl. Anm. 45: Bildungskonferenz. 
(86) Vogel: Pressemitteilung der SPD vom 8. 9. 1989. 
Vogel, H.-J.: Bemerkungen zur deutschen Identität, in: NG/FH, Nr. 10/1086. 
"Sozialdemokratischer Pressedienst ppp - Hintergrunddienst" 20. 2. 1987. 
Vogel/SWF-Interview nach Fernseh- und Hörfunkspiegel des Bundespresseamtes 9. 11. 1993. 
Heid, L.: Wenn Deutschland erwacht, in "Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums" Heft 114 (1990). 
F.-W. Freiherr von Sell in "Vorwärts" Nr. 1/1990. 
(87) Glotz, P.: Die Hochschulen nicht abschreiben, in "Die Zeit" 20. 1. 1978. 
Renate Schmidt nach "FAZ" 29. 11. 1994. 
Glotz, P.: Wenn das Salz dumm ist, in "Süddeutsche Zeitung" 10. 3. 1994; vgl. "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" 13. 3. 1994. 
(88) Th. Hinz: Nicht für ein Ghetto bestimmt, in: "Junge Freiheit", 6. 1. 1995. 
R. Scharping: Was jetzt zu tun ist, München 1994. 
"wir selbst", Dezember 1988/Januar 1989; "wir selbst", Nr. 3-4/1990. 
Scharping im "Spiegel"-Interview, Nr. 43/1994. 
"SPD - Anpassung oder Alternative?", Berlin 1993. 
(89) Schäuble nach "taz", 26. 11. 1994. 
Schäuble, W.: Der Platz in der Mitte, in "FAZ" 6. 6. 1994. 
Reiche vgl. Anm. 47. 
Stollenwerk, Chr.: Konsens tut Not, in "Gesellschaftspolitische Kommentare" Nr. 2/1994. 
Rappe nach "Die Welt" 21. 1. 1995; 
Chemie-Umsatz und Stellenabbau ebd. 
(90) SPD-Gesetzentwurf zum Minderheitenschutz: Bundestagsdrucksache 12/6323. 
"Sozialdemokratischer Pressedienst" vom 27. 1. 1994. 
Thierse-ZDF-Interview nach Fernseh- und Hörfunkspiegel der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages, 25. 8. 1992. 
Brigitte Schulte: Pressemitteilung vom 23. 11. 1993. 
(91) Thomas, C.: Meine Fremdenangst, in "Vorwärts" Nr. 10, 11. 3. 1989. 
Schumacher, H.: Ausländer schaffen Arbeitsplätze, in "Vorwärts" Nr. 2/1994. 
"Die Rheinpfalz" 11. 2. 1994. 
(92) Durand, B.: Bigotterie meinerseits, in "taz" 23. 7. 1992. 
"Riß im Klassenzimmer. Zurück zur getrennten Schule", in "Vorwärts" Nr. 42, 15. 10. 1988. 
Max-Planck-Institut nach "FAZ" 26. 1. 1994. 
(93) Hauchler nach: "PPP" (Sozialdemokratischer Pressedienst) 15. 12. 1994 
Lafontaine nach: "Die Modernisierung marschiert", in "Vorwärts" Nr. 7/1991. 
Hauchler, I.: Für eine neue Öko-Logik in der Weltwirtschaft, in "Vorwärts" Nr. 6/1991. 
Schuster, W.: Eine Welt - Strategie für die neunziger Jahre, 
hekt. (1992). 
Arbeitsgruppe für wirtschaftliche Zusammenarbeit der SPD-Bundestagsfraktion: Nord-Süd-Politik in den 90er Jahren, hekt. (1990). 
Eichberg, H.: Abkoppelung, Koblenz 1987. 
Hauchler, I.: Internationalisierung und nationaler Handlungsspielraum der Ökonomie, in: "Gemeinsam Überleben". Texte der Stiftung Entwicklung und Frieden, Bonn 1988. 
Ders.: Portrait Ingomar Hauchler, in "Nord-Süd Info-Dienst" Nr. 50, Mai 1991. 
Ders.: Verantwortung wird größer, in "Vorwärts" Nr. 11/1990. 
Ders.: Gipfel der Enttäuschung, in "Vorwärts" Nr. 7/1992. 
Ders.: Pressemitteilung vom 6. 5. 1994. 
(94) Benoist, A. de: Die Religion der Menschenrechte, in: Krebs, P. (Hrsg.): Mut zur Identität, Struckum 1988. 
Wedemeier, K.: Rede zur Dritten Verleihung des Bremer Solidaritätspreises, in "Nord-Süd Info-Dienst" Nr. 55, Juni 1992. 
Höhler, G.: Bäume - Sinnbilder des Lebens: Indianerbäume, in "MUT" August 1989. 
"Heute vorgestellt: Hans Wallow MdB", in "Nord-Süd Info-Dienst" Nr. 60, Juli 1993. 
(95) Willy Brandt meinte 1989 noch deutlich das Zusammenwachsen Europas, das im Sommer dieses Jahres begonnen hatte, nicht das Deutschlands. Der berühmte Satz "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört" wurde nachträglich deutsch national verfälscht, möglicherweise auch erst in dieser prägnanten Form erfunden. Brandt sprach im November 1989 immer wieder von der europäischen Dimension, die der Fall der Mauer habe, und nahm bewußt Abstand zu dem beginnenden nationalen Taumel. Noch im Dezember zweifelte er an, daß es überhaupt zu einer Wiedervereinigung Deutschlands kommen werde, wie zahlreiche Zeitungsartikel und Interviews aus dieser Zeit zeigen. Die "Berliner Morgenpost" druckte am 11. 11. 1989 halbe Sätze aus einem Hintergrundgespräch mit Brandt. In dem Artikel hieß es: "Man befindet sich jetzt in einer Situation, in der 'wieder zusammenwächst, was zusammengehört. Das gilt für Europa im Ganzen', sagte Brandt." Das ist übrigens der einzige Artikel in der Pressedokumentation des Deutschen Bundestags aus diesen Tagen, der die berühmte Floskel annähernd enthält. Der SPD-Parteivorstand brachte im November 1989 ein Flugblatt heraus, das den Satz als Überschrift enthielt, und dann nur noch und explizit vom "Zusammenwachsen Europas" handelte, nicht Deutschlands. Es schloß mit dem Satz: "Europa hat eine Chance: Wir wollen gemeinsam alles dafür tun, daß es demokratisch und friedlich zusammenwächst." 
Ob Brandt den Satz "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört" in dieser Form überhaupt gesagt hat, war nicht zu klären. Der Satz wird heute als Teil seiner Rede vor dem Schöneberger Rathaus am 10. 11. 1989 zitiert. Doch Tondokumente dieser Rede, die einige Rundfunkanstalten besitzen, enthalten den Satz nicht; das Tonarchiv des "Archivs der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung" hat überhaupt nur Bruchstücke der Rede und ebenfalls nicht diesen Satz. Eine Broschüre mit den Reden vor dem Schöneberger Rathaus am 10. 11. 1989, die die Senatskanzlei Berlin unter dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper wenige Tage später herausbrachte, enthielt die dortige Brandt-Rede und die Reden von Jürgen Wohlrabe, Hans-Dietrich Genscher, Helmut Kohl und Momper; in der Brandt-Rede fehlt auch hier der Satz vom Zusammenwachsen des Zusammengehörigen ganz. Statt dessen steht hier: "Aus dem Krieg und aus der Veruneinigung der Siegermächte erwuchs die Spaltung Europas, Deutschlands und Berlins. Jetzt erleben wir, und ich bin dem Herrgott dankbar dafür, daß ich dies miterleben darf, daß die Teile Europas zusammenwachsen." (Broschüre "Dokumentation Berlin: 'Wir Deutschen sind jetzt das glücklichste Volk auf der Welt", hrsgg. von der Senatskanzlei Berlin - Abt. Information - V E; im Archiv des BIFFF...) 
Ein Wiederabdruck dieser Brandt-Rede, den der Vorstand der SPD unter der Redaktion des heutigen Vorsitzenden der Historischen Kommission der Partei, Bernd Faulenbach, und des damaligen Vorstandsreferenten Martin Stadelmeier in der Broschüre "Materialien: Die deutsche Teilung und ihre Überwindung" Ende 1990 herausbrachte, enthält den Satz, und zwar zwischen die beiden oben zitierten Sätze geschoben. Als Quelle wird hier das Taschenbuch Brandts "...was zusammengehört. Reden zu Deutschland" aus dem SPD-nahen Bonner Verlag J. H. W. Dietz Nachfolger angegeben, das 1990 erschien. 
Unwahrscheinlich ist die Darstellung von Brigitte Seebacher-Brandt zur Entstehung des Satzes, die sie am 18. 12. 1993 in der "FAZ" in dem Artikel "Und zusammenwachsen wird es doch. Willy Brandt und die Idee der deutschen Nation" gab: Brandt habe in der Nacht vom 9. auf den 10. 11. 1989 geschlafen, als das Telefon geklingelt und ein Rundfunkredakteur ihn über die Maueröffnung unterrichtet habe; "drei Stunden später macht er an Bord einer britischen Militärmaschine Notizen für eine Rede: 'Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.'", schrieb Seebacher-Brandt in der "FAZ" - eine glatte Geschichtsfälschung, da Brandt dies damals eben nicht auf die deutsche Nation bezog, sondern auf Europa. Ob der Satz in dieser Form auch am 10. 11. 1989 gesprochen wurde, wie die Partei heute behauptet, schrieb Seebacher-Brandt hier nicht; ob die erwähnte Notiz im Nachlaß Brandts in der zitierten Form überhaupt existiert, muß bezweifelt werden. Vor allem Tilman Fichter tut sich heute hervor zu behaupten, Brandt habe am Tag der Maueröffnung mit diesem Satz visionär die deutsche Einheit vorhergesehen, was in jedem Falle eine Geschichtsfälschung ist. 
Der Satz könnte freilich auch aus der Weltliteratur assoziiert worden sein. Josefine Mutzenbacher schrieb: "... da ich schon einmal obenauf lag, fügte ich rittlings zusammen, was zusammengehörte." (Ungekürzte Ausgabe, München 1970, S. 198.) 
(96) Brandt, W.: Links und frei. Mein Weg 1930-1950, Hamburg 1982. 
Beck, D.: Julius Leber, Berlin 1983. 
Leber, J.: Schriften, Reden, Briefe, hrsgg. von D. Beck und W. F. Schoeller, München 1976. 
Schlabrendorff, F. v.: Begegnungen in fünf Jahrzehnten, Tübingen 1976. 
Ders.: Offiziere gegen Hitler, Berlin 1984. 
Finker, K.: Stauffenberg und der 20. Juli 1944, Köln 1977; vgl. dagegen Falin, V.: Zweite Front. Die Interessenkonflikte der Anti-Hitler-Koalition, München 1995, der Haubachs Hinhaltepolitik noch verschärft darstellt, die Putschisten - und auch Olbricht - insgesamt aber als "Westorientierte" ansieht, die letztlich den USA gedient hätten. Das paßt überhaupt nicht zum Einfluß Niekischs auf die Verschwörer. 
(97) Seebacher-Brandt in "Welt am Sonntag" 2. 10. 1994. 
Mommsen, H.: Der lange Schatten der untergehenden Republik, in: Bracher, K.-D., M. Funke und H.-A. Jacobsen (Hrsg.): Die Weimarer Republik 1918-1933, Bonn 1987. 
Venohr, W.: Patrioten gegen Hitler, Bergisch-Gladbach 1994. 
Brandt, W.: Erinnerungen, Berlin 1989. 
Koschnik/MDR nach: Fernseh- und Hörfunkspiegel des Bundespresseamtes 15. 12. 1992. 
Eröffnungsrede Brandts zum 12. Deutschen Bundestag nach "Das Parlament" 4. 1. 1991. 
Arbeitsgemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten: Widerstand von unten, Bonn o. J. 
Hofgeismarer/Leber nach: Zeimentz-Dokumentation, vgl. Anm. 79. 
"Politischer Rundbrief" Nr. 6, April 1995 
Glotz: "Berliner Zeitung" 23. 1. 1993. 
Scharping: SPD-Pressemitteilung vom 6. 1. 1995. 
(98) Eppler-Rede zum 17. Juni: Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages der Sitzung zum Gedenken an den 17. Juni 1953 vom 17. 6. 1989; Abdruck in "Vorwärts" Nr. 8/1989. 
Eppler, E.: Ein Ehrenplatz in den Geschichtsbüchern, in "MUT" Nr. 309, Mai 1993. 
(99) Zu Canaris vgl. Gietinger, K.: Eine Leiche im Landwehrkanal. Die Ermordung der Rosa L., Berlin 1995. 
Dohnanyi, K. v.: Ja zur Nation, in "Die Zeit" 12. 7. 1991. 
Zu Hans v. D. vgl.: Hoffmann, P.: Widerstand, Staatsstreich, Attentat. Der Kampf der Opposition gegen Hitler, München 1969. 
Dohnanyi, K. v.: Das deutsche Wagnis, München 1990. 
Ders.: Auftrag und Vorbild, in: Gedenkstätte Deutscher Widerstand (Hrsg.): Der 20. Juli 1944. Reden zu einem Tag der deutschen Geschichte, Bd. 1, Berlin 1984. 
Ders.: Das Falsche wollen, in "Der Spiegel" Nr. 28/1994. 
(100) "Seeheimer"-Tagung: "junge Welt" 28. 11. 1994 
"ZaS - Zeitung am Sonntag" 25. 9. 1994: "ZaS exklusiv: Helmut Schmidt: 12 Jahre Kohl sind genug", hrsgg. vom Parteivorstand der SPD. 
Faltblatt "Rudolf Scharping im Gespräch mit Hanns Joachim Friedrichs", hrsgg. vom Parteivorstand der SPD. Sauermann, U.: Ernst Niekisch. Zwischen allen Fronten, München 1980. 
Zu Christophersen vgl. "Die Bauernschaft" Nr. 1/1994. 
Walter, F.: Kanzler Schmidt, die SPD und die Gegenwart, in "Vorwärts" Nr. 5/1994. 
Schmidt, H. (Hrsg.): Zur Lage der Nation, Reinbek 1994. 
Leber, G. und K. Biedenkopf: Solidaritäts-Stiftung des deutschen Volkes, hekt., 1989. 
Schmidt, H.: Handeln für Deutschland, Berlin 1993. 

...Personenregister 

...Inhalt "Rechte Genossen" 

...Eingangsseite