Januar 1999:
Skandal um Prenzlauer-Berg-Museum ausgeweitet:
 
"Humanismus" in Nazi-Tradition
 
Rassistischer Chefideologe des HVD hält Andersdenkende für "Irrläufer der Evolution" und sieht seine Anhänger auf der Evolutionsleiter schon eine Stufe über den Normalmenschen ---
Direkter Bezug auf den Nazi-Agitator Wilhelm Hauer ---
Herrenmenschen-Indoktrination auch im HVD-"Lebenskunde-Unterricht" an Berlins Schulen? ---
Juden raus!-Parolen bei den Stars der Freireligiösen-Ausstellung des Prenzlauer-Berg-Museums ---
Alfred Rosenberg als Freireligiösen-Vordenker aufgeführt

Der Skandal um die Freireligiösen-Ausstellung des Prenzlauer-Berg-Museums weitet sich immer mehr aus. Jetzt fanden wir in öffentlichen Bibliotheken erneut Texte von Personen, die in der Ausstellung als progressive Identifikationsfiguren vorgestellt werden, obwohl sie in den 30er Jahren forderten, die "Judenbibel" müsse aus dem Schulunterricht verschwinden: "Nicht zu Juden, nicht zu Bibelchristen sollen deutsche Kinder erzogen werden, sondern zu lebensfrohen, sittenstarken Menschen, die ihrem Volk und deutschen Idealen ihr Leben weihen", schrieb Georg Kramer 1937 in der Freireligiösen-Zeitschrift "Deutsches Werden". "Der größte Teil der Lehrerschaft will befreit werden von den alten Judengeschichten im Schulunterricht", schrieb Kramer, "diesem Krebsschaden im deutschen Schulwesen"; man dürfe nicht länger "von christlichen Priestern hypnotisiert" werden. 1998/99 stellt das Prenzlauer-Berg-Museum scheinbar unverfängliche Kramer-Texte als Fotokopien zum Nachlesen kommentarlos aus; daß derselbe Kramer ein Vordenker der Judenverfolgung war, verschweigt das Museum.

Der im Ausstellungskatalog des Kulturamtes Prenzlauer Berg auf Seite 64 als "aktivster Streiter" der Freireligiösen positiv gewürdigte Carl Peter - in Wahrheit ein radikaler Nationalsozialist und Verleger von "Deutsches Werden", was die Ausstellung jedoch verschweigt - brachte Ende 1933 die Schrift "Der Bund freireligiöser Gemeinden Deutschlands. Eine Gemeinschaft der Deutschgläubigen" heraus, auf deren Rückseite er den "Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Schulung und Erziehung der NSDAP" Alfred Rosenberg zu den "namhaften Schriftstellern und Vertretern eines deutschen Glaubens" zählt, neben den Nazi-Agitatoren Ernst Bergmann (später Chef der Freireligiösen), Arthur Drews, Ludwig Fahrenkrog, Wilhelm Hauer, Graf Ernst zu Reventlow, Hermann Wirth und anderen, die hier wie Alfred Rosenberg namentlich aufgeführt sind. Diese Schrift fanden wir jetzt in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin (als "Volkstümliche Reden und Schriften" unter der Bibliotheks-Signatur Cq 10658). Als die Schrift 1933 erschien, war die Berliner Freireligiöse Gemeinde Mitglied des Bundes freireligiöser Gemeinden unter Peter. Es ist also erneut aus dem Bestand der Staatsbibliothek beweisbar, daß die Berliner Freireligiöse Gemeinde tatsächlich zum radikalsten Teil des Nazismus zählte, der sich auf Alfred Rosenbergs Buch "Der Mythus des 20. Jahrhunderts" berief, den Nazismus als Religion und schließlich sogar Adolf Hitler als Gott ausgab. Die Ausstellung des Kulturamtes Prenzlauer Berg, der Freireligiösen Gemeinde und des Humanistischen Verbandes, die zur Zeit im Prenzlauer-Berg-Museum zu sehen ist, will jedoch darüber hinwegtäuschen.

Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD), Mitveranstalter der Ausstellung und mit seinem "Lebenskunde-Unterricht" angeblich zweitgrößter Anbieter des Religions- und Ethik-Unterrichts an den staatlichen Berliner Schulen (nach der Evangelischen und noch vor der Katholischen Kirche), ist selbst in rassistische und nazistische Agitation verstrickt. Wie eine Auswertung der HVD-Zeitschrift "Diesseits" jetzt ergab, ist der Autor Hubertus Mynarek - der sich selbst positiv auf den Führer der nazistischen "Deutschen Glaubensbewegung" der 30er Jahre, Wilhelm Hauer, bezieht und persönlich in den 70er und 80er Jahren als Agitator bei den nazistischen "Deutschen Unitariern" und bei den "Nationalrevolutionären" mitmischte - heute offenbar der Chefideologe des HVD: Er ist inzwischen nicht nur Mitglied des HVD, sondern gehört auch zu den Hauptautoren von "Diesseits"; seine unsäglichen sozialdarwinistischen Bücher werden in "Diesseits" immer wieder angepriesen. Gleich zwei der nur vier "diesseits"-Hefte aus 1998 preisen sein Buch "Ökologische Religion" von 1986 als eine Grundlage des "Humanismus" des HVD an. In dem Buch vergöttlicht Mynarek die Evolution und den biologischen Kampf ums Dasein; die Anhänger des "Judaochristentums" und der angeblich darauf fußenden "Naturvernutzung" erklärt er kurzerhand zu "Irrläufern der Evolution" (S. 159), die im Kampf ums Dasein der Vernichtung anheimfallen werden, und von den Anhängern seiner selbst erfundenen "Ökologischen Religion" behauptet er hier, sie seien "der Sinn der Erde, der Evolution" (S. 159), die Herrenmenschen des kommenden ökologischen Zeitalters: "Der nächste Schritt der Evolution dürfte darin bestehen, uns dieser Verbundenheit (mit dem Mythus Natur) in leuchtend und eindringlich klarer Weise bewußt zu werden. ... Ökologische Religiösität greift diesem Evolutionsprozeß zunehmender Bewußtwerdung der Einheit des Menschen mit der Natur schon voraus" (S. 115/116). "So ist der öko-religiöse Mensch ... der eigentliche Vollender der Sinngestalt der Natur" (S. 171), ohne Mynareks verquaste "Öko-Religion" dagegen "erreicht der Mensch nicht seine eigentliche Bestimmung, seinen eigentlichen Wert" (S. 171), alle Andersdenkenden sind wertlose biologische "Irrläufer". Religiösität - so meint Mynarek 1986 wie Rosenberg 1930 - liege im Mythus Blut, "etwas, das in den genetisch-biologischen Anlagen des Menschen verankert ist" (Mynarek S. 157), areligiöse Menschen sind demnach wohl Erbkranke. Mynarek schwärmt hier auch vom "sozialhierarchischen Aufbau der Natur" (S. 60), führt "die bekannten Ameisen- und Bienenstaaten" (S. 61) als vorbildlich an und schließt politisch: "Dann ist die Annahme nicht abwegig, der Natur liege es auch an der Herbeiführung der richtigen oder besten Staatsverfassung ... In dieser Hinsicht ist die Natur auch politisch" (S. 212).

Welche Politik gemeint ist, konnte man sich schon nach Mynareks Buch "Orientierung im Dasein" denken, das er 1979 für die "Jugendarbeit" der nazistischen "Deutschen Unitarier" schrieb. Hier erklärte er den Nazi-Agitator und SS-Mitglied Wilhelm Hauer, der in den 30er Jahren das Judentum und das Christentum als "rassefremd" aus Deutschland vertreiben wollte und sowohl die "Deutsche Glaubensbewegung" als auch kurzzeitig den "Bund freireligiöser Gemeinden" zum Aufbau einer "arischen" Religion führte, zu "einer der bedeutendsten Größen der Religionswissenschaft des 20. Jahrhunderts" (S. 83). Schon 1977 hatte Mynarek sich in dem Buch "Religion - Möglichkeiten oder Grenzen der Freiheit?" auf Hauer und auf die neonazistische "Religionswissenschaftlerin" Sigrid Hunke gestützt - es ist tatsächlich immer dieselbe Nazi-Szene, die man bei Freireligiösen und "Humanisten" antrifft. Für die Sekte "Universelles Leben/Heimholungswerk" empfand Mynarek schon 1985 "Sympathie", das evangelische "Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt" porträtierte ihn 1986 unter der Überschrift "In der Tradition von Blut und Boden", bei den "Christen bei den Grünen" versuchte er vergeblich zu landen und blitzte ab - aber 1998 ist er endlich Chefideologe des HVD. In "diesseits" vom Dezember 1998 erklärt Mynarek, daß "schwerkranke Menschen" in seiner biologisch-religiösen Hierarchie unterhalb der "gesunden Pflanze" stünden; und Gita Neumann, die beim HVD "den Bereich Patientenbegleitung verantwortet", forderte schon 1993 in "diesseits", den Begriff "lebensunwertes Leben" endlich wieder aus der Tabuzone zu holen, bezogen auf Menschen, nicht auf Pflanzen.

Die Frage drängt sich auf: Verbreitet der HVD die Herrenmenschen-Agitation seines Chefideologen auch an den staatlichen Schulen Berlins? Was findet eigentlich tatsächlich im "Lebenskunde-Unterricht" des HVD statt? Wird die HVD-Tätigkeit an den Schulen von unabhängigen Stellen kontrolliert oder kann hier jeder drauflos agitieren? Mynareks Ideen einer neuen "öko-religiösen" Herrenrasse und der Geschichtsrevisionismus der Ausstellung im Prenzlauer-Berg-Museum lassen das Schlimmste vermuten.

Dazu meint Peter Kratz, Leiter des BIFFF... e.V.: "Wer eigene Nazi-Traditionen verschweigt und gleichzeitig Andersdenkende als 'Irrläufer der Evolution' bezeichnet, macht klar, daß er nichts gelernt hat und wohl auch nichts lernen will. Hier werden die Grundlagen für neue Vernichtungsaktionen gelegt. Die Rede von Menschen als 'Irrläufern der Evolution', nur weil sie nicht in die eigene Weltanschauung passen, disqualifiziert den HVD, weiterhin Kinder und Jugendliche an Berliner Schulen zu unterrichten."                                      (Januar 1999)
 
...Bezug: HVD-Ausstellung über Freireligiöse Gemeinde Berlin
 

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