Der "Provokateur"
Theo van Gogh
als Antisemit

Der jüdische niederländische Schriftsteller Leon de Winter
schrieb in "Die Welt" vom 27. 11. 2004:

"Ich hatte mir einmal vorgenommen, ein gutes Glas Wein auf die Nachricht vom Tode Theo van Goghs zu trinken. Für mich war er von jeher ein widerlicher Mensch. Sein erster Angriff gegen mich datiert vom September 1984. Damals verteilte er beim Niederländischen Filmfestival ein Blättchen mit einem Artikel, in dem er mich verbal niederzumachen suchte. Und seither verfolgte er mich und meine Frau mit seinem Gehetze.

So etwas kann stark machen, will ich mal sagen. Ich immunisierte mich gegen seine Attacken, aber ab und zu durchbrachen sie leider doch den Schutzpanzer. Etwa als er in einem viel gelesenen Amsterdamer Studentenblatt schrieb, meine Frau und ich könnten erst miteinander schlafen, wenn sie Stacheldraht um meinen Penis gewickelt hätte. Und ich würde dann auf dem Höhepunkt "Auschwitz! Auschwitz!" rufen. Der Vater meiner Frau hatte Auschwitz überlebt.

Faszinierend bei solchen Angriffen ist das tiefe Schweigen im Umfeld. In der Redaktion des Studentenblatts war keinem aufgefallen, was van Gogh anrichtete. Beistand kam in all den Jahren praktisch nur von Juden; Kollegen blieben bis auf wenige Ausnahmen stumm. So hat van Gogh bei mir einen Hang verstärkt, den ich schon von Natur aus hatte: Ich habe mich seit seinen ersten Injurien aus literarischen und cineastischen Kreisen zurückgezogen."

Leon de Winter in "Die Weltwoche" Nr. 46/2004:

"Wie der von ihm bewunderte Fortuyn, war auch van Gogh ein unerschrockener Provokateur, der für Meinungsfreiheit eintrat und keinerlei Rücksicht auf Tabus und soziale Codes nahm. Ich weiss aus eigener Erfahrung, was es hiess, Objekt seiner Schmähungen zu sein. Er konnte vulgär und scharf sein, und er hat mich mehr als einmal beleidigt. Nachdem ich 1984 einen Film gedreht hatte, warf er mir vor, mein «Jüdischsein zu vermarkten», obwohl in dem Film keine einzige jüdische Figur vorkam. Über jüdische Schriftsteller oder Filmemacher konnte er beispielsweise witzeln: «Hey, es riecht nach Caramel, hier wird bestimmt ein jüdischer Diabetiker verbrannt.» Fast zwanzig Jahre dauerten seine Angriffe. Van Gogh beschränkte sich aber keineswegs auf jüdische Themen. Er konnte ebenso christliche Werte und Symbole attackieren, und nach der Ermordung Pim Fortuyns, der vor einem Konflikt zwischen der offenen niederländischen Gesellschaft und der wachsenden muslimischen Bevölkerung gewarnt hatte, nahm er den Islam aufs Korn."

Wie gehabt seit 1945: Nazis für Redefreiheit

Die britische Antifa-Zeitschrift "Searchlight" schrieb in ihrer Ausgabe von Dezember 2004, p. 21-24, über die Pogrome nach van Goghs Tod:

Van Goghs "latest film, 0605, dealt with the murder of Pim Fortuyn, whom he saw as an inspiration and a partner in his defence of freedom of speech and his fight against what he termed 'backward Islamic culture'. ... 40 poeple turned up to a meeting in Amsterdam the day after van Gogh's killing, organised by the 'Platform for freedom of speech', a rag-bag of right-wing websites, Fortuynistas and NieuwRechts supporters. ... While commemorations of the Nazis' Kristallnacht anti-Jewish pogrom of 1938 took place in Breda and Hoorn, a Muslim school in the small town of Uden near Eindhoven was burned to the ground. Graffiti reading 'RIP van Gogh' and the White Power symbol were left. Local white racist youths have been blamed but no arrests made. ... Some sites for condolences to van Gogh's family have had to close because of the deluge of racist comments. Most of the poison is amed at the Moroccan community and Muslims but ultra right-wing sites blame the 'left church', as Fortuyn called everything to the left of the liberals, for 'pampering' migrants and being too soft on multi-ethnic issues. ... (Der niederländische Neonazi) Kerkhof used to be active in the fascist Nieuwe Nationale Partij and in NieuwRechts. On 4 March this year, he was arrested with two prominent members of the Jonge Fortuynisten, the youth branch of late Pim Fortuyn's party, List Pim Fortuyn. Masked in balaclavas, the trio had threatened a photographer at his home."

Zum selben Thema schrieb "Searchlight" im Februar 2005, p. 29:

"Hilbrand Nawijn, a List Pim Fortuyn MP and minister for refugee policy for a mere 87 days in 2002, was due to speak at the Belgian extreme-right Vlaams Belang's new year reception on 25 January.
This marks the first time that a Dutch MP has consorted with the former Vlaams Blok. The theme of Nawijn's speech was to be the situation in the Netherlands following the murder of Theo Van Gogh."

Im März 2005 ging "Searchlight" noch einmal ausführlich auf die Kontakte von Fortuynisten zu "Vlaams Blok" / "Vlams Belang" ein und zu denen von "Vlams Belang" zum Alt- und Neonazis Léon Degrelle:

Tatsächlich habe der vormalige Liste Pim Fortyn-Minister Nawijn bei Vlams Belang (vormals Vlams Blok) gesprochen, und zu dieser Veranstaltung seien auch Mitglieder den von Fortuyn gegründeten Leefbaar Rotterdam (der ersten, kommunalen Fortuyn-Partei) gekommen.

Ferner seien Fotos aufgetaucht (die "Searchlight" abdruckt, p. 33), die das heutige Mitglied des Europäischen Parlaments von Vlams Belang, Koen Dillen, Sohn des Vlams Blok-Gründers Karel Dillen, gemeinsam mit dem 1994 gestorbenen Nazi Léon Degrelle in dessen spanischem "Exil" beim Umtrunk zeigen, sowie ein Foto Degrelles mit Hitler, auf dem Degrelle eine Widmung für Koen Dillen geschrieben hatte: "Pour mon très cher ami flamand, Koen Dillen, le 11 Juillet 1992". Die Fotos seien erstmals vom belgischen Fernsehen RTBF veröffentlicht worden.

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