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Mitglieder sitzen als Abgeordnete im Deutschen Bundestag, doch kaum jemand kennt die Sekte:
 
 Führer unser
 
Von Peter Kratz
 
Die "Freireligiösen" sind eine Sekte, die Adolf Hitler zu ihrem Gott erklärte und ein genetisch gereinigtes deutsches Volk
für göttlich hält

(Der Artikel erschien zuerst in KONKRET Nr. 1/1998.)

Was mag sich verbergen hinter dem Adjektiv "freireligiös", mit dem sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. jur. Eckhart Pick aus Mainz als einziges MdB im "Handbuch des Deutschen Bundestages" selbst bezeichnet? In ihrem Mitgliedermagazin "Vorwärts" finden die Sozialdemokraten keine Antwort, obwohl sich das Blatt ansonsten intensiv einem neuen deutschen Thema widmet, der "Sektenpolitik".

Picks Fraktionskollegin Doris Barnett, persönliche Gegenkandidatin von Bundeskanzler Kohl im Wahlkreis Ludwigshafen, bekennt sich nur intern. Wegen ihrer "Freien Religion" fühlt sie sich von Christen verfolgt. In der Zeitschrift der "Freireligiösen", "Wege ohne Dogma" ("WOD"), beklagte Barnett sich während des Wahlkampfs 1994: Weil sie seit früher Kindheit "freireligiös" sei, habe sie sich im Vergleich zu den Christen immer "besonders anstrengen" müssen: "Trotz meiner allgemeinen guten Leistungen in der Schule wurde ich von einigen Lehrern schlechter bewertet als meine Mitschüler." Jetzt wisse sie, was es heiße, einer Minderheit anzugehören. Ein so schweres Schicksal hatten die Freireligiösen nicht immer zu tragen, jedenfalls nicht vor dem 8. Mai 1945. Denn ihre drei größten Ideologen, die auch in den 90er Jahren die organisierte "Freie Religion" inhaltlich prägen, waren stramme Nazis: Wilhelm Bonneß, Georg Pick und Dietrich Bronder, vor 1945 an der Verfolgung von Christen und Juden beteiligt, danach Präsidenten, Ehrenpräsidenten und Bundesgeschäftsführer des "Bundes Freireligiöser Gemeinden Deutschlands" (BFGD), der zusammen mit den offen nazistischen "Deutschen Unitariern", der nazistischen "Germanischen Glaubens-Gemeinschaft" und den Anhängern des Sozialdarwinisten Ernst Haeckel 1949 den "Deutschen Volksbund für Geistesfreiheit" (DVfG) als Nazi-Auffangorganisation gründete; 1992 hat man sich in "Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften" (DFW) umgetauft. Heute sind Eckhart Pick - Georg Picks Sohn - und Doris Barnett die prominentesten und politisch wohl wichtigsten Freireligiösen, schützen die Mitgliedssekten und den Dachverband politisch und juristisch und helfen so, ihrer Propaganda die staatlichen Geldquellen und den Zugang zu den staatlichen Schulen zu sichern.

Prominente SPD-Politiker als Sekten-Paten

Das vordergründige Ziel dieser Verbände ist es, mit den großen Religionen gleichberechtigt zu werden, um auf dieser Basis politische Agitation zu betreiben. In Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hessen haben sie es bereits geschafft: Als Körperschaften des öffentlichen Rechts erheben staatliche Finanzämter die Kirchensteuern dieser Sekten, und ihre Funktionäre halten an staatlichen Schulen Religionsunterricht ab, der aus den Kulturetats der Länder finanziert wird. In den vergangenen Jahrzehnten unterstützten vor allem SPD-Politiker auf Landes- und Bundesebene die "freireligiös-unitarische Bewegung", wie sie sich selbst nennt. Die heutige Präsidentin des DFW, Helga Lewandowski, saß für die SPD im niedersächsischen Landtag. Die SPD-Landesregierung von Niedersachsen unter Ministerpräsident Georg Diederichs und seinem Vize, dem Sozialmister Kurt Partzsch (Mitglied der Freireligiösen), schanzte diesen Sekten Millionen zu: Die Landesregierung schloß 1970 einen Staatsvertrag mit den "Freireligiösen" ab, ähnlich einem Kirchen-Konkordat; von den hier vereinbarten regelmäßigen staatlichen Zuschüssen lebt die Szene bis heute. Die Bundestagsabgeordneten Otto Heinrich Greve und Franziska Striefler (zeitweise Oberbürgermeisterin von Hannover) und der Kasseler Oberbürgermeister Lauritz Lauritzen (ein NS-Jurist, der unter Bundeskanzler Willy Brandt zum Bundesbauminister aufstieg) unterstützten sie schon Anfang der 50er Jahre, als ihre Hauptfunktionäre gerade aus den Internierungslagern der Alliierten für hochrangige Nazis entlassen worden waren. Die heimliche Freireligiöse Käthe Strobel wurde von Kanzler Brandt zur Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit berufen. Die Mitglieder der Freireligiösen und des Bundestages Walter Behrendt, der in den 70er Jahren auch Präsident des Europäischen Parlaments war, und Friedrich Wilhelm Wagner, erst Verteidiger im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß gegen die IG Farben, die Produzenten des KZ-Gaskammer-Giftes Zyklon B, dann Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichtes, sicherten ihre "Gesinnungsfreunde" (so nennen sie sich intern selbst) in der SPD politisch ab. Partzsch hatte als stellvertretender Ministerpräsident Niedersachsens, als Bundesvorsitzender und Ehrenvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt und als Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege eine zentrale Stellung für die Geldquellen der DVfG-Mitgliedsverbände inne, die bis heute - nun als DFW-Mitgliedsverbände - Wohlfahrts-Gelder erhalten, überwiegend aus den Töpfen des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPWV), der ebenfalls in der Bundesarbeitsgemeinschaft sitzt und mit der "freireligiös-unitarischen Bewegung" eng verbunden ist (was die vielen linken lokalen DPWV-Gruppen wie Aids-Hilfen oder Ausländervereine gar nicht wissen). Noch Ende der 80er Jahre hielt auch der frühere hessische Ministerpräsident Holger Börner durch Äußerungen in der Zeitschrift der "Deutschen Unitarier", "unitarische blätter", in Treue fest zu der Sekte. Der niedersächsische Kultusminister Ernst-Gottfried Mahrenholz (später ebenfalls Richter am Bundesverfassungsgericht) unterstützte die Freireligiösen vielfach und besuchte ihre Kongresse, wie noch in den 90er Jahren der hessische Kultusminister Hartmut Holzapfel den "Unitariertag« besuchte, zu dem Ministerpräsident Hans Eichel ein freundliches Grußwort verfaßte. Eichel soll "bestürzt" gewesen sein, als er erfahren habe, was Antifaschisten seit den 50er Jahren wissen: daß der "Unitariertag" immer schon ein schlecht getarntes Nazi-Treffen war. Daraufhin nahm der Bestürzte nicht selbst teil, sondern ließ sich von seinem Kultusminister vertreten.

Ständig wechselnde Namen der Organisationen und ihrer Zeitschriften, Ein- und Austritte bei den Dachverbänden, dann wieder Personalunionen - was wie Sektenstreiterei erscheint, macht die Szene nach außen unübersichtlich und auch für den Verfassungsschutz schwer durchschaubar. Tatsächlich findet man hier aber seit den 30er Jahren immer dieselben Personen und ihre immer gleichen, nur durch Wortwahl variierten Ideen. Die Hamburger Innenbehörde räumte auf eine Kleine Anfrage der GAL-Abgeordneten Anna Bruns ein, daß in den letzten Jahren im "Haus der Deutschen Unitarier" die rechtsextremistische Organisation "Gesellschaft für freie Publizistik" tagte, die der Verfassungsschutz seit langem beobachtet, und der nazistische "Freundeskreis Filmkunst" um Jürgen Rieger und den NS-"Reichsfilmintendanten" Fritz Hippler dorthin zu ihren Versammlungen einlud. Man hätte vorher wissen können, um wen es sich bei dieser "Bewegung" handelt, hatten doch die "unitarischen blätter" bis in jüngste Zeit ganz offen ihre Ideologie aus dem "Kirchenkampf" der Nazis abgeleitet und die Zeitschrift der Freireligiösen, die mal "Freie Religion", mal "Der Freireligiöse", mal "Der Humanist" hieß und neuerdings den Titel "Wege ohne Dogma" trägt, immer wieder Texte von Georg Pick, Bronder und Bonneß abgedruckt. Picks Bücher werden bevorzugt in den Antiquariaten und Buchvertrieben der Neonazis feilgeboten.

SPD-Politiker Eckhart Pick verteidigt Freireligiöse

Trotzdem verteidigt sein Sohn Eckhart Pick - von Gerhard Schröder 1998 zum Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesjustizministerium berufen - die Sekte, und Doris Barnett - seit 1998 Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung - präsentiert sich 1994 selbst voller Stolz als religiöse Schülerin von Wilhelm Bonneß, von dem sie in den 60er Jahren die "Jugendweihe" erhalten habe. Bonneß gehörte mit Georg Pick und anderen zu den Köpfen des Nazi-"Kirchenkampfes", der den Antisemitismus mit der Agitation gegen das "jüdische Christentum" verband und eine "arteigene germanische Religion" propagierte.

Diese nationalsozialistische "Religion der freien Deutschen" (Pick) sollte nach dem Endsieg an die Stelle des Christentums treten, das die Freireligiösen gleich mit dem Judentum und den Juden Europas "ausmerzen" wollten. In der Zeitschrift "Deutscher Glaube", die von führenden SS-Leuten wie den Rassetheoretikern Hans F. K. Günther und Lothar Stengel-von Rutkowski herausgegeben wurde, lobte Bonneß - beruflich Wehrmachtspsychologe, später dann "Landesprediger" der pfälzischen Freireligiösen - 1942 die "nationalsozialistische Rassenerkenntnis": "Arteigen aber sind die auf Erbanlagen und Erbgütern beruhenden Lebenskräfte und Lebensformen, die hinter allen volkskundlichen Erscheinungen, Gegenständen und Handlungen stehen: ihre Erkenntnis, ihre Vergleichung und Abwägung gegenüber fremdem Geist und Wesen ermöglicht die 'Pflege und Entfaltung der arteigenen Kräfte auf der einen Seite, die Ausmerzung der artfremden auf der anderen'", so zitierte Bonneß zustimmend einen Nazi-"Volkskundler". Dann fuhr er mit eigenen Worten fort: "Hier werden jene aufstehen, die schon immer die Gegner einer wahren Volkseinheit waren, jene Kreise, ... die es als Gefahr ansehen, wenn in dem bisher vorwiegend von ihnen gedeuteten und gehüteten Volksgut ein neuer Beweis für die Richtigkeit nationalsozialistischer Rassenerkenntnisse gefunden wird." Etliche der Herausgeber und Autoren der Zeitschrift "Deutscher Glaube« bestimmten - bis heute - die Ideologie der "Deutschen Unitarier", die gemeinsam mit den Freireligiösen den Sekten-Dachverband DFW dominieren. Der Gründer von "Deutscher Glaube" und - neben Alfred Rosenberg - maßgebliche Ideologe des "Kirchenkampfes" der 30er Jahre, Wilhelm Hauer, später eine Art "Unitarier"-Papst, wurde auch von den "Freireligiösen« in "WOD" 1993 im Vergleich zu christlichen Nazis positiv dargestellt; angesichts seiner nach 1945 fortgesetzten rassistischen Agitation und des Vorwurfs gegen ihn, er sei unfähig gewesen zu trauern, fragte "WOD" scheinheilig: "Worüber hätte Hauer trauern sollen?"

Hitlers Wille als Wille Gottes

In den 30er Jahren war Hauer in Personalunion Chef des BFGD und der "Deutschen Glaubensbewegung", eines Zusammenschlusses von Nazi-Sekten ("Wir stehen mit dem Führer auf dem Boden des Dritten Reiches. Wir stehen in einem Deutschen Glauben, der seine Richtlinien aus dem religiösen Erbgut des deutschen Volkes nimmt"), die dem NS-Staat einen religiösen Überbau geben wollten und die dann 1949 - zum Teil unter neuen Namen - den DVfG als Ersatz gründeten. Noch im November 1944 - Aachen war bereits befreit - hatte Hauer geschrieben: "Ich kann meinen Glauben nicht trennen vom Schicksal meines Volkes, und ich hoffe, daß das, was ich zu sagen habe, dazu dient, daß auch die politischen Entscheidungen die richtigen werden, daß im Willen Adolf Hitlers in der Tat der Wille Gottes zum Ausdruck kommt. ... Heil Hitler! gez. Hauer." Redaktionsleiter der Zeitschrift "Deutscher Glaube« und Mitbegründer der "Deutschen Unitarier" war der spätere rechtsextremistische Verleger Herbert Grabert. Autoren des Grabert-Verlages wurden noch in den 80er Jahren von Organisationen der "freireligiös-unitarischen Bewegung" als Redner eingeladen, die "Ehrenpräsidentin" der "Deutschen Unitarier", Sigrid Hunke, war zur selben Zeit Autorin des Verlags; noch in den 90ern bezog man sich in "WOD" positiv auf sie.

Bonneß betonte in den 70er Jahren in "Der Humanist" weiterhin die Verschiedenheit der menschlichen Rassen und schrieb bewundernd über Friedrich Nietzsche, den die SS in "religiösen" Feierstunden zu einem ihrer Götter gemacht hatte. "Und lieber verzweifelt, als daß ihr euch ergebt", so zitierte Bonneß "die Botschaft Friedrich Nietzsches" für seine Alten Kameraden im "Humanist" 1979. Der Tübinger Religionswissenschaftler Hubert Cancik hat den Nazi-Nietzsche-Kult als eine antichristliche, antijüdische "moderne pagane Religion" analysiert, die von "kämpferischer, elitärer Weltanschauung" geprägt gewesen sei; das Weimarer Nietzsche-Archiv sei selbst auch ein "Zentrum der nationalsozialistischen Bewegung und ihrer Weltanschauung" gewesen, gefördert vom thüringischen NSDAP-Gauleiter Fritz Sauckel, den die Alliierten als einen der Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg hinrichteten. Und ausgerechnet Sauckels enger Vertrauter Lothar Stengel von Rutkowski (SS-Nr. 3683, beruflich als Mediziner im Rasse- und Siedlungsamt der SS Thüringen beschäftigt, dann bei der Waffen-SS) war bis in die 80er Jahre Autor in den "freireligiösen« und "deutsch-unitarischen" Zeitschriften, aber auch in denen der zahlreichen "nordischen" Organisationsgründungen Jürgen Riegers, wurde vom "Humanist" zu seinem siebzigsten Geburtstag mit einem langen Artikel geehrt und sprach noch in den 90ern auf einer "Unitarier"-Veranstaltung in Kassel - zur Gentechnik. Stengel-von Rutkowski hatte nach 1945 in der Gesundheitsverwaltung des SPD-regierten Landes Hessen Karriere gemacht. Barnetts Lehrer Bonneß war nicht nur Präsident und Ehrenpräsident des BFGD, wofür er das Bundesverdienstkreuz erhielt und 1995 in "WOD" mit einem flammenden Nachruf bedacht wurde, er führte auch lange die BFGD-Zeitschrift "Der Humanist« und bestimmte gemeinsam mit dem BFGD-Bundessekretär (Generalsekretär) Dietrich Bronder die Linie des Blattes.

Von Menschen und Untermenschen

Als dieses noch "Der Freireligiöse" hieß und von Bonneß allein verantwortet wurde, forderte hier der DVfG-Präsident Gerhard von Frankenberg (vor 1933 Landtagsabgeordneter der SPD) ein Fortpflanzungsverbot für weniger "wertvolle Individuen": "Da wir nun einmal gezwungen sind, die Bevölkerungsziffern zu begrenzen, sollten wir zu erreichen suchen, daß möglichst viel gesundes Erbgut erhalten bliebe. ... Die Drohung der Masse, der gute Denkgewohnheiten fehlen, stellt uns vor eine gewaltige Erziehungsaufgabe. ... Falsch aber wäre es, sich dabei auf die Einsicht der in Frage kommenden Personen zu verlassen. Das würde vielmehr zu einer 'Gegenauslese' der Gleichgültigen, Törichten und Verantwortungslosen führen; denn die würden fortfahren, sich fortzupflanzen, während die wertvollen Individuen ihre Kinderzahl beschränkten. Ganz ohne Beschränkung der persönlichen Freiheit geht es in solchen Fällen nicht." Die Sätze stammen aus Frankenbergs Rede auf einem europäischen Kongreß der Freireligiösen, der 1968 in Hannover unter dem Titel "Der Schutz des Lebens und seine menschliche Erfüllung" stattfand. "Der Freireligiöse" dokumentierte den Kongreß. Niedersachsens SPD-Sozialminister Kurt Partzsch überbrachte damals die Grußworte der Landesregierung, und der damals europaweit prominenteste Sozialdemokrat, Sicco Mansholt (Vizepräsident der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG und später ihr Präsident), hielt die Festrede gegen den "Mamama-ismus (Marx-Mao-Marcuse)" der Studentenbewegung.

Eugenik und Euthanasie

Der Schritt von der Eugenik zur Euthanasie ist klein, die Freireligiösen sind ihn gegangen. In den 70er und 80er Jahren war "Der Humanist" - in dem nun auch eine frühere NPD-Größe wie Peter Bahn lange Artikel schrieb und in dem Werbung für Schriften des Mitbegründers der "Kieler Liste für Ausländerbegrenzung", Fritz Castagne, gemacht wurde - voll von Euthanasie-Propaganda und von Werbung für die "Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben". Deren Chef Hans Henning Atrott war zeitweise auch Chef des BFGD-Mitgliedsverbandes "Freireligiöse Landesgemeinde Bayern", eifriger "Humanist"-Autor und wurde 1990, als die öffentliche Debatte um seine Person begann, vom "Humanist" vehement verteidigt. 1994 beschloß der DFW eine "Erklärung zum Humanen Sterben" und forderte in einer begleitenden Presseerklärung, die niederländische Euthanasie-Regelung in Deutschland einzuführen; "WOD" als das Organ der Freireligiösen verbreitete den Text. Das "humane Sterben" stand in einer politischen Kontinuität: Im Präsidium des DFW, das die Erklärung beschloß, saß 1994 der langjährige Präsident der "Deutschen Unitarier", Horst Prem, beruflich Chef der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Daimler-Benz-Tochter Dasa. Als "Unitarier"-Chef hatte Prem den SS-Offizier Albert Hartl (einst unmittelbarer Vorgesetzter Adolf Eichmanns im Reichssicherheitshauptamt der SS, dann ein führender Ideologe der "Deutschen Unitarier«) 1982 in einem Nachruf zum "Wegweiser" der Unitarier erklärt Hartl hatte sich in den Euthanasie-Prozessen der Nachkriegszeit selbst gerühmt, maßgeblich am Zustandekommen des NS-Euthanasieprogramms beteiligt gewesen zu sein, erst durch seine Aktivitäten sei der angeblich zögerliche Hitler überzeugt worden, die T4-Aktion zur Ermordung Behinderter zu starten. "WOD" warb auch 1996 noch für Propagandaveranstaltungen Prems. Der langjährige Bundessekretär des BFGD, Dietrich Bronder - einer SS-Familie entstammend, wie er 1990 in seinem Buch "Bronders Weltpanorama" bekannte, selbst SA- und NSDAP-Mitglied, in einem Lager der Alliierten für Nazi-Funktionäre inhaftiert, dann hauptberuflich Parteisekretär der SPD in Niedersachsen, bevor ihn ein Mitglied des SPD-Bezirksvorstandes Hannover, Albert Heuer, der Gründer des DVfG, für den BFGD abwarb, dann Schützling des SPD-Bundesministers für innerdeutsche Angelegenheiten und hannoveranischen SPD-Bezirksvorsitzenden Egon Franke - Bronder also schrieb in seinem "Weltpanorama" zur NS-Euthanasie: "Ich war und bin ein Verfechter der Euthanasie und des Gnadentodes, und zwar aus humanitären Gründen, die allerdings nicht nur für die Opfer, sondern in erster Linie für die betroffene Umwelt zu gelten haben." Bei der T4-Aktion sei er "sehr dafür" gewesen, schrieb er 1990 weiter, "weil ich meine, daß der Mensch souverän genug ist, seine eigenen Gesetze zu machen, und wenn's not tut auch gegen seinesgleichen. Und hier tat es not. Täglich setzten ganze Divisionen junger Männer ihr gesundes Leben für das Vaterland ein. Mit welchem Recht füttern wir die Krüppel weiter, die immer mehr werden, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, heute weit über eine halbe Million in der BRD? Sicher nicht nach dem Recht der Natur, die mit ihren Mitgestalten anders umgeht: sie wirft sie einfach aus dem Nest, weil das Kranke, geistig und körperlich Mißgebildete kein Lebensrecht hat." Man kann sich denken, was gemeint war, wenn "Der Humanist" in den 70er und 80er Jahren unter Bronders Führung immer wieder für "Euthanasie" und "Sterbehilfe" warb; man kann sich nun auch denken, was der DFW und sein Blatt "WOD" meinen, wenn sie eine "Erklärung zum Humanen Sterben" verbreiten. Bronder war in den 80er Jahren wegen des angeblichen Verrats der SPD an der nationalen Sache zur CDU übergetreten, 1990 wegen seines "Weltpanoramas" jedoch aus der CDU wieder ausgeschlossen worden. Das Buch selbst enthält ungeschminkte Bekenntnisse zur europäischen Auschwitzleugner-Szene, zur konkurrierenden antisemitischen Ludendorff-Sekte, zur NSDAP und der Politik Nazi-Deutschlands, zu rechtsextremistischen Parteien wie NPD oder DVU; es rechtfertigt die Nazi-KZ als notwendige Mittel zum deutschen Endsieg: "Schwarze Schafe gibt es wohl überall, die man selektieren muß, um die anderen nicht anzustecken"; "alle, die den Sieg behindern konnten, wie Miesmacher und Meckerer, Saboteure, Diebe, Abhörer von Feindsendern, Frauen, die sich mit Fremdarbeitern einließen, Homosexuelle usw. Heute macht man ein großes Geschrei um diese Leute. Aber einen Krieg gegen diese Übermacht von Feinden konnten wir nicht führen ohne eine straffe Disziplinierung unseres Volkes. Und wer da zuwider handelte, obwohl er um die Verbote und die Strafen wußte, der mußte die Konsequenzen tragen." Über einen evangelischen Vorsitzenden der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) schrieb Bronder 1990: "Nachdem ich diesen Menschen gesehen und gehört hatte, war mir klar, daß er ins KZ kommen mußte. Man wollte uns schon damals vor ihm schützen." Bronders Buch verschwand sehr schnell wieder vom Markt. Heute gibt es noch eine Handvoll Bibliotheken, die es öffentlich ausleihen; wegen der zahlreichen, Jahrzehnte währenden Querverbindungen, die Bronder ganz offen zugibt, ist es eine Fundgrube antifaschistischer Recherche. Die "Freireligiöse Gemeinde Mainz" (FGM) aber, der SPD-MdB Eckhard Pick angehört, begründete 1995 in "WOD" mit einem Text Bronders über "Natur" und "Naturreligion" ihre eigene "Religiösität".

Nazi-Schriften weiterhin aktuell in den 90er Jahren

Das ist nicht verwunderlich, denn die einzige "Pfarrerin" der FGM, Elke Gensler, leitete schon 1992 in "WOD" aus einer der radikalsten NS-Schriften Georg Picks, seinem Buch "Die Religion der freien Deutschen" (1937), die Weltanschauung der Sekte ab: "Seine (Georg Picks) Persönlichkeit hat die Entwicklung der Gemeinde in den langen Jahren seines Wirkens maßgeblich geprägt. Die Kraft seiner Rhetorik, sein Charisma, die innere Leidenschaft seines religiösen Wollens", so Gensler 1992, "machten viele seiner Vorträge zu einem Erlebnis." Auch nur einen einzigen Satz der Kritik sucht man vergebens. Und bis heute ist der 1972 verstorbene Georg Pick, der die FGM von 1922 bis 1966 selbst als "Pfarrer" führte, nicht nur die überragende ideologische Leitfigur der "Freireligiösen", sondern wird auch immer wieder in "WOD" mit Artikeln, Reprints und Werbeanzeigen für seine Schriften geehrt, die sein Sohn Siegfried zum Teil neu herausgibt. Das Buch Die Religion der freien Deutschen, dessen gesäuberte Fassung bis heute zu den Grundlagentexten der Sekte gehört, wie der Gensler-Artikel in "WOD" zeigt, kann man in der Mainzer Stadtbibliothek lesen: "Alle verantwortlichen Glieder des Volkes ordnen sich zu einer echten Aristokratie, an deren Spitze der Führer steht, dessen Gestalt ihnen heilig ist als die Verkörperung des Willens der ganzen Nation", so hatte Pick dort seine "Religion" beschrieben.

"Und so bricht als erster. alles andere in sich einschließender Impuls das Gelöbnis der Treue aus ihnen hervor. und das Erheben der Rechten und der Heilruf auf den Führer ist wie ein Gebet, in dem ihre eigene göttliche Sehnsucht sich mit dem göttlichen Wesen ihres Volkes begegnet. · Nichts ist für den Deutschen so gotterfüllt wie sein Volk, in seinem erwählten Führer aber erkennt er die stärkste Sammlung der Kräfte seines Volkes. Hinter dem Ich des Führers steht die Seele des Volkes, die jedem Deutschen tiefster Lebenswert ist. Darum ist die rückhaltlose Unterwerfung unter seine Autorität der Akt der höchsten Freiheit, die dem Deutschen erreichbar ist, die unmittelbarste Vermählung des individuellen Willens mit dem Mysterium des Volkes." - "Das elementare Geschehen des Jahres 1933 hat in Deutschland die Bahn dazu geöffnet. Der Nationalsozialismus erfüllt schon in seinem Namen die Forderung des Lebens", deshalb müsse jeder "Volksgenosse" bereit sein, "aus dem Ganzen und für das Ganze zu leben und zu sterben. ... In diesem Augenblick bin ich nicht mehr Mensch, sondern Gott". Die Selbstvergöttlichung ihrer Mitglieder ist der - offenbar auch für SPD-MdB attraktive - Kern der "Freien Religion". Man versteht diese eigene Göttlichkeit ausdrücklich nationalistisch und rassistisch, wie es Georg Pick 1937 schrieb: "Deutsches Volk, gleich den alten Griechen in ihrer großen Zeit wirst du ein Herrenvolk sein, vorbildlich und gesund an Körper und Geist."

"Religions"-Unterricht im Nazi-Geist

Die "Pfarrerin" Elke Gensler, die an staatlichen Schulen in Rheinland-Pfalz "Religionsunterricht" für die Kinder der "Freireligiösen" erteilt, zitierte ihre "Religion« noch 1992 ohne jede Kritik aus diesem Buch. Auch "die Verhütung erbkranken Nachwuchses, die Ausschaltung aller ungesunden Erbmasse, eine aus Ehrfurcht vor dem Leben, aus Verantwortung vor der Gottheit ergriffene Maßnahme, für die einst ein gesundes Volk den Gesetzgebern von heute danken wird", befürwortete Pick 1937 und erklärte auch gleich noch die "Polizeigesetze" Nazi-Deutschlands explizit für "göttlich". Nur wenig verändert, gestrafft und um die allzu peinliche Hitler- und NS-Vergöttlichung gereinigt, brachte Pick dieses Buch 1966 erneut heraus, seiten- und kapitelweise mit identischem Text, und bis heute wird diese Neuauflage von seiner Sekte und ihrer "Pfarrerin" zur Lektüre empfohlen. Man wahrt Kontinuität bis ins Detail. Der "verantwortliche Redakteur" von "WOD", Eckhart Pilick aus Ludwigshafen (vorher Chef der Zeitschrift "Freie Religion", ein guter Bekannter der Ludwigshafener SPD-Abgeordneten Barnett), hatte 1992 in "WOD" Georg Pick und auch den Eugeniker Gerhard von Frankenberg als bedeutende Vordenker bezeichnet und das Verbot des Alten Testaments herbeigewünscht, weil es angeblich die Gewalt verherrliche und deshalb unter den Paragraphen 88a des Strafgesetzbuches fallen müsse. In den 80er Jahren hatte er in "Freie Religion" noch die alte Parole der völkischen Bewegung des 19. Jahrhunderts und der "deutschgläubigen" rechtsextremistischen Sekten der 20er Jahre gegen die christlichen Kirchen als selbstverständlichen Bezugspunkt wieder angeführt: "Los von Rom!", eine Parole, die die Völkischen nicht antiklerikal, sondern antisemitisch meinten. Pilicks Zeitschrift "WOD" ist heute das offizielle Organ der "Freireligiösen".

Die Dachverbände BFGD und "Freie Religionsgemeinschaft Rheinland" (die rheinhessische Extra-Sekte des Pick-Clans, in der sich einige lokale "Freireligiöse Gemeinden" aus dem Mainzer Umland zusammenschlossen und in die die FGM ihre Körperschaftsrechte als lukrative Mitgift einbrachte) fungieren als gemeinsame Herausgeber des Blattes. In "WOD" schreibt auch Margarete Dierks. In den 30er Jahren verteidigte sie die Nürnberger Rassegesetze, in den 50ern trat sie mit der Riege der Nazi-Dichter bei den rechtsextremistischen "Lippoldsberger Dichtertagen" auf, in den 80ern schrieb sie die Biographie Wilhelm Hauers, mit dem sie lange eng zusammenarbeitete. 1993 hatte einer der Topfunktionäre dieser Sekten, Erich Satter, der sich ebenfalls als Schüler von Wilhelm Bonneß versteht, lange Zeit die Werksdruckerei der IG Farben-Nachfolgerin Höchst AG leitete und in "WOD" seine Weltanschauung auf die "Praktische Ethik" des Euthanasie-Befürworters Peter Singer stützt, Antifaschisten vorgeworfen, "kulturelles Aids" zu verbreiten und damit die Presse zu "infizieren". Deren "Informations-Immunsystem" sei bereits beeinträchtigt.

PS. SPD-MdB Eckhart Pick, Professor für bürgerliches Recht an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Chef der Mainzer SPD, Mitglied des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages und 1998 bis 2002 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium, versuchte seit 1997, einschlägige Äußerungen über seine Sekte verbieten zu lassen - die Kandidatenaufstellung zur nächsten Bundestagswahl stand an. Das ist ihm mit Hilfe des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz, des Sozialdemokraten Georg Bamberger, teilweise und vorläufig auch gelungen. Bamberger gehört wie Pick zu den führenden Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen ASJ. Der Fall selbst aber ist weiterhin anhängig.

(1998)

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