Peter Kratz: "Die Götter des New Age.
Im Schnittpunkt von 'Neuem Denken', Faschismus und Romantik"
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3. New Age und Faschismus

Zur Identität zweier Weltanschauungen
 

      Dritter Teil von Kapitel 3:

        Inhalt des dritten Teils:

      Vierte These: Gemeinsam für den selbstvergöttlichten
                         faustischen Menschen
         -  Selbst Schöpfer sein
         -  Totale Mobilmachung der Technik
      Fünfte These: Mit dem faustischen Übermenschen fürs Kapital
      Vom dritten Reich zum New Age
      Die Rückkehr der Indogermanen
 

Vierte These:
Gemeinsam für den selbstvergöttlichten faustischen Menschen

Der Organizismus hat neben der Einbindungsfunktion für die Massen, denen jede Subjektivität abgesprochen wird (zumindest aber diejenige "nach oben", der Einfluß auf die oberen Ebenen der Gesellschaft und auf diese als Ganzes), noch eine andere, vielleicht wichtigere, ideologische Funktion: die der ethischen Absicherung des Elite-Handelns im Heroischen Realismus. "Yin und Yang": Sich selbst zum Gott aufschwingen und gleichzeitig - besser: deshalb - dem Schicksal "tragisch" unterliegen, in Wahrheit: selbst niemandem verantwortliches Schicksal spielen zu wollen, extremstes Subjekt und extremstes Objekt zugleich sein und den harmonischen Zusammenfall von Beiden einsehen: Dies ist der Inhalt des Heroischen Realismus. Dieses Handeln will das bisher Menschenmögliche überschreiten, und zwar entgegen allem Irrglauben über den Romantizismus von völkischer Bewegung und New Age auch und vor allem durch die Technik. Das Überschreiten kann mit der hergebrachten "menschlichen" Ethik nicht gerechtfertigt werden. Die Herrschenden selbst, die ja nicht aus einer anderen Welt sind, sondern im christlichen abendländischen Denken und Fühlen aufwuchsen, brauchen zuallererst und für sich selbst eine neue "ethische" Einbindung ihrer Vorhaben, die von einer "abendländischen", also linken Ethik her nur verurteilt werden könnten.

Die Eliten des Spätkapitalismus, die sich siegreich zu einem neuen Hoch aufgeschwungen haben, und die nachgeordneten ausführenden Mittelschichten: Wissenschaftler, Techniker, Ärzte und Händler des Todes durch jedes denkbare Mittel, Ideologen, Politiker, Planer und Ausführer in der Verwaltung einer gegen die Massen, gegen Mensch und Natur überhaupt, gerichteten Gesellschaft, sie alle als handelnde Individuen brauchen einen "Sinn" für ihr ethisch verwerfliches Tun. Sinngebung und geistig-moralische Einbindung für die Täter, die im Sinne der Herrschenden Herrschaft praktisch ausüben, ist nötig. Das Subjekt ist dabei in seinem Handeln nicht mehr an die Vernunft gebunden - wie noch zu Beginn der klassischen deutschen Philosophie - sondern an Irrationales, an ein Göttliches. Das reicht weit über eine ideologische Rechtfertigung für den Komplex Auschwitz hinaus, ist vielmehr relevant für die zukünftige Technik und für zukünftige sozialpolitische Entscheidungen und in deren Folge: für zukünftige Profite.

Menschen, die "an Gottes Statt" (Hunke) handeln wollen, die dazu Naturwissenschaft und Spiritualität verknüpfen, die Naturreligiösität brauchen, um "in allem", was sie wollen, das Göttliche wiederzufinden, also auch im Bösen, und deshalb auch zum Bösen bereit sind: Das sind die "faustischen" Menschen, die sich selbst ihre "Ethik" je nach ihren Interessen und ihrem Nutzen zimmern. Der gemeinsame Stammvater von New Age und Faschismus, Johann Wolfgang Goethe, führte an diese Schwelle: Die Wette des Dr. Faustus mit dem Satan ist angesprochen, neuerdings in eine "göttliche" statt "mephistophelische" Faust-Interpretation gefaßt - pantheistisch sind Gott und Teufel ohnehin eins, wie wir sahen - und auf den Bereich des Sozialen, der Gesellschaftsstruktur ausgedehnt.

Ernst Krieck kritisiert Goethe 1942 in der Zeitschrift "Volk im Werden", er führe im "Wilhelm Meister" und im ersten "Faust" "beidemal nur an die Schwelle der neuen Welt hin und hütet sich streng, deren Planung fest durchzuzeichnen." Goethe führt hier die Einheit in der Vielheit von Gott und Teufel vor, ohne sich für sie zu entscheiden. Er entwerfe zwar in den Figuren der Makarie und des Faust die "Gottwerdung des Menschen ... als ideologisches Leitbild", meint Krieck, zeige dann jedoch "einen Zug von Wirklichkeitsfeindschaft", "eine Flucht" in die "Entsagung", Flucht vor der Selbstvergöttlichung wegen ihrer furchtbaren Konsequenzen. Es fehle Goethe letztlich an der notwendigen "Überwindung", er schrecke dann doch vor dem Faustischen zurück. "Immerhin", so Krieck, sei im "Faust II" "gegenüber dem 'Wilhelm Meister'" in der Frage der Entsagung von der Praxis "eines gewonnen: die neue Welt, Fausts eigene Welt, ist der Natur abgerungen, dem Meer abgekämpft, selbst geschaffen und erworben dieser Boden. ... Da ist nicht mehr bloß Flucht in Niemandsland, Nirgendsland, sondern erlösende Tat, beinahe schon nationalpolitische Tat. ... Faust wird als Lehensmann des Kaisers zum Pionier, zum kämpfenden und mehrenden Kolonisten. Volk und Reich bleiben zwar im Hintergrund. Was Faust vollbringt, ist indessen Expansion, positive Mehrung: Zeichen höchster Lebenskraft. So treibt ein großes Lebenswerk zuletzt doch wieder dem positiv Politischen und Geschichtlichen entgegen: die Entsagenden werden erlöst durch die schöpferische Tat."

1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, ist die öffentliche Interpretation der "schöpferischen Tat" erst einmal auf Landnahme, Rohstoffnahme, Zwangsarbeiternahme gerichtet. Im angebrochenen "neuen Weltalter" (Metzger) des Faschismus soll der gezüchtete "neue Mensch" der Heere von genetisch zu "Untermenschen" erniedrigten Arbeitsameisen und -bienen befehligen. 1942 sind die furchtbaren Konsequenzen im mephitischen Komplex Auschwitz bereits praktisch. Doch die "schöpferische Tat" des Gott gewordenen "Ariers", der in die gegebene Schöpfung eingreifen will, hat bereits eine weitere Qualität. Zu dieser Zeit arbeitet Werner Heisenberg an der Atombombe für das nazi-deutsche Kapital, auch dies eine faustische "schöpferische Tat". Schon in seinem Buch "Leben" von 1938 hatte Krieck "Goethes Fehler" der "tiefen Abneigung gegen alles Technische" kritisiert. Er hatte - gegen die weltflüchtige Interpretation der faustischen Naturmystik, statt dessen voluntaristisch auf das Handeln hin gerichtet - geschrieben: "Dagegen sehen schon die deutschen 'Mystiker' Eckhart und J. Böhme: die Schau soll ihnen den Willen gebären, sonst wäre alles ein Nichts." (307)

Das Zurückschrecken Goethes vor dem Faustischen als dem Teuflischen kritisiert auch der völkisch-religiöse Erich Ludendorff in seiner Schrift "Durch Paulus von Gudrun zum Gretchen" als etwas Weibisch-Jüdisch-Christliches, jedenfalls Ungermanisches. Der Jude Paulus, so kann man eine Quintessenz aus den Schriften von Erich und Mathilde Ludendorff ziehen, hat den jüdischen Glauben von der Sündhaftigkeit des Menschen ins Christentum eingeschleppt. Mit Hilfe der christlichen Missionare sei die Germanin Gudrun von dem Sündenglauben psychisch derart fertig gemacht worden, daß sie als christliches Gretchen dem germanisch-pantheistischen Faust nur ein jämmerliches, passives "Heinrich, mir graut vor Dir" entgegenwinseln kann, statt mit ihm germanisch-froh, heilserwartend, affirmativ, heroisch-realistisch ins neue Zeitalter überzugehen. Gretchen und Faust verdeutlichen die Ambivalenz Goethes. Dem Gretchen der christlichen Ethik graut vor dem Faust des "arischen" Pantheismus. Goethe mag sich nicht auf eine der Seiten schlagen, die er beschreibt. Sigrid Hunke spricht Jahrzehnte später, aber inhaltlich gleich zu Ludendorff, von der "psychischen Vergewaltigung" des vorher "freien Sachsen", der durch die Christianisierung zum "weinenden Knecht" geworden sei: Er habe seine von kosmischer Religiösität beaufsichtigte "Freiheit" des Schicksals, des Heroischen Realismus - frei von Ethik je nach dem Verlangen des All-Gottes bereit zur guten wie zur bösen Tat zu sein - an den Sünden- und Gnadenglauben des Judaochristentums verloren, der von ihm zuallererst die Unterlassung des Bösen verlange. Auch Erich Fromm vertritt diese Gegnerschaft zur Sündhaftigkeit des Menschen, und meint, dieser solle sich das, was er haben wolle, auch gegen den Willen und die Gebote eines jüdisch-christlich-griechischen Gottes herausnehmen können. Bei den faschistischen Ideologen zeigt sich das Verlangen des ganzheitlichen All-Gottes in den "Erfordernissen" der Unter-Gestalten Rasse, Nation, Volk, Familie. Entsprechend sind die "schöpferischen Taten". Denkwürdigerweise sind die Gestalt-Erfordernisse identisch mit den "Erfordernissen" des Kapitals. (308)

Einer der universitären Lehrer von Sigrid Hunke, der Goethe-Exeget und Organizist Eduard Spranger - ein herausragender Ideologe der deutschen Konservativen Revolution und 1945 kurzzeitig kommissarischer Rektor der Berliner Humboldt-Universität - hält sich nicht mit einer spitzfindigen Kritik an Goethe auf, sondern geht geradewegs zu einer rein faustischen Goethe-Interpretation über. In der bereits zitierten Sammlung seiner Goethe-Reden, die er vor allem in den dreißiger und vierziger Jahren gehalten hatte, preist er den Heroischen Realismus des "Dichterfürsten". Vor allem der Vortrag "Goethes Weltanschauung" aus dem "Goethe-Festjahr" 1932 ist ergiebig: Der "'faustische Drang' treibt die Helden der Tat ... Überall will der Mensch mehr als bloß gebundener Mensch sein. Mag es ihm gelingen oder auch nicht: der Stachel zum Unbegrenzten ist in seiner Brust." Es ist dieselbe Brust des "Ariers", in der Meister Eckhart das Göttliche findet. Spranger zitiert den Faust: "... dieser Erdenkreis / Gewährt noch Raum zu großen Taten. / Erstaunenswürdiges soll geraten, / Ich fühle Kraft zu kühnem Fleiß." "Die älteste Hoffnung dieses faustischen Geistes" sei es, "sich durch Magie unmittelbar in das Zentrum der Natur versetzen, mit ihr sympathisierend eins werden zu können" und hieraus die Kraft zur übermenschlichen Tat zu ziehen. Spranger benutzt 1932 die Begriffe der Konservativen Revolution: "Will der Übermensch den Sinn des Universums und des Menschentums ganz ausschöpfen, so bleibt an Stelle der Magie nur ein heroischer Realismus: der Weg durch das voll gelebte Leben und seine Gehalte. Im Lebenskampf entfaltet sich selbst des Lebens Deutung." Goethes Lebensgefühl sei das "plus ultra".

Parallelen zu den vulgären Erscheinungen des New Age werden sichtbar, wenn Spranger hier von der "sternengleichen Abkunft" des Menschen bei Goethe spricht und aus einem seiner Texte herausliest: "Der Anstieg zu höheren und höchsten Sphären ist dem Menschen nicht versagt. ... Es ist der Schritt ins Transzendente." Dieser Schritt soll den Eliten vorbehalten bleiben: "Aber dies Empordringen ... gelingt nur dem, der die letzten Weihen empfangen hat." (309)

Während der Faschismus - auch in der reformierten Form der "Neuen Rechten" - Goethe Ambivalenz vorwirft bzw. Goethes Ambivalenz verschweigt und coram publico so tut, als sei der faustische Ausgang der von Goethe gewollte, ist das New Age eher selbst von Ambivalenz im Bezug auf das Faustische geprägt. So distanziert sich Bahro in der "Logik der Rettung" ausdrücklich von allem Faustischen: "Die Logik der Rettung (fängt) damit an, daß wir bereit sind, alles loszulassen, auch unsere Schätze, vor allem das Geldmachen und die Wissenschaft, die allem zugrunde liegen, aber auch diese bestimmte Art von verteilungskämpferischer Demokratie, die ebenfalls eine Phase der Schlinge um unseren Hals ist. Und die Logik der Rettung endet damit, daß wir unseren höchsten Schatz preisgeben, den Doktor Faustus in uns, ... der jeden Tag bereit ist, den Teufelspakt zu erneuern." Andererseits stützt sich Bahro in demselben Buch auf die extrem faustische Sigrid Hunke, deren großes Vorbild zur Gesellschaftsgestaltung der ehemalige SS-Mann und ehemalige Chef des Arbeitgeberverbandes Hanns Martin Schleyer ist. Er stimmt auch dem Prediger der Selbstvergöttlichung Meister Eckhart zu, dessen mittelalterliche "Deutsche Predigten" geradewegs zum neuzeitlichen Heroischen Realismus führen.

Auch bei Capra finden wir diese Ambivalenz. Einerseits entspricht sein Konzept der "Selbst-Transzendenz" genau dem, was Spranger bei Goethe herausliest. Der Übermensch erkennt das Göttliche - bei Capra die "Selbstorganisationskräfte" - in sich und macht es sich nutzbar, er beginnt, die Schöpfung "neu" zu organisieren nach seinem Nutzen. Auch bekennt sich Capra selbst zu Goethe und zitiert dieselbe Stelle ("Wär nicht das Auge sonnenhaft, die Sonne könnt es nie erblicken"), die Spranger heranzieht, um den faustischen Übermenschen zu begründen. Die Interpretation dieser Stelle ist aber eben nicht eine dialektisch-materialistische im Sinne des Aneignungskonzepts durch Handeln in Verbindung mit den Evolutionsgesetzen nach Darwin, sondern eine spirituelle, wie sie im Faschismus und New Age überall üblich ist. Sie sieht im All-Göttlichen das Verbindende zwischen "Sonne" und "sonnenhaftem Auge", so wie Carl Friedrich von Weizsäcker die Einheit von Subjekt und Objekt pantheistisch-quantenphilosophisch herstellen will. Die Konsequenz der Einführung des All-Göttlichen ist die Haltung des Selbst-Schöpfer-Seins bzw. Neuschöpfer-Seins gegenüber der Natur. Dagegen fordert die dialektisch-materialistische Interpretation zu einem rücksichtsvollen - trotzdem nicht etwa nur verehrend-passiven, sondern durch Arbeit gestaltend-aktiven - Umgang mit der vorgefundenen Natur auf, weil eben die generelle Möglichkeit zur Aneignung - die vom Subjekt wie vom Objekt her an die jeweils vorgefundene Natur gebunden ist - nicht durch die selbstgöttliche, unbeschränkte Tat des Neuschöpfens der Natur zerstört werden darf.

Capra bekennt sich auch sogleich zu Jakob Böhme, den uns Chamberlain als "vorfaustischen" Stifter des "Gut/Böse-Yin/Yang" vorstellte. Andererseits stellt sich Capra auf die Seite der zivilisationskritischen Ökologie-Bewegung, die teilweise nicht einmal mehr den menschlichen Umgang mit der Welt - zu schweigen vom selbstvergöttlichten - zulassen will. Mynarek führt uns in einer ähnlichen Springprozession hin und her. Er will den "öko-religiösen" Menschen als biologischen Übermenschen ausrufen, der aus Eigengöttlichkeit die Evolution fortzuführen habe und bezieht sich dabei auf Spranger, Teilhard de Chardin und andere Ideologen des "Faustischen", selbstverständlich auch auf Hunke. Gleichzeitig wendet er sich jedoch gegen "die absolute Herrschaft der Technik im Verein mit den wirtschaftlichen Großkonzernen", "das gefräßige Wesen der Großtechnik im Dienst internationaler Konzerne", "die den Interessen und Rechten der Natur absolut zuwiderlaufen." Auch Erich Fromm verfährt nach diesem Muster, wenn er einerseits positiv auf Meister Eckharts Selbstvergöttlichung des Menschen abhebt und zugleich unter der Überschrift "Das Ende einer Illusion" kritisiert: "Wir waren im Begriff, Götter zu werden, mächtige Wesen, die eine zweite Welt erschaffen konnten." Allerdings begreift Fromm schon nicht die Rolle des Faust, wenn er schreibt, dieser verkörpere den Konflikt des "Haben und Sein", wobei Mephistopheles die Haben-Seite zukomme. Schließlich schlägt sich auch Fromm auf die Seite des Heroischen Realismus, wenn er den "Helden" - denjenigen, der zur Gefahr und zum Risiko bereit ist und auch dazu, "zu verlassen, was er hat - sein Land, seine Familie, sein Eigentum, ... ohne sich von den Risiken und Gefahren abschrecken zu lassen" - als den Vertreter der richtigen Lebensweise des Seins darstellt. Dieser "Held" Fromms ist der Faust der Eroberung, der "schöpferischen Tat", bei Krieck. Bereits Alfred Rosenberg hatte im "Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts" Eckharts Mystik als Mittel zur Tat ausgegeben, um hierauf den faschistischen Helden aufzubauen. Es ist eben falsch, wenn Erwin Haberer in "christlicher Auseinandersetzung" mit dem New Age - in Wahrheit biedert er sich an - schreibt: "Die Entmythisierung der Natur schuf erst die Voraussetzungen für die Entwicklung einer Technik, die sich eben diese Natur untertan machte." Er ist der Propaganda der pantheistischen Organizisten aufgesessen und glaubt sie blind, statt sie zu hinterfragen. In Wahrheit ist es der Mythos von der Göttlichkeit und Ganzheit der Natur, der die Technik des Menschen zu einer faustischen Technik der Gott-Natur machen will. (310)

Sicher, mancher New Age-Ideologe redet tatsächlich nur wirr und uninformiert daher. Sicher, es gab und gibt in der kleinbürgerlichen romantizistischen Zivilisationskritik durchgängig die beschriebene Ambivalenz, auch schon in der völkischen Bewegung als der schließlichen Massenbasis des faustisch modernisierenden Faschismus. Sicher ist hier auch einiges an "ökologischer Demagogie" zu konstatieren, die bewußt über die wahren Beweggründe täuschen will. Doch dieses interne "Yin und Yang" scheint auch auf dem mangelhaften Durchdenken des Organizismus durch seine eigenen Vertreter zu beruhen, vor allem durch seine massenhaften Anhänger. Auch dies finden wir bereits bei Lagarde und der völkischen Bewegung, die sich mit ihren "deutschgläubigen" Sekten der "Arier"-Vergöttlichung zwar zu den Herren der Welt aufschwingen wollten, aber das einzige Mittel zu dieser Weltherrschaft - die ethisch ungebundene faustische Technik - zum Teil vehement bekämpften. Der ökologische Schleier, hinter dem die faustische Konsequenz damals wie heute bisweilen verschwindet, ist den Herrschenden gefällig, unabhängig davon, ob es Lagarde oder Langbehn, Bahro oder Mynarek so mögen. Das Kapital hat sich mit der faustischen Selbstvergöttlichung des "Ariers" durch den Faschismus bereits einmal alle Zukunft versprochen, und es mag vielleicht nur am noch ungenügenden Faustischen, dem Fehlen der Atombombe, gelegen haben, daß es damals nicht reichte (bzw. für das konkurrierende Kapital reichte). Doch findet sich heute auch im scheinbar "sanften" New Age - so, wie es Krieck im "Faust II" sieht - letztlich doch die faustische Klarheit: die Erlösung des "weinenden Knechts" durch die schöpferische Tat, wenn auch auf Umwegen, nicht ganz so deutlich ausgesprochen, denn es muß ja Rücksicht genommen werden auf die Klientel der "neuen sozialen Bewegungen". Auch die eigene Verwicklung von New Age-Ideologen in das Faustische zeigt dies.

Selbst Schöpfer sein

Jan Smuts ist ein passendes Beispiel, auch deshalb, weil er selbst als Politiker der Apartheid einschlägig tätig war. Smuts versucht in seinem Buch "Die holistische Welt", die Tatsache des evolutionären Fortschritts mit dem Gottmenschentum zum Selbstschöpfersein zusammenzubringen. Das abstrakte Konzept der "schöpferischen Evolution", des ständigen Über-sich-Hinauswachsens, bekommt einen faustischen Inhalt, wenn der selbstvergöttlichte Mensch diese Evolution in die Hand bekommt. Diese Hand ist allerdings nicht frei in ihrem Tun und unterliegt auch nicht Mehrheitsentscheidungen, deshalb ist sie nur von Ethik frei. Sie wird vielmehr durch die vermeintliche, behauptete und ihrem Wesen nach weder hinterfragbare noch kritisierbare All-Göttlichkeit gelenkt, ist in Wahrheit also von nichts weiter als von der Willkür der Herrschenden bestimmt. Das "Tragische" des Heroischen Realismus ist das Wesen dieser "schöpferischen Evolution" des Holismus: Sie - als Abstraktum - ist Subjekt und Objekt zugleich, sie ist das Aktiv in der Entwicklung und das Passiv in dem, was entwickelt wird, und dieser "Yin und Yang"-Prozeß verläuft nach Gesetzen, die als göttlich ausgegeben werden. Smuts aber bleibt nicht beim Abstraktum, er will den Menschen als "schöpferische(n) Faktor in der Wirklichkeit als einem Ganzen." Nachdem nun dieser Mensch (in Wahrheit ist der Experte, Erleuchtete, die Elite gemeint, und bei Smuts selbstverständlich nur die der weißen Rasse) als bisherige Spitze der Evolution, als die sie nunmehr treibende Kraft hinzugetreten ist, hat das Abstraktum der "schöpferischen Evolution" sehr konkrete Züge bekommen: In einer als Gestalt-Gefüge aufgebauten organizistischen Gesellschaft sind es die faktischen Entscheidungsträger, die die Richtung angeben. Und in einer solchen konkreten Gesellschaft ist es dann auch nicht die abstrakte Evolution, die auf sich selbst einwirkt als "Yin und Yang" von Subjekt und Objekt, sondern es sind Herrschende, die auf Beherrschte einwirken, Herrschende, die vorgeben, mit ihren Entscheidungen den "Willen" der Evolution zu vollziehen.

In dieser Weise konzipiert auch Mynarek seinen "ökoreligiösen" Gottesstaat, in dem die "ökoreligiösen" Menschen als biologische, spirituelle und politische Spitze der göttlichen Evolution diese weitertreiben. "Der holistische Befehl", schreibt Smuts als Quintessenz seines Buches, "der gleich einer lebenden Quelle aus den tiefsten Tiefen des Universums aufsteigt, ist der Bürge dafür, daß wir kein Mißlingen zu erwarten haben" bei dem, was der selbstgöttlich selbstschöpfende Weiße tut. Smuts als einer der Väter des New Age vertritt das Konzept eines völlig ungebremsten und als natürlich ausgegebenen Fortschritts: "Holistisches Wirken läuft deshalb notwendig in wirklichen Fortschritt und schöpferische Evolution aus." Dies steht im frontalen Gegensatz zu dem, was die New Ager jeder Ausrichtung anzustreben vorgeben. Indem die Entscheidungen darüber, wie diese menschlich getriebene Evolution aussehen soll, im Holismus an etwas Außermenschliches, an eine übernatürliche Wesenheit, das Transzendente usw., gebunden wird, das nur einer kleinen menschlichen Elite auf nichtrationalem, d. h. nicht intersubjektiv nachprüfbarem Wege zugänglich ist, werden diese der Verfügung der Massen entzogen. Mit viel neuem naturreligiös-pantheistischem und kosmischem Tamtam wurde einfach nur das alte Verfahren, die um die Erfüllung ihrer Interessen kämpfenden Menschen mit dem Hinweis auf einen entgegenstehenden Gotteswillen zu entwaffnen, wiederverwendet. Das ist schon der ganze Inhalt des New Age. (311)

In dem 1990 erschienenen Buch "Neue Wege - neue Ziele. Denkanstöße und Orientierungshilfen in einer Wendezeit", in dem neben Capra auch Gorbatschow, Oskar Lafontaine, Hans Peter Dürr, der Dominikaner David Steindl-Rast, der Dalai-Lama und Monika Griefahn schreiben, berichtet der auch im New Age gern gesehene Robert Jungk über die "Zukunftswerkstätten" unter der Überschrift "Selber Schöpfer sein". (312) "Die in Zukunftswerkstätten entfachte Entdeckerfreude macht die Teilnehmer ohne Drogen oder andere Stimulantia regelrecht 'high'", schreibt Jungk da. Allerdings bleibt die "Zukunft" nur "Vision" und "Ausnahmezustand", die Teilnehmer der Zukunftswerkstätten dürfen vom besseren Leben eben doch nur träumen. Und damit kein Mißverständnis aufkommt, gibt Jungk das Ziel an: "Eine gewaltige 'schöpferische Aufwallung' ..., die alle Lebensbereiche weltweit erfassen müßte, ist nach Ansicht des englischen Physikers und Philosophen David Bohm eine unentbehrliche Voraussetzung jedes Versuchs, unsere vom Scheitern bedrohte Zivilisation noch zu retten." Was der Organizist Bohm vertritt, sahen wir oben. Jungk geht es ausdrücklich um "soziale Erfindungen" und er hebt ab auf die "von David Bohm erhoffte große gesellschaftliche Rettungsbewegung", die wir eher befürchten. Jungk tauchte bereits in den siebziger Jahren im Umfeld des heidnisch-naturreligiösen Alt- und Neonazi Werner Georg Haverbeck auf. In Haverbecks Tagungshaus "Collegium Humanum", das z. B. im "New Age Buch" von Daniel Sillescu angepriesen wird, tagte auch Ende 1990 wieder der Kreis um Sigrid Hunke, der sich inzwischen "Arbeitskreis Europas eigene Religion" nennt.

Haverbeck, der 1982 das rassistische, ausländerfeindliche "Heidelberger Manifest" unterzeichnete, veröffentlichte 1978 das Buch "Die andere Schöpfung. Technik ein Schicksal von Mensch und Erde", das sich oberflächlich ökologisch gibt, aber den faustischen Menschen zum Inhalt hat. Nicht nur Mynarek bezieht sich auf diese Schrift in seiner "Ökologischen Religion" und lobt die "treffenden Ausführungen von W. G. Haverbeck". Auch Robert Jungk - der Jahre später Bahros "Logik der Rettung" so zutreffend als gefährlich für die Demokratie einstufte - hängt an Haverbeck, diesem ehemaligen hohen NSDAP- und "Kraft durch Freude"-Funktionär, der sich selbst als Schüler des SS-"Ahnenerbe"-Gründers Hermann Wirth sieht und der 1984 in seinem Tagungshaus unter dem Deckmantel eines Seminars über "Naturreligionen" das "Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers" des Neonazi und New Age-Sympathisanten Michael Kühnen tagen ließ, der den Kühnen-Vertrauten, FAP- und späteren REP-Funktionär Michael Krämer in der Geschäftsleitung des "Collegium Humanum" beschäftigte und heute offen der Auschwitz-Lügner-Szene angehört. (313)

Jungk sagt in seinem Vorspruch zu Haverbecks Buch: "Das Werk von Werner Georg Haverbeck hat mich angeregt zu neuen Einsichten und zur Auseinandersetzung. Daß der Autor sich über die notwendige Kritik hinaus bemüht, eine positive Veränderung der Technik geistig einzuleiten, erscheint mir besonders wichtig. Er gehört damit zu den geistigen Vätern einer Wende, die herbeizuführen mit jedem Tag dringender wird." In Wahrheit entwickelt Haverbeck in diesem Buch unter ungeniertem Bezug auf einschlägige deutsche Literatur der Nazi-Zeit, auf Arnold Toynbee und auf Oswald Spenglers angebliche "Entdeckung der Evolution in der Geschichte" das Weltbild des sich selbst vergöttlichenden mystisch-organisch-technischen Menschen, des Übermenschen, den er "Großmensch" nennt. Von "Bevölkerungsflut" ist hier die Rede, die die Erde unterwerfe und zu ihrer Ausplünderung und Vergiftung führe - die Menschen in der "Dritten Welt" sind da wohl schuld. Die Technik habe ein "Doppelantlitz": "Der faustische Pakt mit dem Tod ist Voraussetzung für technisches Handeln." "Polarität" sei nun mal "Lebensgesetz" und müsse deshalb ausgehalten werden, Yin und Yang, Gut und Böse, Leben und Tod. Nach seinem Bezug auf Goethe, Steiner, Teilhard, Saint-Exupéry und Heisenberg, auf das innere Reich als den "Weg nach innen", auf "die alten Inder" und ihr unvermeidliches, in der organizistischen Literatur allgegenwärtiges "tat wam asi", auf den konservativen Revolutionär und "Übermensch"-Ideologen Leopold Ziegler, kommt Haverbeck am Ende des Buches zu dem Schluß: "Die Menschwerdung der Erde als das Ziel der Technik tritt heute in ihre volle Erscheinung. Eine größere Bedeutung kann der Technik wohl kaum zugesprochen werden. Doch der Mensch hebt sich, wenn er wahrhaft zum Meister der Materie wird, zugleich über diese hinaus. Seine Technisierung kann wie ein Weg erscheinen, der ihn zu seiner eigentlichen Bestimmung führt. Der Weg ist belanglos angesichts des erreichten Zieles." Das Ziel ist die Stellung des Menschen über dem Göttlichen, wie bei Hunke. Haverbeck postuliert "die Abhängigkeit der Natur vom Menschen" im "Lebewesen" Erde - Gaia. "Die Natur erfährt eine Weiterführung, die sie ohne den Menschen nicht erfahren würde", ein Satz, der seine Plattheit dadurch verliert, daß diese Natur das Göttliche sein soll. (314)

Die Verbindung von Technik und religiöser Naturmystik ist bei Haverbeck wie bei Mynarek identisch: "Im menschlichen Bewußtsein erkennt die Natur sich selbst", so Haverbeck, "im Menschen bringt die Natur sich selbst zur Sprache", so plagiiert Mynarek. Technik gehört auch beim letzteren dazu: "Der (öko-religiöse, P. K.) Mensch erfüllt nun die Aufgabe, die ihm die 'sich mit ihm forttreibende' Natur gestellt hat, u. a. dadurch, daß er ihre Werte (die ... ästhetischen, sozialen, logisch-mathematischen, biotechnischen usw. Wertaspekte) ins Bewußtsein hebt und zur Sprache bringt." Hunke entwickelt ihr identisches Technik-Verständnis in ihrem Buch "Vom Untergang des Abendlandes zum Aufgang Europas" in direktem Bezug auf dieses Haverbeck-Buch und schließt daran ihre "europäisch eigene Religion" an, in der der Mensch durch die Technik "Verantwortung 'für' Gott" übernimmt: "Gott aus dem Jenseits heimholen - auf daß er im Menschen groß werde." "Selbstwerdung und Selbstüberschreitung" predigt sie hier, will den Nordeuropäer "vom Sünder zum Mitarbeiter Gottes" aufsteigen sehen. Der Kampf gegen das jüdische Alte Testament mit seiner Lehre von der Gleichheit der Menschen und vom Sündenfall hat in der angestrebten "Selbstüberschreitung" des Nordeuropäers seinen Grund: "Daß ihr wie Gott werdet" hatte die Schlange im biblischen Mythos versprochen, und genau dieser Griff nach der Gottgleichheit in Allmacht und Allwissen ist es, der hier als das Böse schlechthin, als die Erbsünde der Menschheit gilt. Wenn größenwahnsinnige, von pathologischen Allmachtsphantasien geprägte "arische" Herrenmenschen antijudaistisch-antisemitisch sind, dann deshalb, weil das jüdisch-christliche Geisteserbe ihnen, die über die Natur, die nicht-"nordischen" Menschen und schließlich sogar über Gott herrschen wollen, ihre angebliche Gottgleichheit bestreitet. (315)

Daß sich in einem solchen Umfeld auch Robert Jungk bewegt, ist keineswegs so erstaunlich, wie es scheinen mag. Der eng mit Capras Elmwood-Institut verbundene Jungk, der auch mit Jakob von Uexkülls "Alternativem Nobelpreis" 1986 ausgezeichnet wurde, gab in den sechziger Jahren eine Buchreihe "Modelle für eine neue Welt" heraus, in denen die "Neue Rechte" bereits für die deutschen und US-Kapitalinteressen, aber noch ohne den "arischen" weltanschaulichen Hintergrund des New Age bzw. der euro-völkischen Religiösität auftritt. Die Reihe ist eine Fundgrube für unsere These von der Entwicklung der "neurechten" Ideologie in den Denkfabriken des Kapitals. Sie ist offenbar teilweise auch eine Antwort auf den liberalistischen Kennedy-New Deal der sechziger Jahre und die damaligen gesellschaftlichen Kämpfe zur Gleichstellung der Schwarzen. Hierin paßt sie zu der Beobachtung Formans über den wachsenden Einfluß lebensphilosophischer Strömungen in den USA der damaligen Zeit. In der Buchreihe erschienen biologistische Artikel über die Ungleichheit der Menschen und ihr "wertvolles" oder wertloses Erbgut und entsprechende "positive Eugenik", die es dem Menschen erlauben soll, "Herr seines Schicksals" zu werden. (316)

Hier darf der Jakob von Uexküll-Sohn und Jakob von Uexküll-Vater Gösta von Uexküll elitär lamentieren: "Die Urteilskraft der Massen steht aber in keinem Verhältnis zu ihrer Macht. Nicht einmal zur Auswahl der geeigneten Führer, geschweige denn zur Selbstregierung reicht diese Urteilskraft ... Die Staatsgewalt geht von einem unreifen und unmündigen Volke aus." (317) Hier stellt auch ein ehemaliger Redakteur des "Handwörterbuchs des Grenz- und Auslanddeutschtums" der Jahre 1934-1939 Überlegungen zu "Zielen einer deutschen Raumplanung" an und führt den Kampf der völkischen Bewegung gegen die Einführung des römischen Rechts statt des germanischen Rechts am Ende des neunzehnten Jahrhunderts weiter, der sich damals gegen Freiheit, Gleichheit und Solidarität richtete. (318) Gleichzeitig preist hier derselbe Autor die "Wirtschaftskatastrophen, Hungersnöte, Kriege und große(n) Seuchen zwischen dem vierzehnten und der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts" als "Ausgleich zwischen Bevölkerung und überbeanspruchtem Lebensraum." Jahre später äußerten sich Konrad Lorenz ebenso über Aids oder Haverbeck im oben genannten Buch über die "Bevölkerungsflut". In der Jungk-Buchreihe der sechziger Jahre wird auch - sogar direkt bezahlt von der Pharmaindustrie - von selbstgöttlichen Genetikern der genetischen Veränderung des Menschen das Wort geredet. Es sind Wissenschaftler, die schließlich sogar die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen beseitigen wollen, weil dies gesellschaftliche Probleme verhindere. Auch die Züchtung subhumaner Arbeitssklaven als Kreuzung aus Affe und Mensch ist hier kein Tabu mehr. (319)

Die Autoren dieser Buchreihe sind überwiegend hochkarätige Elite-Menschen: Zum Beispiel Z. Brzezinski, damals Mitglied im Politischen Planungsausschuß des US-Außenministeriums, später Berater des US-Präsidenten; H. Donovan, Herausgeber der "Time"; E. R. Priore, Vizepräsident und "Chefwissenschaftler" von IBM; Professoren von Havard, Cambridge/Mass. und Yale, zahlreiche Nobelpreisträger; H. Becker, Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung; der spätere Ökologie-begeisterte Regierungschef Hamburgs Klaus von Dohnanyi sowie ein leitender Redakteur der Zeitung "Die Welt" (in der Hunke später Kolumnen schrieb und in der mit Günther Deschner ein führender Vertreter der "Neuen Rechten" als Redakteur saß), ein Oberbürgermeister von Ulm, ein Kulturdezernent von Darmstadt usw.

Ohne Zweifel: Derartige Elite-Menschen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft brauchen eine Ideologie der Selbstvergöttlichung, für ihr Ego und für ihre Geschäfte. Nicht nur Robert Jungk weiß das. Die New Age-Stars Capra und Ferguson wollen das "Neue Zeitalter" vor allem mit Hilfe der Manager-Elite herbeiführen. Die faustische Ferguson meint, daß die Erkenntnis des Göttlichen im Innern Macht verleiht. Wölflingseder berichtet: "Bei seinem Vortrag im Auditorium Maximum der Wiener Universität am 15. Mai 1987 und im 'Club 2' am 17. Mai 1988 hob Capra die Veränderungsbereitschaft der Manager positiv hervor. Er stelle bei seinen Seminaren mit Topmanagern in Europa fest, daß diese immer mehr bereit sind, ganzheitlich zu denken. Capra meint, ganzheitliches Management ist mehr als ein Schlagwort." Wölflingseder arbeitet heraus, daß Capra als einzig legitime Agenten von Veränderung Naturwissenschaftler und Topmanager ansieht, Eliten eben. Schweidlenka berichtet von "spirituellen Wirtschaftskonferenzen", zu denen IBM, Rank Xerox, Philipps, Volvo oder Shell Angestellte entsandten. Ein IBM-Vertreter war auch nach einem Bericht der UFO-Zeitschrift "Magazin 2000" 1991 auf einem UFO-Kongreß. Die neue Liebe ist schon älter: Capras "Wendezeit" sei einer Umfrage der Zeitung "Welt am Sonntag" zufolge im Sommer 1983 das meist gelesene Urlaubsbuch der Spitzenmanager der Großkonzerne gewesen, berichtet Schweidlenka. Die eher konservative "Zeitschrift für Politik" brachte 1988 ein Schwerpunktheft zum Thema New Age. Gottfried Küenzlen schreibt hier, es ließen sich gemeinsame Ansichten und Merkmale des New Age nennen, "die sich quer durch die verschiedenen Tendenzen und Gruppen finden" und nennt u. a.: "Der Mensch als Teil des Göttlichen kann sich seines göttlich-kosmischen Ursprungs also auf dem Weg der Überwindung des Ichs versichern. Es gibt ein esoterisches Wissen, es gibt okkulte Praktiken, die dem Menschen seine Göttlichkeit erfahrbar machen. ... Wo ihm dies gelingt, wo er den Schein des subjektiven Ich abstreift, hat er, Teilhaber des Göttlichen, die Macht, die Realität um ihn her zu verändern und sich ihm verfügbar zu machen" - trotz allem vordergründigen Protest gegen das biblisch-jüdische "Macht Euch die Erde untertan". (320)

Der Heroische Realismus und die Verbindung von Technik und "Neuem Denken" werden bei etablierten New Agern fast ausschließlich von dem einen Heisenberg-Experiment abgeleitet, das zur Unbestimmbarkeits-Relation der Quantenphysik führte und das Capra, Weizsäcker oder Dürr dazu dient, den physikalischen Experimentator als eine Art Weltschöpfer auszugeben. "Auf fundamentaler Ebene ist das Unschärfeprinzip ein Maß für die Einheit und die innere Verbundenheit des Universums", meint Capra. Subjekt und Objekt fallen faustisch in eins, wenn es der Experimentator durch seinen Experimentalaufbau in der Hand hat, die Wirklichkeit der Atomteilchen einmal so und einmal anders zu finden und zugleich selbst Teil dieser Wirklichkeit ist. Die Ideologen der Quantenphysik beschränken nicht etwa ihre Weltanschauung, weil dies ein Zwischenergebnis des noch beschränkten Wissens sei, sondern ideologisieren das Heisenberg-Experiment, indem sie die Einheit von Subjekt und Objekt spiritualisieren.

Weizsäcker findet in der Quantentheorie "die Denkmittel für einen spiritualistischen Monismus", für einen Pantheismus, den er christlich belassen will, also letztlich als Pneumatismus, was für unsere Betrachtung aber irrelevant ist. Er führt zur Nichttrennbarkeit von Subjekt und Objekt in der Quantentheorie aus: "'Subjekt' und 'Objekt' - das ist wohl die klassische Unterscheidung von Geist und Natur. Subjekt, das ist hier der bewußt experimentierende Mensch; Objekt, das ist, was er so experimentierend in der Natur vorfindet." und er wendet sich vehement gegen die cartesianische Trennung von Geist und Natur im Dualismus von erkennender und erkannter Materie, wie es - ohne Quantenphysik - bereits Chamberlain tat. (321)

Chamberlain war ein glühender Anhänger des "Fortschritts" und der "Technik" (und keineswegs nur ihr irrationalistischer Gegner, der er in seiner antimechanistischen Kritik sicher auch war). Er begeisterte sich für die Naturforschung als angeblich typisch germanischer Wesensart, wollte sie jedoch für den technischen Fortschritt nutzen. Ein "Zurück zur Natur" lehnte er rundheraus ab und unterschied sich darin von vielen Zeitgenossen aus der völkischen und der Lebensreform-Bewegung. Die Technikbegeisterung hat Chamberlain mit anderen faschistischen Ideologen gemein, auch mit der heutigen "Neuen Rechten" und Teilen des New Age, denn Technikfeindlichkeit ist im Gegensatz zu einem verbreiteten Urteil keineswegs ein durchgängiger Wesenszug der Ideologen des Organizismus. Wenn die Technik als naturwüchsig erscheint, dann gilt sie durchaus als Teil des All-Göttlichen und ist akzeptiert. "Nur das sich selbst Gestaltende besitzt Gestalt", so interpretiert Uexküll in "Natur und Leben" Chamberlain faustisch. Dieser hatte bereits in den "Grundlagen" 1899 seine "religiöse Verehrung" für die Natur bekannt und den "Ariern" den göttlichen Platz zugewiesen: In der germanischen Religion "seid ihr selbst schaffende, gesetzgebende Natur", Religion sei "Tat der Gegenwart". "Die Religion soll erzeugen, Taten erzeugen", ist die Quintessenz am Ende seines "Kant"-Buches. Er fährt im Stile Ernst Jüngers oder Erich Fromms fort: "Jetzt wagt der Mensch. ... Er opfert sich für eine Idee, er geht freudestrahlend in den Tod; mit einem Worte, er gehorcht dem selbstgegebenen Gesetz", alles ist "seinem Willen untertan". Genau hiervor warnte der biblische Sündenfall-Mythos die übermütige Menschheit. Die Warnung war gleichnishaft geschrieben, zum Verständnis für eine analphabetische, größtenteils agrarisch lebende Bevölkerung, die dennoch bereits in der technischen Lage war, sich und die Natur zu ruinieren.

In "Natur und Leben" schreibt Chamberlain dann, der selbstvergöttlichte "arische" Übermensch sei "den gigantischen Verhältnissen" des Kosmos "gewachsen", da er ja allgöttlich sein Teil sei. Lukács arbeitet zwar - auch im Hinblick auf Chamberlain als Kantianer - dessen "arischen" Respiritualisierungs-Ansatz treffend heraus, jedoch noch ohne ausreichenden Bezug zu Technik und Modernisierung als Standbein des Faschismus oder gar zur "neueren Physik", um die Lukács einen Bogen macht. Dabei hätte er mindestens die Beziehungen des Futurismus zum italienischen Faschismus kennen können, die neueren Forschungen zum Nationalsozialismus als Ideologie des Modernisierungsschubs kannte er noch nicht. (322)

Die heutige "Neue Rechte" ist ebenso wie die Konservative Revolution der zwanziger Jahre fasziniert davon, das Naturmystisch-Göttliche mit der Technik zu verbinden, um so das Erdenmenschlichen hin zum Übermenschen zu verlassen, vom Faustischen also. Wir finden dies auch als zentralen Punkt im Denken von Oswald Spengler, von Martin Heidegger oder Ernst Jünger. Der im New Age wie im Neofaschismus gleichermaßen rezipierte Heidegger sah noch nach 1945 im frühen Nationalsozialismus ein politisches System, das mit der Technisierung der Welt hätte klar kommen können, im Gegensatz zur Demokratie. Von mehr oder weniger deutlich neuheidnisch-völkischen Positionen aus versuchten sie, den Heroischen Realismus (ein Begriff Jüngers) als spirituelle Schicksalseinheit von Subjekt und Objekt im Übermenschen zu begründen, der fähig und willig die Interessen der Herrschenden verfolgt. (323)

Armin Mohler, Nestor der Konservativen Revolution im Nachkriegsdeutschland, der als Leiter der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung frühzeitig die Bedeutung der neuheidnischen "Neuen Rechten" für das deutsch geführte EG-Kapital begriff, schwärmte 1991 in der "neurechten" Zeitschrift "Criticon" von der technizistischen Modernisierung Deutschlands durch die "zweite Generation des Nationalsozialismus: kühle Technokraten, welche die Aufgaben zu meistern suchten, die dieses Reich sich gestellt hatte." Ideologische und praktische Nachkommen des Doktor Faustus waren hier auf den Schultern der völkischen Bewegung und der Konservativen Revolution zur Macht gekommen. Sie setzten den neuheidnischen Organizismus in den führerstaatlichen Umstrukturierungen, der Sozialpolitik des Todes, den Materialschlachten des Zweiten Weltkriegs, den KZ-Außenlagern für die Großkonzerne, der Sklavenarbeit verschleppter "Fremdarbeiter" und selbstverständlich auch in den technischen Entwicklungen der - freiwillig und gezwungen - autarken Metall-, Elektro- und Chemieindustrie ein. "Und es waren dann nach dem Krieg die Überlebenden aus dieser Schicht", meint Mohler elitär und die Arbeit von Trümmerfrauen wie Fabrikarbeitern geringschätzend, "welche das deutsche Wirtschaftswunder schufen." Mohler findet es sehr wichtig, zu untersuchen, "wie es den Nationalsozialisten über sehr weite Strecken hinweg gelungen ist, bewahrende Tendenzen und modernisierende Tendenzen miteinander zu versöhnen" - er meint sicher die ideologische Versöhnung in den Köpfen der Eliten, denn die Loyalität der Massen wurde ja durch Terror erzwungen. (333)

Dies genau ist die Frage nach der Möglichkeit des Heroischen Realismus als handlungsleitende Konsequenz aus dem modernen, pantheistischen Organizismus. Mohler hat sie bereits 1950 in seinem Buch "Die Konservative Revolution in Deutschland" aufgeworfen und in dem Kapitel "Spaltung und Spannung" mit seinem "Bild von der Welt als Ganzem" beantwortet. "Das Bild der Welt, das die Grundrichtung der 'Konservativen Revolution' mitbestimmt, wird durch die bereits genannten Worte 'Einheit', 'Ganzheit' bezeichnet. Diese Worte wenden sich gegen die Aufspaltung der Welt in zwei Teile, wobei der eine gegenüber dem anderen geringer gewertet wird. Darin, daß sowohl das Christentum wie das Fortschrittsdenken (der materialistischen Weltanschauungen des Liberalismus und Sozialismus, P. K.) eine solche Aufspaltung vornehmen, zeigt sich wiederum ihre Verwandtschaft. Das katholische Christentum errichtet zwar mit dem Bau der Kirche als dem Leib Christi eine Art Verstrebung zwischen beiden Teilen. Im Grundsätzlichen ändert das aber nichts an der Zweiteilung und daran, daß im Christentum das 'Diesseits' zugunsten des 'Jenseits', welches erst der Ort der Erfüllung ist, entwertet wird. Das Fortschrittsdenken hingegen legt, als ungebärdiges Kind des Christentums, allen Wert auf das 'Diesseits'. ... Mit ihrer 'Einheit', ihrer 'Ganzheit' tritt nun die 'Konservative Revolution' mit dem Anspruch auf, außerhalb einer solchen Spaltung zu stehen. Wo jene 'mystischen' Einwirkungen auftreten, scheidet sie sie nicht aus (wie Christentum, Liberalismus und Sozialismus, P. K.), sondern bezieht sie als neu entdeckten Bestandteil der eigenen Welt ein. Oder, um es in den volkstümlichen räumlichen Bildern auszudrücken, die sich wegen ihrer Anschaulichkeit in fast allen Aussagen über die Welt als Ganzes finden: hört für den Fortschrittsgedanken in jener Höhe, wo für den Christen der 'überweltliche' Raum beginnt, die Welt auf, so geht sie dort für die 'Konservative Revolution' weiter (und für den Hightech-Konzern Siemens auch, P. K.). Aber es besteht für sie nirgends eine entscheidende Grenze und jeder Ort steht ihr unter dem gleichen Gesetz. Die einzige mögliche Scheidung ist für sie die in das Ganze und seine Teile. Eine solche Scheidung kann jedoch niemals eine Spaltung sein. ... Die 'Einheit', die 'Ganzheit' schließt jedoch die Gegensätze nicht aus, sie umfaßt sie nur in sich und läßt es nicht zur Spaltung kommen. Sie ist nicht spannungslos, sondern spaltungslos. Die oft verwischte Unterscheidung von Spannung (Polarität) und Spaltung (Dualismus) ist einer der Schlüssel zum Verständnis der 'Konservativen Revolution'". (334)

Mohlers Text von 1950 könnte in jedem New Age-Buch der achtziger Jahre stehen: Er beschreibt das "Yin und Yang", der Einheit in der - auch gegensätzlichen - Vielheit, die an Hunkes und Schleyers organizistische Gesellschaftskonzeption denken läßt. Hunke und Mohler sind beide Gallionsfiguren des "Thule-Seminars". In seinem "Criticon"-Artikel von 1991 nimmt Mohler die organizistische Gesellschaft, in der der "Zwiespalt" (Hunke) des Klassenkampfs "Yin/Yang"-zwangsvereinigt wird, wieder auf: Hier lobt er Hitler für die "Sozialisierung der Herzen" in der "Volksgemeinschaft".

Mohler geht aber hierüber hinaus, indem er unmittelbar an die Einheit der Gegensätze in der Konservativen Revolution das Kapitel "Der 'heroische Realismus'" als Relativierung von Ethik anschließt. Er erklärt diesen Begriff Ernst Jüngers, dessen Privatsekretär Mohler eine Zeitlang war, für "verpflichtend" als Bezeichnung des organizistischen "Yin und Yang". "Dem Christentum und dem Fortschrittsdenken ist ... gemeinsam, daß sie den Menschen sittlich radikal, sittlich absolut bewerten. ... Die 'Konservative Revolution' steht hier dadurch außerhalb, daß sie einer solchen radikalen Bewertung des Menschen nach 'gut' und 'böse' nicht zugänglich ist. Ihre Einstellung ist von vorne herein eine andere: es ist keine sittlich richtende, sondern eine alles Geschehen als sinnvoll hinnehmende Haltung." Diese Affirmation alles Seienden, das dem Menschen nur noch das sich sieghafte Bewähren in seinem Schicksal ermöglicht, wird in der religiösen Anbetung dieses ganzheitlichen Seienden noch gesteigert. Diese Anbetung finden wir in der Konservativen Revolution, vor allem aber im New Age und in den völkischen Sekten. Mohler, der breit auf die völkischen Sekten der zwanziger Jahre als Grundlage und Teil der Konservativen Revolution eingeht, will sich aber offenbar nicht selbst derart deutlich zum spirituellen Verständnis der Ganzheit bekennen. Statt dessen zitiert er Nietzsches "tragische Weltanschauung" des "Amor fati" (Liebe zum Schicksal) "als Liebe zur Welt wie sie ist, mit ihrem ewigen Wechsel von Geburt und Vernichtung." (335)

Dieser Begriff der "Liebe" kann jedoch ohne weiteres als ein neues Synonym des All-Göttlichen betrachtet werden, das genau in dieser Weise bereits von Eduard Spranger am Ende seines Artikels über "Goethes Weltanschauung" von 1932 verwendet wurde. "Liebe" steht bei Spranger für sein Verständnis der pantheistischen Gottesvorstellung. Die Beziehung des Ganzen zu sich selbst und seinen Teilen ist die selbstbejahende "Liebe". Mohler: "Warum eine solche Haltung für den heroischen Realismus mehr ist als bloßes dumpfes Sich-Abfinden mit dem Schicksal, warum sie die Tat nicht lähmt, wird deutlich, wenn Ernst Jünger von einem Menschenschlag als Träger dieser Haltung spricht, 'der sich mit Lust in die Luft zu sprengen vermag, und der in diesem Akte noch eine Bestätigung der Ordnung erblickt'". Dem entspricht z. B. der "Held" Erich Fromms, ob Fromm sich dessen bewußt war oder nicht. Es ist der faustische Mensch, der mit den Worten des Technikfanatikers Jünger "nicht nur Material sondern zugleich Träger des Schicksals" ist, zugleich Subjekt und Objekt im Sinne Weizsäckers, und dabei zur Tat willig. (Bezeichnenderweise hieß eine führende Zeitschrift der Konservativen Revolution "Die Tat", ihr Chef Hans Zehrer wurde später Herausgeber der Tageszeitung "Die Welt", die die konservativ-revolutionäre Tradition vielfältig weiterpflegte.) (336)

Mohler führt eine ganze Reihe von völkischen Sektenstiftern als Ideologen der Konservativen Revolution an, z. B. den Gründer der Deutschgläubigen Gemeinschaft und Direktor eines Elektrizitätswerkes (!) Sigfrid Otto Reuter, Hermann Wirth, den Hunke-Doktorvater Ludwig Ferdinand Clauß, Erich und Mathilde Ludendorff sowie mehrere Ideologen, die bei den "Deutschen Unitariern" zentral sind: Hans F. K. Günther, Gustav Frenssen, Ludwig Fahrenkrog, Hermann Mandel (den Schöpfer des Begriffs "Wirklichkeitsreligion" für die Vergöttlichung des Kosmos), Bernhard Kummer, Herbert Grabert, Friedrich Schöll und Wilhelm Hauer. Auch die Ideologen des "inneren Reiches" wie Lagarde und Langbehn fehlen nicht in Mohlers Aufzählung.

Einer der herausragenden völkisch-religiösen Ideologen der damaligen Zeit ist Wilhelm Hauer, der ursprünglich von der Anthroposophie Steiners herkam, in den zwanziger Jahren zur Jugendbewegung zählte und auf einer Indienreise dilettantische Sanskrit-Forschungen betrieb, wird heute im New Age als "Indologe" verehrt. Hauer spricht von einem "Schaffens- und Gestaltdrang ... im Geheiß strenger Gesetze und Ordnungen", von einer Orientierung zur Tat also, die aus "arischer" Religiösität wachse. Deutlich wird dies bereits im Titel eines seiner Bücher: "Eine indo-arische Metaphysik des Kampfes und der Tat - Die Bhagavadgita in neuer Sicht". (337)

Der ehemalige Siemens-Stiftung-Chef Mohler, der 1989 eine erweiterte Fassung seiner "Konservativen Revolution in Deutschland" herausbrachte, hat längst die Bedeutung der angeblich technikfeindlichen völkischen Religiösität für die damaligen und heutigen Ziele des Kapitals erkannt. Darin ist er sich einig mit dem langjährigen Präsidenten der "Deutschen Unitarier" und MBB/DASA-Topmanager Horst Prem. Dagegen hat die faschismuskritische Forschung und Publizistik jahrzehntelang an der verkürzenden und daher irreführenden Sicht von der völkischen Bewegung als Fluchtströmung aus der krisenhaften Wirklichkeit heraus festgehalten, weil sie die Bedeutung des Heroischen Realismus als Konsequenz des Organizismus nicht wahrnahm. Diese Kritik muß vor allem auch an Georg Lukács geübt werden, ohne seine Verdienste um die Irrationalismuskritik schmälern zu wollen. Ebenso verdienstvolle und einflußreiche Arbeiten wie die von Fritz Stern oder George Mosse über völkische Bewegung und Konservative Revolution als Vorläufer des Faschismus haben ebenso wie Lukács - jedoch aus bürgerlicher Sicht - Antimodernität und Kulturpessimismus in den Vordergrund gestellt. Noch heute wird diese Fehleinschätzung auch im Antifaschismus gepflegt, wo z. B. ein Religionswissenschaftler mit dem Pseudonym Herbert Wilhelm-Rotenburg in der antifaschistischen Zeitschrift "Der Rechte Rand" von "deutsche(n) Sehnsüchte(n) nach diesseitiger Erlösung aus der Gegenwart" und - wie wir gesehen haben, gänzlich falsch - von der "Diesseitsreligion" als "Enttranszendierung (!) zeitgenössischer Erlösungshoffnungen" der zwanziger Jahre schreibt. Wie auch bei den Überlegungen von Wölflingseder zum Zusammenhang zwischen Capras Ideologie und dem Faschismus, wird hier die wesentliche Komponente des pantheistischen Organizismus, das Faustische, ausgeblendet. Deshalb werden die völkisch-naturmystische Religiösität und die sie mit vertretende erste Öko- und "New Age"-Bewegung der zehner und zwanziger Jahre, die deutsche Jugend- und Lebensreformbewegung, wegen der sie begleitenden romantizistischen Zivilisationskritik einseitig und fälschlich als den Kapitalinteressen entgegenstehend beurteilt. Erst neuerdings hat die Diskussion um die Modernisierungstendenzen des Nationalsozialismus eingesetzt. Erst neuerdings auch zwingen die lange totgeschwiegenen Arbeiten von Reinhard Opitz und aus der "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus" und ihrem Umfeld zur "Neuen Rechten" und Konservativen Revolution etablierte Rechtsextremismusforscher zu Reaktionen. Nun endlich ist mit einer Änderung im linken Spektrum zu rechnen. (338)

Totale Mobilmachung der Technik

Während das New Age sich aus verständlichen Gründen nicht offen auf faschistische Vordenker beziehen kann, obwohl heutige New Ager mit den Werken Chamberlains bereits gut bedient wären, haben Neofaschismus und New Age einen herausragenden Ideologen des zwanzigsten Jahrhunderts gemeinsam, auf den beide nicht verzichten wollen: Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955), gegen den der ebenfalls gemeinsam ausgeschlachtete Antoine de Saint-Exupéry weit abfällt. Capra findet, daß Teilhard "derjenige" sei, "dessen Gedanken denen der neuen Systembiologie am nächsten kommen. ... Sieht man Gott als universale Dynamik der Selbstorganisation, dann könnte Teilhards Gottesvorstellung, wenn man sie von ihren patriarchalen Begriffsinhalten befreit, unter den vielen Bildern, mit denen Mystiker das Göttliche beschrieben haben, den Vorstellungen der Modernen Naturwissenschaft am nächsten kommen." Hunke - die gegenwärtig herausragendste religiöse Ideologin des Neofaschismus, von der Alain de Benoist einen Großteil seiner Vorstellungen des "Heide Seins" übernimmt - widmet dem französischen Jesuiten Teilhard zig Seiten Lobeshymnen, mehr als manchem altbekannten deutschen Ahnen. Dabei hebt sie vor allem den Aspekt der Tat in Teilhards Arbeiten hervor, weil dies die Zielperspektive des faustischen Menschen, des Heroischen Realismus ist. Seine Einheit in der Vielheit sei vor allem ein "prozeßhaftes 'Vereinigen'" als Tat des Gottmenschen, Teilhard selbst sei "Vollzieher der Einheit", gehe daran, "das heillos Gespaltene wieder zu heilen, die Materie zu heiligen." Hunke zitiert Teilhards Forderung, sich als Christ vom "überholten Orientalismus" abzuwenden und die "christliche Mystik nach einem 'Pantheismus der Einigung' hin (zu) entwickeln." Es ist nicht abstrakt zu verstehen, sondern mit Sicht auf die Technik, auf die angewandte Naturwissenschaft, wenn Hunke Teilhard mit den Sätzen zitiert: "'Bade dich in der Materie, Menschensohn! Tauche in sie ein, dort wo sie am gewaltigsten und am tiefsten ist! Ringe in ihrem Strom und trinke ihre Flut! Sie hat ehedem dein Unbewußtes gewiegt. Sie wird dich bis zu Gott hintragen!'". Und weiter Hunke, dann Teilhard zitierend: "Denn tiefer als durch jede andere Art von Hingabe vereinigen wir uns mit Gott durch unser Tätigsein. 'Im Handeln schließe ich mich der Schöpferkraft Gottes an; ich falle mit ihr zusammen; ich werde nicht bloß ihr Instrument, sondern ihre lebendige Verlängerung. Und da es in einem Wesen nichts Innerlicheres gibt als seinen Willen, so werde ich auf gewisse Weise durch mein Herz mit dem Herzen Gottes eins'". Mehr noch: "'Er (Gott, P. K.) erwartet uns vielmehr jederzeit im Handeln, im Werk des Augenblicks. Er ist gewissermaßen an der Spitze meiner Feder, meiner Hacke, meines Pinsels, meiner Nadel'" - das Gewehr, den Totschläger, die Gaskammer erwähnt Teilhard hier klugerweise nicht, das wäre zu auffällig, auch Hunke verschweigt dies lieber.

Es ist, als läse man Chamberlain, der die Göttlichkeit des "Ariers" in dessen Willen und die Ethik in dessen Pflicht zur Tat aus diesem Willen heraus sah. Der Bezug auf das "Herz" findet sich schon beim mittelalterlichen "deutschen Mystiker" Eckhart. Hunke, die später in ihrem Buch das "Dunkel" und das "Zerstörerische" "heiligen" will, fährt fort, Teilhard interpretierend: "Indem ich mich in meinem Tun - in der niedrigsten Arbeit und um wieviel mehr in der großen schöpferischen Leistung - mit Gott verbinde, werde ich Mitwirker, Mitschöpfer Gottes. ... Denn alle (!) Betätigungen dieser Welt sind Dienst an der fortschreitenden Evolution und Vollendung des Kosmos nach vorn in Richtung auf Gott zu, vorerst auf den Endpunkt, den 'Punkt Omega'". Der "Punkt Omega" ist ein Ausdruck Teilhards, auf den er den "kosmischen Christus" projiziert, "der mit dem Jesus Christus des Christentums", so höhnt Hunke nun, "der vor 2000 Jahren in Palästina als Gottes Sohn wandelte und durch seinen Opfertod am Kreuz die sündige Menschheit erlöste, ebensowenig zu tun hat wie der in allem durchschimmernde Gott mit Jahwe." (339)

Günther Schiwy, der Biograph Teilhards, gibt in seinem Buch "Der kosmische Christus. Spuren Gottes ins neue Zeitalter" eine Erklärung von Teilhards "Kosmischem Christus" und "Punkt Omega"? Es ist ein Allüberall-Christus, der dem Äther-Konzept bei Chamberlain entspricht, eine Religion des "Panchristismus statt Pantheismus", wie Schiwy es nennt. Schiwy sieht nicht nur das ethische Problem, er spricht es auch aus, als Frage nach der Möglichkeit des Kosmischen Christus in den Tätern von Auschwitz: "So wehrt sich auch Christus in uns nicht gegen den Mißbrauch, den wir mit ihm treiben." Wie praktisch, daß diese Weltanschauung den Komplex Auschwitz ihrem "Christus" in die Schuhe schieben kann, und die Gentechnik und die Atombombe noch hinterher. Man kann sich vorstellen, was dieses anti-biblische "Christus"-Konzept anrichten kann, das in keiner Weise mehr Barmherzigkeit als notwendig einfordert, aber jeden "Mißbrauch" mit angeblicher Göttlichkeit entschuldigt. Beim New Age-faschistischen Erzheiligen Teilhard soll das Göttliche nicht mehr soziale Verbesserungen initiieren, sondern die menschliche Tat als solche mobilisieren. So werden ethische Skrupel zurückgedrängt, die den Menschen von der bestimmten verwerflichen Tat abhalten könnten. Teilhard ist im heutigen "christlichen" Organizismus mit seiner Begeisterung für Technik und Fortschritt und für den Heroischen Realismus als religiöse Haltung das, was Ernst Jünger für die Konservative Revolution ist. (340)

"Alles Handeln ist Gottesdienst", schließt Hunke nun direkt an Teilhards "Kosmischen Christus" an und spricht noch von der "Heiligung der Arbeit". Ausdruck dieser Euphorie zum Handeln an Gottes Statt war der Kult der "Heiligung der Arbeit" im Nationalsozialismus. Die "Gotteinigung", schreibt Hunke, strebe nach "Selbstfindung und Seinsfindung. Sie will nicht Selbsterlösung, sondern Selbstverwirklichung durch Tätigkeit mit voller Hingabe aus dem eigenen Grund (Meister Eckharts Gottesverständnis als "mein Grund", P. K.), aus innerer Gottwesenheit und göttlicher Vollmächtigkeit. ... Der Mensch - sagt Eckhart - soll seine Innerlichkeit ausbrechen lassen in die Wirksamkeit und lernen, 'Gott inne zu haben in all seiner Arbeit'". Das ist die New Age-faschistische Alternative zur Aufhebung der Entfremdung und zur Selbstverwirklichung des Menschen, wie wir sie von Karl Marx her kennen. Damit hat Hunke tatsächlich ein "nach-kommunistisches Manifest" geschrieben, wie ein späteres Buch der Neofaschistin heißt. Hier wird menschliche Arbeit auch dann als "Selbstverwirklichung" ausgegeben, wenn ihr Ergebnis "dunkel" und "zerstörerisch" ist, wenn sie nicht schafft - erst recht keinen Wohlstand und kein besseres Leben für die Mehrheit -, sondern wenn sie Elend bringt, von dem nur einige wenige Herrschende und ihre ideologischen Agenten profitieren. Wenn Josef Goebbels vom "totalen Krieg" sprach und davon, Wehrmacht und SS würden in die Schlacht ziehen "wie in einen Gottesdienst", dann war genau dies gemeint, was uns Hunke und Schiwy dankenswerterweise in großer Offenheit präsentieren: der Heroische Realismus als religiöse Haltung, um den Preis des Lebens konkreter Menschen und des Zerstörens konkreter natürlicher Zusammenhänge, zugunsten eines nur noch abstrakt bestehenden "Lebens", mit dem der gesamte Kosmos gemeint ist, aber kein einziges seiner Teile. (341)

Dafür steht auch Pierre Teilhard de Chardin. Er verbindet Naturwissenschaft und Spiritualität im ganzheitlichen "Glauben an die Einheit". (342) Er will nicht Faust, sondern Prometeus sein, allerdings mit demselben Ergebnis. Schiwy schreibt in seiner Teilhard-Biographie von 1981, als er wohl dem "Kosmischen Christus" gegenüber noch skeptischer war, über Teilhards Ansicht: "Der Mensch müsse erkennen, daß es seine Aufgabe ist, 'sich selbst biologisch zu vergrößern und zu verändern'". Diese Position verficht auch Mynarek, der den "ökoreligiösen Menschen" als einen auf der Stufenleiter der Evolution bereits über allen anderen Menschen stehenden neuen Herrenmenschen proklamiert. Teilhard schwärmte in den dreißiger Jahren von der Züchtung des Übermenschen, für die die Wissenschaft bis zu ihren denkbaren Grenzen fortgetrieben werden solle. Religiöse und moralische Bedenken hiergegen hielt dieser Säulenheilige des New Age für unsinnig und reaktionär. In dieser Zeit hielt er sich auf Kosten des US-amerikanischen Viking-Fund in Südafrika auf und suchte in Höhlen nach dem prähistorischen Übermenschen, den es wiederherzustellen gelte. Schiwy wendet ein: "Teilhard begibt sich im Hinblick darauf, was die Nationalsozialisten in Deutschland bereits zu praktizieren beginnen, auf ein gefährliches Terrain." Für den "faustischen" Menschen aber wäre ein solcher Einwand absurd, denn "gefährliches Terrain" ist ja gerade sein Metier, ethisch und technisch. 1937 macht Teilhard sich Gedanken über eine etwaige Energiekrise und über die Schaffung des neuen "Über-Menschen". Schiwy zitiert ihn: "'Was kommt nach der Kohle, dem Wasser, dem Erdöl? ... In diesem Punkt können wir der Physik vertrauen'". Und Schiwy fragt nachträglich besorgt: "Atom?"

Tatsächlich hielt der trotz seines christlichen Bekenntnisses tief im europäischen Heidentum verwurzelte Teilhard das Freisetzen der Atomenergie für "sittlich berechtigt", da die Menschen in ihrer Self-made-Höherentwicklung "bis an die äußerste Grenze" gehen müßten, wie Schiwy ihn zitiert. Doch Teilhard fordert noch Weitergehenderes, für seine Zeit auf der Höhe der Naturwissenschaft: "Modellieren des menschlichen Organismus mittels der Hormone. Kontrolle der Vererbung und der Geschlechtsbestimmung." Der faustische Teilhard, der "Vernunft und Mystik" verbinden will, hat auch sogleich die passende gesellschaftspolitische Perspektive, wenn er - diesmal bei Bahro zitiert, der ihm zustimmt - in seinem Hauptwerk "Der Mensch im Kosmos" von 1959 "angesichts von Nationalsozialismus und Kommunismus die politische Frage so zuspitzt: ... 'Wenn eine Energie toll wird, stellt der Ingenieur keineswegs ihre Kraft in Frage. Nimmt er nicht einfach seine Rechnung nochmals vor, um herauszufinden, wie man sie besser lenken könnte? Ist das moderne Totalitätsprinzip nicht eben deshalb so ungeheuerlich, weil es vermutlich das Zerrbild eines wundervollen Gedankens ist und der Wahrheit ganz nahe kommt?'" Der Wahrheit ganz nahe: Führer befiehl... Teilhard sah den Krieg als Bestandteil der natürlichen Evolution an, "der Abwurf der ersten Atombombe über Hiroshima erfüllte ihn mit Bewunderung für den technischen Fortschritt als Ergebnis des menschlichen Superhirns", wie Ruppert kommentiert. (343)

Rainer Langhans, der nachspüren möchte, was Hitler wirklich wollte, bringt es in seinem oben zitierten "taz"-Interview vom 12. April 1989 auf den Punkt: "Nichts wegnehmen, keine Projekte der Askese, des Verzichts - die Menschen wollen Gott sein, na dann sollen sie." Und vorher: "Wir müssen uns die Mühe machen, uns nirgends schrecken zu lassen, um noch in den fürchterlichsten Verzerrungen das Schöne zu entdecken, das eigentlich intendiert ist. Was will die Gentechnik? Sie will - auf das Materialistische reduziert - weil man das andere nicht kennt - auf der grobstofflichen Ebene einen 'neuen Menschen' realisieren, so schön wie irgend möglich. Das ist sehr verdienstvoll. ... Wenn du weiter oben sitzt, siehst du den größeren Zusammenhang und du siehst: ES IST GUT." Hitler selbst hatte in den "Tischgesprächen" schon seine Interpretation des Übermenschen nach Nietzsche zum besten gegeben: "Der Mensch wird Gott, das ist der Sinn!" Solche Zitate, die in der Tradition Teilhards auf die Gentechnik verweisen - auf den "Arier", der als Subjekt und Objekt seiner Selbst auftritt - lassen sich auch bei Hunke leicht finden: "Weil Gott mit uns wächst, ist es an uns, immer mehr an uns selbst zu arbeiten und uns selbst zu überholen und selber seelisch und geistig zu wachsen und uns, unser Tun und unser Leben zur Vollkommenheit zu leben." Man wäre sogar verpflichtet dazu, denn "der Mensch ist für Gott verantwortlich. ... Erst hier erhebt sich der Mensch über sein kreatürliches Sein." (344)

Kein Wunder, daß die Weltanschauung des New Age, die die religiöse Rechtfertigung für jedes Handeln parat hat, besonders bei Naturwissenschaftlern beliebt ist. Nicht allen New Agern ist dabei wohl. Roman Schweidlenka, ein Anhänger der archaischen indianischen Naturmystik, kritisiert in seinem Buch "Altes blüht aus den Ruinen" die zunehmende Technikgläubigkeit in den eigenen Reihen. Die Versöhnung von "High Spirit" mit "High Tech" in Verbindung mit dem "organischen Bewußtsein" erinnert ihn an den Faschismus. Allerdings erkennt Schweidlenka nicht den unlösbaren Zusammenhang zwischen Organizismus und faustischer Tat, der das New Age fürs Kapital so attraktiv macht. Deshalb bleibt die Attraktivität für ihn erstaunlich und unverständlich. Schweidlenka kann sich nur moralisch darüber entrüsten, daß ein New Age-Ideologe wie David Spangler aus der Findhorn-Kommune seine Hoffnung auf die Atomkraft setzt, statt zu erkennen, daß dies die Konsequenz der Naturmystik und des ganzheitlichen "Neuen Denkens" ist. Roger Niedenführ stellt den Technik-Fanatismus von New Age-Größen dar und nennt George Trevelyan (Weltraumfahrt und Mikrochips), Timothy Leary (Atomenergie und Computer) und David Spangler (der das New Age eine "technologische Vision" nenne). Dies allerdings dürfte nach Teilhard de Chardins Ausführungen schon nicht mehr erstaunen, die Niedenführ freilich nicht kennt. Der wahre, hinterstehende Sinn des New Age wird deutlich, das eigentliche Ziel der pantheistisch-naturreligiösen Selbstvergöttlichung, die so ökotümlich daherkommt: die totale Mobilmachung der Technik. (345)

Gerd Gerken ist einer der führenden New Ager für die Manager der europäischen Großkonzerne. Sein neues Buch "Manager... Die Helden des Chaos. Die neue Elite der Wirtschaft ist da" mit dem Untertitel "Das Tao Projekt" wird von der Zeitschrift "Wirtschafts-Woche" 1993 auf der "Wirtschafts-Bestseller"-Liste geführt. In aller Offenheit stellt Gerken seit Jahren die faustischen Konsequenzen des "Neuen Denkens" als erstrebenswerte Zukunft dar und ist deshalb zum Prügelknaben der New Ager um Schweidlenka geworden, die sich entweder selbst nicht dieser Konsequenzen ihrer eigenen Ideologie bewußt sind oder ihr Bekanntwerden verschleiern möchten. In seinem Buch "Die Geburt einer neuen Kultur. Vom Industrialismus zum Light Age" hat Gerken zahlreiche Ideen zusammengefaßt, die vorher bereits in seiner Manager-Zeitschrift "Trend-Radar" bzw. "Radar für Trends" veröffentlicht worden waren. Bei ihm läuft alles auf die Verbindung von "Esoterik und Elektronik" hinaus, er scheut sich auch nicht, "Menschenzüchtung" mit dem Ziel der "Bewußtseinsprogrammierung" - dem "Bio-Chip" - zu propagieren. Das allerdings ist die Tradition Teilhards. Solche allzu offenen Worte brachten dem erfolgreichen Unternehmensberater Gerken dann allerdings die Kritik aufgeklärter Interessenvertreter des Kapitals ein. Der Chefredakteur der Zeitschrift "Management Wissen", Peter Derschka, kämpft gegen den New Age-Boom in den oberen Konzernetagen an: "Sorglose Übertragung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse auf das Zusammenleben der Menschen", meint Derschka, "ist sogar gefährlich."

Zu breiter Bekanntheit brachte es Gerkens "Streitschrift für eine zukünftige Ökologie", die er im November 1989 in der Zeitgeist-Zeitschrift "Wiener" veröffentlichte: Alle sogenannten Zukunftstechnologien im biologischen und elektronischen Bereich sollen seiner Meinung nach, spirituell unterstützt, massiv gefördert werden. Denn über diese Technologien führe nicht nur der Zugang zum All-Göttlichen, sie öffneten auch den Weg, dieses mitzugestalten. "Die kosmische Absicht ist völlig offenes Werden. Es ist egal, was dabei herauskommt, denn es ist immer gut. Wichtig ist nur, in diesem offenen Werden unseren eigenen Egoismus als Menschen einzufügen", meinte Gerken im "Wiener". Er predigt unmißverständlich die Ethik der faustischen Tat, wie es ihm die Ideologen des historischen Faschismus vormachten: Die Natur dürfe ruhig zerstört werden, wenn es nur zum Nutzen der Menschen sei - wobei die Menschen, die seine Schriften lesen, die Manager der Konzerne sind. "Wagnis, Zerstörung und Transformationen", notfalls auch "genetische Eingriffe", sollten den Geist mobilisieren, der ja im New Age als das eigentlich Göttliche gilt. Die genetische Höherentwicklung des Menschen ist damit eine von diesem betriebene Höherentwicklung des Göttlichen. (346)

Hier wird die tiefere Bedeutung des Schlagwortes "Religio statt Liberatio" (Bindung an Göttliches statt Befreiung des Menschen) deutlich, die Jost Hermand bereits im Spiritualismus der völkischen Bewegung entdeckt: Kein Mensch, der frei und verantwortlich handelt, wird am menschlichen Genpool herumexperimentieren. Gerken fordert dagegen, mit "mehr Bio Tech, mehr Gen Tech und High Tech ... in die nächste Etappe der Kultur einzudringen, in die Co-Evolution." Hier treibt der Mensch im Bewußtsein, die Verwirklichung des All-Göttlichen zu sein, dieses Bewußtsein mit sich und der Natur "höher". Bei Mynarek ist es der "ökoreligiöse Mensch", der den "Sinn der Erde, der Evolution der Natur" darstelle. Hier liegt die extremste denkbare Versubjektivierung der Eliten im Interesse der Herrschenden vor. Es ist eben falsch - aber symptomatisch für die bisherige New Age-Kritik - wenn Niedenführ einseitig die zivilisationskritische Seite des New Age heraushebt und dessen Haltung kritisch zusammenfaßt: "Die Verhältnisse sind selbst Ausdruck des Göttlichen und werden, so wie sie sind, ethisiert, während die die herrschende Ordnung permanent bedrohende Subjektivität des Menschen disqualifiziert wird." In Wahrheit wird jedoch im New Age die den Herrschenden dienliche Subjektivität keineswegs disqualifiziert, sondern ins Göttliche, ja ins Über-Göttliche gehoben, um solche faustischen Taten zu ermöglichen, die eben weit über die Verhältnisse, "so wie sie sind", hinausführen sollen - allerdings nicht im Interesse der Mehrheit der Menschen. (347)

Mephisto mutiert zu Faschisto: Die "Neue Rechte" setzt Mythos, aus dem "indogermanischen" Heidentum abgeleitetes Gottmenschentum und Technik planmäßig ein. Guillaume Faye, in der französischen "Nouvelle Droite" der bekannteste Ideologe nach Alain de Benoist, hält die Technik für einen wesentlichen Teil der "eigenen" ureuropäischen ("arischen") Identität. Das kennen wir schon von Chamberlain und Hunke. Er spannt den Bogen von der Respiritualisierung durch den Rückgriff auf die Naturmystik des Meister Eckhart zur modernen Technik als der "zweiten Magie", hierbei Goethes Faust aufnehmend. Mit der Technik könne der Europäer endlich zum Herrn der Welt werden, alle anderen Menschen beherrschend. Faye schreibt voller Begeisterung: "Der stets riskierende europäische Mensch fand in seiner Technik die kulturellste aller Kulturen. ... Der faustisch gewordene europäische Mensch überschreitet durch die Wissenschaft und die Technik, was alle Zivilisationen - das Judao-Christentum inbegriffen - nicht zu verletzen wagten, nämlich die offenbare Ordnung der Natur."

Das Ende von Fayes Überlegungen und die Spitze seiner Argumentation muß etwas länger zitiert werden: "Da virtuell nicht die 'Geschichte', sondern die Techno-Wissenschaft die Verlängerung der natürlichen Evolution ist, wäre es dann denkbar, daß die Europäer, sich hierbei von den anderen Völkern unterscheidend, die göttliche Kühnheit zeigen, die Technik - ihre Technik - zu benutzen, um eine steigende Selbstmodifizierung zu vollziehen, was Nietzsche metaphorisch als den Marsch zum Übermenschen bezeichnete?" Und er gibt selbst die Antwort: Es gehe um nichts anders als "um die Tatsache, daß die Völker, die die künftige Techno-Wissenschaft fest in die Hand nehmen, sich vor allem durch die Beherrschung der Genetik und der zugehörigen Wissenschaften die Möglichkeit zu einer Selbstmutation geben werden mit allen Gefahren, aber auch mit allen Möglichkeiten, die diese Wette bzw. Wagnis beinhaltet. (Gemeint ist die Wette des Faust, P. K.) Anstatt vereinheitlichend und einebnend zu sein, wird die Techno-Wissenschaft den Völkern, die sich ihr hinzugeben wagen, als das wichtigste Mittel erscheinen, ihre Verschiedenheit gegenüber den anderen zu behaupten und zu gestalten - wird gewissermaßen die differenzierende Logik der natürlichen Evolution ablösen." Der "Übermensch" war bereits das Ziel des britischen Genetikers J. B. S. Haldane, eines Sohnes des neben Smuts bedeutendsten holistischen Ideologen der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrunderts, John Scott Haldane. (348)

Ein anderer Fanatiker des Übermenschentums, Pierre Teilhard de Chardin, sicherte in seinem Buch "Mensch und Kosmos" solch faustische Taten ideologisch ab: "Religion und Wissenschaft: die Verbindung der beiden Seiten oder Phasen eines einzigen vollständigen Erkenntnisaktes - des einzigen, der Vergangenheit und Zukunft zugleich umfaßt, um sie zu betrachten, zu messen und zu vollenden." Pierre Krebs zitiert Nietzsche: "'Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll', er ist 'ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch." Pantheistisch spirituell fundierte Science Fiction, wie wir sich in New Age oder Neofaschismus finden, ist nichts neues. Jost Hermand berichtet davon, daß schon zur Zeit vor dem Faschismus Science Fiction-Romane, deren Handlungen im Weltraum spielten, "im Dienste der deutschen 'Weltmission'" gestanden und ideologisch gegen die USA, die Sowjet-Union und Japan als die kommenden Weltmacht-Konkurrenten gekämpft hätten. Ein kosmischer Imperialismus, in dem die Deutschen schließlich sogar andere Planeten unterwarfen, sei hier propagiert worden, "die Grundlage einer solchen Machtergreifung und Machtbehauptung konnte ... in letzter Instanz nur die Überlegenheit der deutschen Technik sein." Die Position der Macht durch Technik für die "nordischen Völker" hatte bereits Oswald Spengler in seinem Buch "Der Mensch und die Technik" vertreten: Der "größte Schatz" der Arier und "Geheimnis unserer Kraft" sei das "technische Wissen". (349)

Ein nicht-biologischer Weg, um zum "Übermenschen" zu gelangen, wird in der Forschung zur künstlichen Intelligenz (KI) beschritten, die in eigenen KI-Laboratorien der EDV-Multis und - gesponsert im Rahmen des SDI-Programms für den "Krieg der Sterne" - von der Rüstungsindustrie betrieben wird. Im New Age widmet man der EDV-High Tech größte Aufmerksamkeit. Allerlei Hilfsmittel sind schon auf dem Markt, die dem Esoteriker vorgaukeln, er könne sich mit Elektronik in vermeintlich höhere Sphären des Bewußtseins katapultieren und damit Überlegenheit über die Normalmenschen erlangen. Was mit Bio-Feedback-Geräten und "Mind-Machines" begann - elektronischen Drogen zur vermeintlichen Bewußtseinserweiterung -, hat inzwischen das Niveau hoch hierarchisierter Computernetze erreicht. Man schließt sich an in der Hoffnung auf den direkten Draht zum kosmischen Geist. Kein Wunder, daß sich an größeren New Age-Kongressen immer mal wieder Wissenschaftler und Manager z. B. von IBM beteiligen, die neben der Jagd nach den neuesten Trends der Computer-Meditation sicher auch an den Psi-Erfahrungen, Gehirntrainings und Bewußtseinserweiterungen mancher New Ager ein ökonomisches Interesse haben.

Viele Führer des New Age sind die treibenden Kräfte bei der Spiritualisierung der zweiten industriellen Revolution. Peter Russel, der den New Age-Kongreß "Geist und Natur" 1988 in Hannover als Meilenstein für die Bewegung feierte, sagt: "Die Entwicklung zielt darauf ab, mit Kleinstcomputern, die jeder in die Tasche stecken kann, zahlreiche Menschen mit Datenbanken rund um den Globus in Verbindung zu bringen. ... Unser nächster evolutionärer Schritt wird deshalb die Co-Evolution der Menschen mit ihren Erzeugnissen vorsehen. ... Wir werden uns nicht länger als isolierte Individuen erleben, sondern als Teil eines rasch sich integrierenden globalen Netzwerkes, als Nervenzellen eines erwachenden globalen Gehirns." Und Timothy Leary, der in den USA eine ähnliche New Age-Karriere machte wie Rainer Langhans in Deutschland, ergänzt in derselben Weise, aber auf seinem Felde: "Menschen, die Computer-Signale benutzen, um ihre gegenseitigen sexuellen Wünsche zu befriedigen, sind auf die nächste evolutionäre Stufe menschlichen Interagierens gestoßen, auf elektronisches Kopulieren."

An der bekanntesten Denkfabrik des US-amerikanischen Kapitals, dem Massachusetts Institute of Technology, vertrat der früher weltweit führende KI-Forscher Marvin Minsky die Position, der althergebrachte Mensch sei beschränkt, denke zu langsam und zu fehleranfällig. Er sei chancenlos gegen die neuen Rechner-Entwicklungen. Die Super-Computer der Zukunft sollen die Subjekt-Objekt-Trennung auflösen. Ihre Regelkreise simulieren die Ganzheit von Natur und Kosmos. Was diese Rechner ausspucken, erhebt den Anspruch auf Unfehlbarkeit. Computer konstruieren Computer: Es sieht so aus, als herrsche der abstrakte Geist, selbstgöttlich, vom Menschen unabhängig. So soll - exakt durchgerechnet - eine Neuschöpfung der Welt entstehen. Die schöne neue Computer-Welt wird "sanft" angepriesen: Mit KI-Systemen verbundene Roboter würden den Menschen von der Arbeit befreien, er könnte sich wieder dem vermeintlich "eigentlich Menschlichen" zuwenden. In Wahrheit jedoch - die Linke weiß es spätestens seit Karl Marx und Friedrich Engels - ist die bewußte Arbeit an der Welt doch das "eigentlich Menschliche", das uns vom Tier unterscheidet. Die Entsubjektivierung der Massen geschieht hier mit Hilfe der Rechner-Elektronik.

Doch nicht ein abstrakter Geist, sondern die EDV-Konzerne herrschen. Sie gaukeln der Mehrheit der Bevölkerung vor, ihre Maschinen hätten sich sogar von der menschlichen Arbeitskraft emanzipiert. Auch dies ist eine Art, Herrschaft unhinterfragbar zu machen. Doch an IBM, Siemens oder Mitsubishi können dieselben Fragen gestellt werden, die Bertolt Brecht seinem lesenden Arbeiter in den Mund legte. Braucht nicht der angeblich übermenschliche Computer eine Steckdose? Ersticken seine Schaltkreise nicht im Staub, ohne Putzfrau? Muß der abstrakte Geist nicht aufgeben, wenn die Stadtwerke den Strom sperren, weil der EDV-Konzern in der weltweiten Konkurrenz Pleite ging und die Stromrechnung nicht bezahlen kann?

Hans-Peter Michels konnte 1991 in seiner Dissertation "Informationsverarbeitung und Künstliche Intelligenz" - orientiert an der "Kritischen Psychologie" der Schule Klaus Holzkamps - zeigen, daß die Versprechungen Minskys und der KI-Forscher hohl sind. Die Computer-Systeme abstrahieren von der gesellschaftlichen Bedingtheit der Welt und des Menschen, seine Interessen und Motive werden ausgeklammert. Die Simulationsmodelle beanspruchen eine unhistorische Allgemeingültigkeit, deren Ziel offensichtlich ist: Eine errechnete Gesellschaft, die im Interesse der High Tech-Konzerne funktioniert, soll nicht im Interesse der Mehrheit der Menschen veränderbar sein. Michels bestreitet den Anspruch der KI, mit der bisherigen Arbeitsweise "lebensnahe" Modelle der Wirklichkeit bereitstellen zu können - und damit implizit die Möglichkeit eines Computer-Gaia -, weil sie die gesellschaftlich-historische Bedingtheit ihres Gegenstands, des menschlichen Denkens und im Extrem des Kosmos, negiert. Der Anspruch der KI, eine vom Menschen unangreifbare "Hyperrealität" zu schaffen, beruhe lediglich auf der "Verkehrung" der wirklichen Zusammenhänge: Die Computerprogramme und ihr Input würden doch erst von den EDV-Ingenieuren - beschränkt in den Grenzen der Computer-Hardware - hergestellt; deshalb könnten sie nicht als Gesetzmäßigkeiten gelten, die den Gegenständen - Mensch, Gesellschaft, Natur, Kosmos - inhärent seien. Die "Verkehrung" folgt den Interessen der Konzerne, die ihre "Welt am Draht" in derselben Weise als Gesellschaftsmodell verstehen, wie anderweitig die Gesetze der Natur modellhaft präsentiert oder "mystisch erfahren" werden. Für die religiöse Überhöhung der vermeintlichen Computer-Gaia sorgen dann New Age-Ideologen. (350)

Wie die neofaschistische "Neue Rechte", so sieht auch der New Age-Philosoph Walter Zimmerli - neben Hans-Peter Dürr Mitausrichter des Kongresses "Geist und Natur" von 1988 - die "Technik als Natur des westlichen Geistes", wie er seinen Kongreß-Vortrag damals betitelt. In einer undurchsichtigen Darstellung, die aufzuhellen sich lohnt, reserviert hier ein ideologischer Weggefährte konservativer Politik den Wohlstand - der aus der Technik entsteht - implizit für die Region, die im Faschismus die des nordischen oder arischen Menschen genannt wird. Nachdem Zimmerli unter Bezug auf Capra, Weizsäcker und andere die Natur als "das auf höherer Strukturebene sich erneut selbstorganisierende System aus selbstorganisierenden und fremdorganisierten Teilsystemen" definiert hat, gibt er - unter explizitem Hinweis auf die Ahnengalerie der anderswo "Europas eigene Religion" genannten Weltanschauung - es als ein "Charakteristikum der so neu gedachten Natur" aus, daß sie auf eine "Konvergenz mit dem Numinosen" zulaufe. es sieht den Zusammenfall der Natur mit dem Heiligen, Göttlichen, bei dem "Natur selbst zum Wert avanciert und daher aus dem Status eines Begriffs der Beschreibung in den der Vorschrift übergeführt werden kann." "Wert" und "Vorschrift" sind Begriffe aus der menschlichen Gesellschaft. In der Natur sind Gleichheit und Solidarität unbekannt. Solidarität tritt bestenfalls "in biologistischer Absicht" zum Schutz der Nachkommen auf, man denke an das Sozialverhalten der Delphine. Dagegen ist hier das Recht des Stärkeren Gesetz. Die Auswirkungen der "Vorschrift Natur" stellen sich in der menschlichen Gesellschaft als Barbarei ein. (351)

Zimmerlis betont den Tat-Aspekts menschlichen Verhaltens als Teil der Natur und - "Yin und Yang" - gleichzeitig gegenüber der Natur. Indem er das Göttliche als die Natur einführt, bekommt die "Tat" ihre spezifisch heroisch-realistische Ausprägung. Diese hat nichts mehr gemein mit dem marxistischen Konzept der Arbeit, das ja ebenfalls ein Handeln gegenüber der Natur beinhaltet. Bei Zimmerli kann in der Konsequenz nichts anderes herauskommen als die nur religiös und mystisch begründbare Tat, also - wiederum - die in jeder Hinsicht aus der menschlichen Kritik und Hinterfragbarkeit - erst recht der Verfügbarkeit von Mehrheiten - herausgehobene Tat. Sie steht im Gegensatz zum materialistischen "Arbeits"-Konzept des Sozialismus, weil sie als letzte Beurteilungsinstanz das Transzendente vorsieht, dessen wahrer Charakter seit Feuerbach und Marx erkannt ist: als die Willkür der Herrschenden, mindestens aber als das Opium zur Betäubung der Vernunft der Beherrschten.

Zimmerli knüpft an Spinozas und Schellings Pantheismus an und beschwört "das Charakteristikum der Konvergenz von Wissenschaft und Religion/Mystik" als Folge des Zusammenfallens von Natur und Gott. Naturwissenschaft und Technik seien es, die erst das Bedürfnis nach dieser Sicht einer Konvergenz schüfen: "Erst dadurch, daß ich Natur technisch ergreife und durchwalte, und zwar erst von einem gewissen Technisierungsgrad an, drängt sich das Gedankensyndrom, das ich als das 'Neue Denken der Natur' bezeichnet hatte, geradezu auf." Das heißt letztlich nichts anderes, als daß die Spiritualisierung der Natur die adäquat sinnstiftende Weltanschauung des technischen Zeitalters sei, welches via Mindesttechnisierungsgrad wiederum letztlich ein mittel-nordeuropäisches (US-amerikanisches, japanisches) Zeitalter sein soll. Diese Ansicht findet sich bereits in den Schriften der Konservativen Revolution verbreitet. Zimmerli will die technischen Eingriffe des Menschen in die Natur aus der Idee der Einheit der göttlichen Natur heraus ethisch rechtfertigen, nicht von den Bedürfnissen der Menschen her. Die Natur selbst trage technologischen Charakter, der technische Mensch sei im Rahmen der Einheit der Natur ihr Teil. Er steigt hier in den pantheistischen Zirkel ein, in dem die Natur gleich Gott, der Mensch Teil des Naturganzen, sein Handeln daher Ausdruck des Göttlichen und somit ethisch gerechtfertigt ist. Aus dem Zirkel dieser Art des Einheitsdenkens kommt er nicht heraus und endet, wie die Ideologen des New Age und des Faschismus, beim Heroischen Realismus als der göttlichen, schicksalshaften Handlungsorientierung. Allerdings versteckt Zimmerli diesen Zirkel und seine faustische Konsequenz recht gut.

"Die Ethik nun, die uns heute not tut" (hier greift Zimmerli sogar den in der faschistischen und New Age-Literatur verbreiteten germanentümlichen Begriff der spirituell begründeten "Not-Wende" auf, womit vollends klar wird, in welchen Denkzusammenhängen er sich bewegt, P. K.), "hat der Tatsache Rechnung zu tragen, daß es die Technik ist, die als die Natur des westlichen Geistes erkannt wird." Diese Ethik wird nun - gegen das Konzept Kants von der Vernunft-Ethik - ent-rationalisiert und an Irrationales, Spirituelles gebunden, an die Gott-Natur eben, die als "Vorschrift" daherkommt und deren Teil die Technik ist. Denn der normale Eliten-Mensch ist Zimmerli zu klein, die ethischen Maßstäbe müssen ihm, wie vorher bereits die Technik, aus der Hand genommen und vergöttlicht werden: "Die Ethik des technologischen Zeitalters muß zwar eine Ethik sein, die die Folgen mitbedenkt (Verantwortungsethik), aber sie muß zugleich eine Ethik sein, die in Rechnung stellt, daß unsere Vernunftkapazität zu diesem Zweck zu eng, zu begrenzt, an vielen Stellen sogar irreführend ist und möglicherweise in fatalem Maße selbstverstärkend wirkt. ... Das moralische Gefühl aber, heute in der Gestalt des Verantwortungsgefühls, ist hiervon (von der Verantwortung für die Folgen menschlichen Einwirkens, P. K.) scheinbar restlos überfordert."

Nun endlich sind beide - die Technik selbst und ihre Bewertung - an die zuvor vergöttlichte Natur gebunden. Hier ist der faustische Mensch entstanden, dessen Handeln sich dem Schicksal fügt: Seine Subjektivität, sein Handeln erwächst aus der göttlichen Natur, die gleichzeitig "Vorschrift" für die Bewertung seiner Taten ist. Hier werden nicht mehr die Mißachtung der Verantwortlichen gegenüber ökologischen Zusammenhängen und die meist hinter der Mißachtung stehenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten mit dem Ziel der Veränderung kritisiert, hier wird vielmehr eine angebliche Überforderung konstatiert, um als Mittel gegen sie eine prinzipiell unbegründbare, natur-göttliche "Vorschrift" festschreiben zu können. Diese "Vorschrift" aber steht - nach Lage der Dinge in der Wirklichkeit - im Interesse der Herrschenden. Zimmerli fordert: "In die Verantwortung der gesellschaftlichen Ausbildungsinstitutionen gehört es, gesellschaftlich Handelnde, Ingenieure ebenso wie Nichttechniker, durch eine sozialwissenschaftlich-geisteswissenschaftliche Integration der natur- und technikwissenschaftlichen Ausbildung in die Lage zu versetzen, technisch und gesellschaftlich tendenziell chaotische Lösungen von anderen zu unterscheiden" und die "chaotischen" meiden.

Eine alte linke Forderung, so mag es auf den ersten Blick erscheinen. Doch Zimmerlis Verständnis dieser "Integration" ist nicht dasjenige der Arbeiterbewegung oder der marxistischen "68er"-Studenten, die gesellschaftliches Handeln an die Interessen der Mehrheit binden wollten, statt es der Anarchie der Produktion unter kapitalistischen Verhältnissen zu überlassen. Es fragt sich schon, was denn mit "chaotisch" gemeint sein soll, etwa ein sogenanntes atomistisches Chaos der Gleichheit in der sonst so ordentlich hierarchisch gefügten Struktur der Gestalt? Zimmerli füllt die Floskel von der Natur als "Vorschrift" nirgends mit Konkretem, aber das Schlimmste muß befürchtet werden. Die alte Forderung der Linken wird hier nämlich in der Rollback-Phase der "geistig-moralischen Wende" auf einem CDU-unterstützten New Age-Kongreß erhoben, offenbar also gegen die Linke gewendet. Sie meint jetzt eine "sozialwissenschaftlich-geisteswissenschaftliche Integration" gesellschaftlichen Handelns in die Werte der Gott-Natur, des pantheistischen Organizismus statt des Sozialismus.

Zimmerlis Vortrag über "Technik als Natur des westlichen Geistes" war der Abschluß des New Age-Kongresses "Geist und Natur", zumindest steht er in dem Buch mit den Kongreß-Vorträgen am Ende. Hier wird als Quintessenz dieses New Age-Kongresses die Botschaft ausgegeben: Die zukünftigen Eliten brauchen ein spirituelles Rüstzeug zum faustischen Handeln. Gegen eine "religiöse Kultur", die dies vermittelt, hat Zimmerli nichts einzuwenden: "Nur dort, wo sie die Menschen von diesen Aufgaben abzieht (der Befähigung zur Integration von gesellschaftlichem Handeln und Naturspiritualität z. B., P. K.), indem sie ihnen eine visionäre heile Zukunft vorgaukelt, verstößt sie gegen ihre eigene Verantwortung in der technologischen Zivilisation." Was hiermit konkret gemeint ist, bleibt wieder offen. Doch geht man wohl nach seinem Bezug auf die Ahnengalerie des pantheistischen Organizismus bis hin zu Capra und auf die "Konvergenz der Natur mit dem Numinosen" nicht fehl in der Annahme, daß er einzig eine Wirklichkeitsreligion als die legitime "religiöse Kultur" ansieht, die das Gegebene mit der Konsequenz des Heroischen Realismus - also das unbegrenzt Schöpferische - affirmativ vergöttlicht. Diese "religiöse Kultur" präsentiert als Alternative zum Vorgaukeln einer heilen Welt die Sinnstiftung für das Faustische.

Zusammenfassend betrachtet hat Zimmerli hier den Elite-Menschen zu demselben Übermenschen oder Großmenschen gemacht, den wir oben bei anderen pantheistisch-organizistischen Autoren fanden. Auf Umwegen zwar, aber zum Ziel kommend, geht es hier offenbar um eine Technik und eine sie bewertende Un-Ethik, die der intersubjektiven Vernunft als dem Kontrollinstrument der Massen entzogen ist und sich statt dessen auf Religion stützt. Diese Religion darf aber keine Eschatologie von der zukünftigen Harmonie beinhalten, sondern als Inhalt des Naturmystischen nur die Wirklichkeit der technologischen Zivilisation lehren. Carl Friedrich von Weizsäcker kommt von einem fast pantheistischen Christentum her auf plattestem Wege zur Vergöttlichung der Technik, wenn er fragt, "ob nicht die Wunder der Technik ... ein Teil jener Werke sind, von denen Christus gesprochen hat, als er sagte, wir würden seine Werke auch tun und größere als er." Auch in diesem Sinne war Weizsäcker auf dem von Zimmerli mit ausgerichteten Kongreß "Geist und Natur" zu recht eingeladen. (352)

Wir sehen in all diesen Ansätzen, wie unterschiedlich sie sich auch im Detail geben mögen, die totale Dienstbarmachung der Technik und der Menschen für die Interessen der Herrschenden auf der Basis der naturreligiösen Gaia-Hypothese. Die wirkliche Natur und eine Menge Menschen gehen dabei zugrunde, denn die naturalistische Rhetorik dient hier keineswegs dem Schutz der Natur, sondern der naturmystischen Vergöttlichung und damit "ethischen" Entlastung des faustischen Täters. Diese Ansätze sind der ideologische Überbau, die geistige Mobilmachung für gesellschaftliches Handeln, das direkt gegen die Interessen der Mehrheit der Menschen gerichtet ist. Eingriffe in die Natur, die die Lebensbedingungen zerstören, rechnen wir durchaus diesem Handeln zu. Damit die Eliten und die nachgeordnet Herrschaft ausführenden Mittelschichten zu diesem Handeln bereit sind - das ja auch ihre eigenen Lebensbedingungen zerstören wird -, tritt diese Ideologie als Sinnstifterin an: Handlungen, die im Einklang mit dem Kosmos stehen sollen, können eben niemals falsch sein. Wenn dabei Individuen Schaden erleiden, so widerspricht dies keineswegs den Gesetzen des Kosmos, in deren Mittelpunkt ja gerade die "Yin und Yang"-Einheit von "Werden und Vergehen" steht. Zudem wird die Konkretheit individuellen Lebens von den abstrakten Begriffen "Kosmos" oder "All-Leben" usw. nicht mehr erfaßt. Der Teil dient dem Ganzen, so auch das Absterben des Teils. Diese Ideologie bindet die handelnden Eliten, die in der Illusion des Mitherrschens handelnden Mittelschichten und die entsubjektivierten Massen an den Willen der Herrschenden. Sie ist nichts weiter als die alte - jetzt auf freiwilliges Mittun statt auf Repression gerichtete - faschistische Herrschaftsstrategie. "Der Mensch wird ganzheitlich, der Sprung vom Homo sapiens zum Homo superior wird möglich", dieser Satz stammt von dem Neonazi Michael Kühnen aus seinem Interview mit der Zeitschrift "Wiener".

Vielleicht liegt der schwerste und durchschlagendste Angriff auf die Linke in dieser naturmystischen Vergöttlichung des spezifisch Menschlichen: der Arbeit, Tätigkeit, der Aneignung und Widerspiegelung der Welt. Sie werden dem Menschen wieder abgenommen und nun, der Gott-Natur zugeschlagen, gegen ihn gerichtet. Die emanzipatorische Idee der "Selbstverwirklichung durch Arbeit" wird für alle - Eliten wie Massen - abgebrochen, indem sie ihrer Verfügbarkeit entzogen und ans Schicksal gebunden wird. Der Angriff richtet sich gegen die Souveränität des Menschen, gegen seine Emanzipation; aber er wird ausgeführt gegen die stärkste Waffe der Linken: den Kampf um die Befreiung der Arbeit als Vorstufe zur freien Gestaltung der Welt. Soll heißen: zur rationalen Gestaltung der konkreten Lebensbedingungen des menschlichen Individuums, die die Interessen der anderen Individuen und der Natur als Bedingungen der eigenen Möglichkeit einbezieht.

Fünfte These:
Mit dem faustischen Übermenschen fürs Kapital

Die Bereitschaft der Eliten, die "offenbare Ordnung der Natur" (Faye) skrupellos zu überschreiten, muß geschaffen werden, da sich mit den Produkten des faustischen Handelns eine Menge Geld verdienen läßt. Die chemische Industrie verdient an der Gentechnik, die Elektroindustrie an der Atomtechnik und den Basisprodukten der EDV-Technik, die Rüstungs- Luft- und Raumfahrtindustrie an der Überwindung der Schwerkraft - der Verkehrstechnik - oder einfach nur an den Konflikten aus den Konkurrenzverhältnissen des Weltmarktes. Schon das faschistische Modernisierungsprogramm lief nicht gegen die völkisch-neuheidnische Ideologie mit ihrem Rückgriff auf "indoarische" Mythologie ab, wie es nach dem verbreiteten Mißverständnis über den Charakter dieser naturmystischen Ideologie erscheint, sondern wegen ihr, weil sie den Weg zur Selbstvergöttlichung und zum organizistisch verfaßten Staat erst frei machte. Mit dem Gottmenschentum faschistischer Herren beiderlei Geschlechts wurden die ökonomisch verwertbaren Taten der Nazi-Wissenschaftler gerechtfertigt, mit dem "arischen" kosmischen Weltbild wurde eine antidemokratische Organisation der Gesellschaft zugunsten der ökonomischen Verwerter legitimiert. Wie wenig dabei die Feinheiten der Weltanschauung eine Rolle spielten, zeigen die medizinischen Menschenversuche der Nazis, die zwar an angeblich rassisch minderwertigen "Untermenschen" vorgenommen wurden, deren vermarktbare Ergebnisse aber ausschließlich mit Blick auf die potentielle "arische" Kundschaft interessant waren. Der rein ideologische Charakter der faustischen Weltanschauung könnte kaum klarer zu Tage treten.

High Spirit und High Tech sind nicht nur in der Theorie, wie bei Teilhard de Chardin, sondern in der Praxis seit der ersten "New Age"-Bewegung der Jahrhundertwende Brüder. Das zeigen nicht nur Menschenversuche und Menschenzüchtung. Rudolf Steiner wurde durch den Elektroindustriellen Robert Bosch unterstützt, der Gründer "deutschgläubiger" Sekten Sigfrid Otto Reuter war Direktor eines Elektrizitätswerkes. Die Familie der Schrenck-Notzings könnte als Paradebeispiel herhalten. Der BASF-Großaktionär und "Criticon"-Herausgeber Caspar von Schrenck-Notzing ist heute ein führender Kopf der "Neuen Rechten" in Deutschland und ein enger Weggefährte Armin Mohlers. Sein Großvater Albert von Schrenck-Notzing war ein Okkultist und "Parapsychologe", der sich in der faschistisch-okkultistischen Münchner Szene der frühen zwanziger Jahre engagierte, der auch der spätere Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß angehörte. Albert war mit der Tochter des BASF-Gründers Gustav von Siegle verheiratet. Leopold von Schrenck-Notzing war bis 1967 Aufsichtsratsmitglied dieses Chemie-Multis und IG-Farben-Nachfolgers BASF, der sich - wie alle Chemie-Konzerne - heute in der Genforschung engagiert. Albert diente seine Untersuchungen der damals noch wenig bekannten Infrarot-Strahlen seinem engen Freund, dem Elektro-Industriellen Graetz, an - zur ökonomischen Ausbeutung bei "Kontroll- und Registrierzwecken", wie er in seinem "Parapsychologie"-Buch von 1929 schrieb. So handfest kann Okkultismus sein. Zum Kreis der "Münchner psychologischen Gesellschaft", die Albert mitgegründet hatte, gehörten auch die "Lebensphilosophen" Ludwig Klages und Max Scheler. Über Scheler promovierte nun wieder der heutige New Ager Hubertus Mynarek - die Kreise sind klein. Die spätere Sektengründerin und Ehefrau Erich Ludendorffs, Mathilde von Kemnitz, stand damals in München mit Albert von Schrenck-Notzing in kritischem Kontakt. (353)

Daß sich heute eine ministrable Industrieberaterin wie Gertrud Höhler auf dem New Age-Trip befindet und gerade deshalb in den Chefetagen des deutschen Kapitals gern gesehen ist, hat seinen Grund. Man braucht gar nicht lange zu suchen. Platt und offen schreibt Guillaume Faye: "Es ist daher wichtig, zumal sich unsere Götter nun im Kosmos befinden, diese europäische techno-wissenschaftliche Kultur mit der Eroberung des Weltraums fortzusetzen, die für die Europäer ferner den Schlüssel zu ihrer strategischen und militärischen Unabhängigkeit bildet." "Ja, hineinwachsen soll der Mensch in das ihn umgebende Weltall", meinte bereits Chamberlain, "er soll den bestirnten Himmel über ihm als seine Heimat erkennen, voll Vertrauen, daß er ihre Geheimnisse wird enträtseln können - gehört er doch organisch zu ihr und ist ihren gigantischen Verhältnissen gewachsen." Zum Wohle der deutsch geführten europäischen Weltraumtechnologie wurde die Daimler-Benz-MBB-Fusion vorgenommen, heute heißt die Firma DASA. In ganzseitigen Anzeigen wirbt 1992 der Mutterkonzern Daimler-Benz mit einem Ausspruch des Kosmos-Mystikers Antoine de Saint-Exupéry für die Luft- und Raumfahrt-Produkte der DASA: "Es ist der Geist, der die Welt bewegt." Der damalige Programm-Manager der NASA, Jesco von Puttkamer, sprach sich 1987 auf dem Kölner Kongreß "Weltraum als Markt - Die zivile Nutzung des Weltalls" dafür aus, "eine neue Welt zu schaffen" und dies mit einer neuen universellen Ethik abzuschützen, "die gekennzeichnet ist durch eine ganzheitlich orientierte Denkweise, durch Integrationsstreben und Einmütigkeit." (354)


 
Saint-Exupéry gegen Marx:
Diese Werbeanzeige für die Produkte des Daimler-Benz-Konzerns aus Zeitungen in den 90er Jahren enthält auch eine weltanschauliche Botschaft.
Lupe

In der Debatte des Deutschen Bundestages über die Zukunft der Großforschung in Deutschland im Februar 1992 konnte man erkennen, wohin die Reise im nächsten Jahrtausend gehen soll. Die Sprecher aller Parteien waren sich im wesentlichen darin einig, Forschungsgelder für Weltraum-, Bio- und High Tech-Chip-Forschung auszugeben und Finanzmittel hierfür aus der Erforschung der Kernspaltung umzuverlagern, die für ihre faustische Funktionstüchtigkeit bereits ausreichend untersucht ist. Von einer Forschung, um den wachsenden zivilen Atommüll zu beseitigen, war nur am Rande die Rede, Großforschungsprojekte z. B. zu AIDS oder zur Humanisierung des Arbeitslebens brachte kein einziger Redner im Bundestag zur Sprache. Die SPD-Vertreter allerdings kritisierten das Fehlen von "Visionen" in der Forschungspolitik der CDU/CSU-FDP-Koalition und forderten zur "Entwicklung von wirtschaftlich wichtigen Schlüsseltechnologien" für die Wissenschaftler ausgerechnet "mehr Freiraum für eine Zusammenarbeit mit der Industrie" und "einen anderen Freiraum für die Mitfinanzierung durch die Industrie", so der SPD-Sprecher Wolf-Michael Catenhusen. Es stünde der Linken besser an, konkrete Utopien statt Visionen einzufordern. Zudem ging dieser Vorwurf gegen den damaligen Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber ohnehin an die falsche Adresse. Raumfahrt sei "eine Sache, die hat Faszination", ließ er sich schon früher vernehmen, sie verschaffe der Nation "Selbstbewußtsein, Motivation, Glanz." Das deutsche bemannte Weltraumprogramm heißt mit kosmisch-religiösem Unterton "D-Mission", "D" wie "Deutschland".

Es ist wohl kein Zufall, daß der Präsident der Sekte "Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft e. V.", deren Ehrenpräsidentin Sigrid Hunke bis Ende 1988 war und die sich genau auf dem Schnittpunkt von New Age, Faschismus und bundesdeutschem Establishment eingerichtet hat, der Leiter der Forschungsabteilung von MBB/DASA in Ottobrunn ist. Die Firma ist führend in der Weltraumtechnologie engagiert, eine Milliarde Mark an Steuergeldern hätte sie verbrauchen sollen, um den Raumgleiter "Sänger" zu entwickeln. High Tech als die Zukunft Europas: Dies ist die allgemein akzeptierte Perspektive angesichts der Weltmarktlage, in der heute bereits die trikontinentalen Schwellenländer die Produkte kostengünstiger herstellen, von denen Europa vor zwanzig Jahren selbst noch lebte. Für die Möglichkeit, Reinstchemikalien herzustellen, die in der Computertechnologie und damit indirekt in einem wachsenden Bereich der Produkte unverzichtbar sind, wird der Weltraum als Produktionsort angepeilt. Es ist wohl auch kein Zufall, daß ein High Tech-Konzern wie die Siemens AG, die in der Weltraum-, Atom- und Computertechnologie in Europa führend ist, mit der von ihr finanzierten Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung die Ideologie des pantheistischen Organizismus in zahlreichen Kolloquien mitentwickelte und auf ihre Brauchbarkeit als Legitimationsmittel abklopfte. Die geschah unter der Geschäftsführung von Armin Mohler, der die Stiftung bis 1985 leitete. "Im übrigen bleibe ich dabei, daß an der Kernenergie kein Weg vorbeiführt", befand kürzlich der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Heinrich von Pierer. (355)

Daß die Biotechnologie die Zukunft Europas sein soll- vielleicht mehr als die Atomtechnologie - ist von den ökonomischen und politischen EG-Eliten inzwischen breit akzeptiert. Gehandelt wird heute erst noch überwiegend im Agrarbereich, wo sich Wissenschaftler und Kapital Sympathien der Bevölkerung für das Faustische erhoffen: Die lachsfarbenen Petunien sollten der Einstieg in die "Überschreitung der offenbaren Ordnung der Natur" werden, synthetische Hormone für die Rinderzucht weisen aufs ökonomische Kalkül. Die Genomanalyse als letzter unbezweifelbarer Beweis für die Identität und die Herkunft der Gene eines Menschen ist unter dem Begriff "genetischer Fingerabdruck" bekannt. Sie ist bereits für den britischen Pharma- und Chemiegiganten ICI ein lohnendes Geschäft, wie die Zeitschrift "Konkret" berichtete. Auch hier muß nicht alles streng logisch sein: "Immigrantinnen und Immigranten versuchten durch den genetischen 'Fingerabdruck' den unanfechtbaren Nachweis von Verwandtschaftsbeziehungen zu erbringen, die ihren Angehörigen den legalen Zuzug nach Großbritannien ermöglichen sollte. Doch schon bald verweigerten die rassistischen Ausländerbehörden in England die Anerkennung der DNA-Analyse als Beweismittel. Gleichzeitig aber hielt der genetische 'Fingerabdruck' triumphalen Einzug in englische Gerichtssäle." Die Genomanalyse als Kriterium bei der Einstellung von Arbeitnehmern wurde bereits von den Gewerkschaften heftig kritisiert: Statt Geld zur Humanisierung des Arbeitslebens auszugeben, wollen Unternehmer lieber nur solche Personen an gefährliche Arbeitsplätze stellen, die aufgrund ihrer genetischen Anlagen z. B. für bestimmte Chemikalien weniger empfindlich sind.

Die "Brave New World" als Ergebnis der Ideologie derer, die diese doch zu kritisieren vorgeben, ist bereits Wirklichkeit. Der "stern" berichtete im Frühjahr 1992 von der Aussichtslosigkeit der Jobsuche nach erfolgtem Gentest, weil auch irrelevante genetische Besonderheiten, die nach dem Test auf den Personal-Fragebögen der Unternehmen bei der Bewerbung angegeben werden müßten, bereits zur Ablehnung führten. Götter in Weiß wie der Werksarzt der Hoechst AG, Fritz Schuckmann, träumen schon wieder, hier zugunsten eines IG Farben-Nachfolgers, den biologistischen Alptraum: Diesmal geht es darum, "Fähigkeiten und Charaktereigenschaften eines Bewerbers durch eine psycho-genetische Analyse objektiv zu ermitteln." Dies mag wissenschaftlich so haltlos sein wie die bis heute noch verwendete Graphologie, dennoch werden sich ideologische Wissenschaftler finden, die dem Kapital derart zur Hand gehen werden. Eine ganzheitliche "Ethik" des Schicksals legitimiert es, nach den Genen auszusortieren, was wesentlich billiger kommt, als die Umwelt und die Arbeitsplätze gesundheitsschonend zu gestalten.

Wie weit dieses "Neue Denken" bereits vorgedrungen ist, zeigt das genetische EG-Projekt "Prädikative Medizin". Seine Wissenschaftler fordern billige genetische Tests und Reihenuntersuchungen, "da das Kosten-Nutzen-Verhältnis unseres Gesundheitssystems immer schlechter werde. Krankheitsanfällige sollten frühzeitig ermittelt und gentherapeutisch behandelt werden, damit sie ihre Anlagen nicht weitervererben können", so berichtete der "stern". Hier wird nicht mehr nach gesellschaftlichen Ursachen für die wachsenden Kosten des Gesundheitssystems gefragt, wie etwa überhöhte Konzerngewinne und Arzthonorare, eine krank machende Organisation von Gesellschaft oder die wachsende Aufnahme von Giften. Hier wird vielmehr nach dem faustischen Muster, das Faye aussprach, auf den genetisch zu schaffenden Übermenschen gesetzt, den solche Verhältnisse nicht mehr krank machen. Das Recht des Stärkeren, der Kampf ums Dasein - auch international, denn das Wissen der Gentechnologie als die Zukunft Europa wird nicht an Konkurrenten, erst recht nicht an die "Dritte Welt", weitergegeben werden - folgt direkt und auf platteste biologistische Art aus der Genforschung. Dies ist der rationale Kern einer irrational erscheinenden Ideologie wie z. B. der "Ökologischen Religion" Mynareks, die den genetisch über dem "Irrläufer der Evolution" stehenden "ökoreligiösen" Menschen propagiert. "Unmerklich, in kleinen Schritten, sinkt mit dem Fortschritt der Gentechnik das moralische Niveau, und plötzlich befinden wir uns im genetischen Schlachthaus", so zitiert der "stern" den Biochemiker Erwin Chargaff, der offenbar noch nicht von der "ganzheitlichen Ethik" infiziert ist.

Dagegen macht die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am 27. Dezember 1991 konkret, was Walther Zimmerli offenbar einer neuen religiösen Kultur abverlangt: Sinnstiftung innerhalb der Wirklichkeit der technologischen Zivilisation. Für die "FAZ" hat "die strikte deutsche Gesetzgebung" bezüglich der Gentechnik "dazu geführt, daß diese Technik praktisch nur im Ausland Gewinne bringt. Fachleute sprechen von einer 'katastrophalen Fehlentwicklung'. Deutschland sei auf diesem Gebiet bereits aus dem Rennen." Hier sind nicht etwa genetische Katastrophen als Folge der Gentechnik gemeint, sondern ökonomische Katastrophen mangelnder Konkurrenzfähigkeit in dieser faustischen Technik. Von einer heroisch-realistischen "Ethik" aus wurde diese Gesetzgebung zugunsten der Chemie-Konzerne inzwischen abgeschwächt. Und wieder einmal sind es die IG Farben-Nachfolger, die - wie in Auschwitz auf dem damals wissenschaftlich höchsten Niveau der Genmanipulation, der Zucht über die "Ausmerze" - von dieser "Ethik" profitieren. "Gewiß wählt jeder Staat die Risiken, die er für sozial adäquat hält", befand die "FAZ", aber die Adäquanz ist eben letztlich eine ethische Frage.

Nicht nur bei den faustischen Produkten bewährt sich der pantheistische Organizismus fürs Kapital, auch in der gesellschaftlichen Organisation, die die Rahmenbedingungen für die Herstellung und Vermarktung dieser Produkte darstellt. "Wenn das atomistische Verfahren Natur und Kosmos, Mensch und Gesellschaft, Geist und Persönlichkeit verfehlt und verfälscht, kann es nicht plötzlich in der Wirtschaft Anspruch auf Wahrheit und Geltung erheben", resümiert der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Walter Becher die wirtschaftspolitischen Pläne des Konservativen Revolutionärs Othmar Spann. Er führt auch schon wieder den Begriff der "Großraumwirtschaft" an, den die Nazis zur Neuordnung Europas und der Welt nutzten. Organisch soll sie sein, nach innen wie nach außen: Jedem das Seine, nach seinem zugedachten Platz im Ganzen, im Gefüge. "Großraum- und Volkswirtschaften differenzieren sich durch den Menschenschlag und arteigene Zielwelt, die in Europa anders ist als in Südostasien, in Deutschland anders als in Indien, aber auch anders als in Italien, in der Türkei oder in Portugal", meint Becher. Die Techno-Wissenschaft und der materielle Wohlstand als ihr Ergebnis sind hier europäisch "arteigenen" reserviert. Und auch die "indogermanische" Solidarität hört am Geldbeutel auf, wie man sieht. "Bleiben one-world-Kultur und one-world-Wirtschaft ein unausweichliches, ja sogar anstrebbares Ziel für den Eintritt in das dritte Jahrtausend?", fragt Becher. "Eines steht nach dem bisher Geschriebenen fest: den Prinzipien einer ganzheitlichen Wirtschafts-, Gesellschafts- und Weltordnung entsprechen sie nicht. Wenn Dezentralisation, Subsidiarität, wenn traditionsbewußte Gliederung in große und kleine und kleinste Einheiten allgemeingültig sind, läßt sich das Glück der Erdenkinder nicht auf dem Wege weiterer Gleichmacherei, Zentralisierung, Lassez-faire-Politik oder fremdgelenkter Planüberwachung erreichen." (356)

Hier scheint die Perspektive einer "organisch-kosmischen" Europäischen Union als autarkem "Großraum" in Konkurrenz zu den ostasiatischen und amerikanischen "Großräumen" auf. Die Idee einer organischen europäischen Wirtschaftsgemeinschaft war bereits das Kriegsziel des deutschen Kapitals im Ersten Weltkrieg. Der Außenmitarbeiter der "Pressestelle Auslandsdienst" der "Militärischen Stelle im Auswärtigen Amt" des deutschen Kaiserreiches, Ernst Jäckh, schrieb im Juni 1916 über "Mitteleuropa als Organismus" und den "Sinn für das Organische": "Deutschland ist eine Art Mikrokosmos von Mitteleuropa". So wie seine "einzelnen Organe" erst "zur Einheit des Organismus zusammenwachsen" mußten, so müsse es auch das deutsch geführte Europa nach dem deutschen Sieg im Weltkrieg. Von der "organischen Notwendigkeit dieses Zusammenhanges" Mitteleuropas und "der naturgemäßen Bedingtheit der einzelnen Organe" war hier die Rede. Es war die Hohe Zeit Chamberlainschen Denkens, in der der Krieg führende Kaiser einen Chamberlain-Lesekreis eingerichtet hatte und eifrig mit dem Autor korrespondierte. Schon der völkisch-religiöse Lagarde hatte die Kolonisierung Südosteuropas durch das deutsche Kapital für nötig erachtet, die im August 1914 in Angriff genommen wurde. Derartige "organische" Kriegszielschriften finden sich für den Ersten und den Zweiten Weltkrieg zahlreich in dem Dokumentenband "Europastrategien des deutschen Kapitals" von Reinhard Opitz. Der Herausgeber weist darauf hin, daß Jäckhs Schriften zum großen Teil von dem Elekto-Industriellen Robert Bosch finanziert worden waren. Lukács hatte bereits die "Zerstörung der Vernunft" durch den Irrationalismus der Jahrhundertwende mit der damaligen Phase des ökonomischen und militärischen Imperialismus in Zusammenhang gebracht, das erste Phänomen als den geistigen Überbau des zweiten analysiert. (357)

Der Vizepräsident der Kommission der Europäischen Union, Martin Bangemann, versteht etwas von Organizismus. Immerhin steht er an der Spitze der größten antidemokratischen Organisation der Welt. Die EU ist nicht nur ein ganzheitliches Gefüge von Ungleichen, das nach außen hin mehr und mehr die Disparatheit und Autonomie betont - womit die Bestimmungselement des Begriffs der Gestalt genannt wären. Sie wehrt sich auch vehement gegen eine demokratische Kontrolle ihrer Exekutive. So macht es Sinn, den pantheistischen Organizismus als "Europas eigene Religion" zu bezeichnen. Bangemann fand am 22. September 1989 in der Tageszeitung "Die Welt" organizistische Argumente für sein letztes Werk als bundesdeutscher Wirtschaftsminister, die Daimler-Benz/MBB-Fusion: "Das Weltbild atomistischer Konkurrenz ist nicht mehr zeitgemäß, denn auch Großunternehmen stehen unter starkem Wettbewerbsdruck." Also muß in der Hierarchie des ganzheitlichen Gefüges eine höhere Stufe herbeigeführt werden, damit die Gestalt "Europäische Union" - bzw. ihre Untergestalten der Konzerne - gegenüber anderen disparaten Gestalten wie dem US-amerikanischen oder dem japanischen Kapital konkurrenzfähig bleibt.

Allerdings ist man sich im Organizismus nicht einig, welche konkreten Folgerungen für den Wirtschaftsaufbau aus der Ideologie gezogen werden sollen, es kommt wohl auch hier immer auf das an, was gerade legitimiert werden soll. So vertritt z. B. der Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie der Naturwissenschaft an der Universität Gießen, Bernulf Kanitscheider, 1991 auf der Basis des New Age und der neueren Physik einen extremen Wirtschaftsliberalismus. Die Selbstorganisationskraft des Universums wirkt sich bei Kanitscheider folgendermaßen aus: "Die freie Markwirtschaft ist somit eine spontan entstandene komplexe Ordnung, die zwar auf den zielgerichteten Handlungen der Elemente dieser Ordnung beruht, jedoch selbst nicht zielgerichtet ist und deshalb auch gar nicht planmäßig verändert werden kann. Der Markt verknüpft die Handlungen und Ziele zu einem geordneten Ganzen", das "ganz klare normative Handlungsperspektiven" gebe. "Der Markt" ist hier die quasi-göttliche Instanz. "Weil die komplexe Ordnung alles übertrifft, was bewußte Organisation hätte hervorbringen können, ist es verfehlt zu behaupten, daß wir die moderne Gesellschaft bewußt planen müssen, weil sie so komplex geworden ist." Es sei im Gegenteil eine Handlungsnorm, "diese Ordnung nicht durch 'social engineering' (zu) destabilisieren." Die sozialen Ordnung wird als scheinbar naturwüchsig mit den Konzepten des "Neuen Denkens" gerechtfertigt: "Die neuen Theorien der Selbstorganisation bauen ... Brücken, die den gesamten Bereich des Lebendigen mit Einschluß seiner sozialen Aktivitäten umspannen." (358)

In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 4. Januar 1992 schleißt sich der persönlich haftende Gesellschafter der Düsseldorfer Privatbank Trinkaus und Burkhardt, Sieghardt Rometsch, in einem langen Artikel unter dem Titel "Gerechtigkeit ist eine Hülse. Die Ordnung der Wirtschaft" der naturalistischen Selbstorganisations-Ideologie an. Er spiritualisiert die Marktwirtschaft sogar explizit, wenn er meint: "Es grenzt an ein der Marktwirtschaft 'immanentes' Wunder", daß in ihr "eine spontane Ordnung entsteht, die für eine dynamische, fortwährende Verbesserung der Lebensumstände aller Beteiligten kraftvoll Sorge trägt." Als diese "Verbesserung" versteht Rometsch hier offenbar das freiwillige, vielleicht durch kosmisch-spirituelle Einsicht begründete Sicheinfügen in die Gestalt, denn er beschließt seinen Artikel mit der Warnung: "Verteilungsgerechtigkeit ... ignoriert die unzähligen, nicht änderbaren, natürlichen Unterschiede zwischen den Menschen ..., teilweise vielleicht sogar als banal empfundene Unterschiede ... wie groß und klein, Mann und Frau, kräftig und schwach und so weiter und so weiter ..., die von Person zu Person zu scheinbar unvermeidbaren Einkommensunterschieden führen." Es gebe daher ein "Dilemma der ungleichen Verteilung" aufgrund der angeblichen Tatsache, "daß die Hauptursachen, die zur ungleichen Vermögens- und Einkommensverteilung führen, sich dem Einfluß des Staates weitgehend entziehen." Sie unterliegen offenbar nur dem Einfluß des göttlichen Ganzen. Wer Frau ist und dabei auch noch klein, schwach oder krank, vielleicht schwanger, hat eben Pech gehabt - Schicksal, Naturgesetz.

Kapital und New Age ergänzen sich. Das "erste Magazin für ganzheitliches Denken" namens "Das Neue Zeitalter" - ständige Mitarbeit laut Impressum: Hubertus Mynarek - schreibt: "Die Intelligenz ist eine Gabe Gottes, die man nicht mit Gelehrtheit verwechseln sollte." Für den Kapitalisten Rometsch ist es ein "immanentes Wunder", wenn die Reichen immer reicher werden. Doch das Ganze soll seine eigene Gerechtigkeit haben, es sorgt angeblich - allerdings nur relativ und abgestuft - für alle seine (abstrakten) Teile, auch für die ganz unten: Es sei ein "Tatbestand, daß, wie inzwischen überzeugend nachgewiesen, ein marktwirtschaftliches System zwar Ungleichheiten toleriert, weil ihre Hauptursachen nicht eliminierbar sind, ihm auf der anderen Seite aber eine Dynamik innewohnt, die den wirtschaftlichen Kuchen ständig vergrößert. Das Wachstum dieses Kuchens kommt den Armen ebenfalls zugute," meint Rometsch. Zwar sieht man zur Zeit gerade in der Rezession Nordwesteuropas und der ökonomischen Katastrophe Osteuropas das Gegenteil, aber ideologischer Kleister soll nun mal kleben, nicht erhellen.

Konzepte der freien Konkurrenz bilden die Grundlage der Wirtschaftskonzeptionen auch bei den New Age-Ideologen Ferguson und Capra. Während Ferguson die "unternehmerische Haltung, Risikofreudigkeit" und das "Gefühl des Wechsels, Werdens" in ihrem "neuen Wirtschaftsparadigma" beschwört, läßt sich Capra von seiner "Wirtschaftsberaterin" Hazel Henderson erzählen, daß "man es einzelnen Unternehmen einfach erlauben muß unterzugehen", als Teil des Werdens und Vergehens in der "dynamischen Ordnung des Kosmos". Was mit den Beschäftigten solcher Unternehmen geschieht, die als Teile des Ganzen ohnehin austauschbar sind und deshalb keinen Wert als Einzelne besitzen, interessiert diese Ideologen des Neuen Zeitalters nicht. "Bombay, so ging es mir durch den Sinn, ist keine Großstadt. Es ist ein menschliches Ökosystem, in dem die Vielfalt des Lebens unglaublich reich ist", empfand Capra bei einem touristischen Aufenthalt in der Stadt der Prostitution und des öffentlichen (weil auf den Straßen stattfindenden) Geborenwerdens, Lebens und Sterbens. Kampf gegen die Armut bedeutet nach Capra also: Zerstörung der Vielfalt des Lebens. "Reichtum" bezieht sich hier nicht auf konkretes Leben, denn die auf den Straßen der indischen Großstädte vegetierenden Individuen haben in keiner Weise ein irgendwie "reiches" Leben. Vielmehr ist hier abstraktes, kosmisches Leben gemeint; zu seinem abstrakten "Reichtum" gehört die konkrete Armut konkreter Individuen als Einheit in der Vielfalt.

In dieser Weise sieht Capra auch Krankheit und Gesundheit bzw. Heilung als "integrale Teile der Selbstorganisation eines Organismus." Capra wurde vor allem auch durch seine Aussagen über den ganzheitlichen Umgang mit psychosomatischen Krankheiten bekannt. Wo der Organismus seine Krankheit angeblich selbst organisiert, da ist die auch vom Kapital und seinen politischen Vertretern seit langem geforderte "Gesundheitssteuer" naheliegend, die auch Capra für angeblich selbst verschuldete Gesundheitsrisiken einführen will. Die sollen vor allem wieder die Armen bezahlen, denn Capra will "Gesundheitssteuern ... für geringwertige Dosennahrung." Mit den Erträgen aus diesen Steuern läßt sich dann sicher die Genforschung im Agrarbereich finanzieren. (359)

Diese Weltsicht, die auf den pantheistisch-organizistischen Grundpositionen des ganzheitlichen Denkens fußt, legitimiert optimal den im vollen Gange befindlichen Sozialabbau zugunsten von High Tech-Subventionen. Die wachsende Verelendung auch in den hochindustrialisierten Ländern, die in den USA und Großbritannien mit Erscheinungen wie extremer Obdachlosigkeit, zurückgehender Lebenserwartung für die männliche schwarze Bevölkerung, mit Apartheid-ähnlichen Off-Limits-Zonen für Obdachlose in einigen Städten usw. am fortgeschrittensten ist, erscheint als Schicksal. Die gesellschaftliche Ausgrenzung der Verelendeten entspricht den Gesetzen des Gestalt-Aufbaus, die ins Elend Gestoßenen werden mit antidemokratischen Konzepten zur Billigarbeit im Interesse eines abstrakten Ganzen gezwungen. So berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am 27. Dezember 1991 über "Armut in Amerika", dort breite sich unter Wissenschaftlern und Politikern - unterstützt vom Ku-Klux-Klan - die Meinung aus, "Chancen, Arbeitsplätze gebe es genug. Vielmehr gelte es, die Armen paternalistisch zu erziehen, sich ins Arbeitsleben einzugliedern", indem man ihnen die Sozialunterstützung streicht. Während die New Age-faschistischen Herren vom Züchten des Übermenschen träumen, bringt die Wirklichkeit der sozialen Verelendung in der "Dritten Welt" körperlich und geistig verkrüppelte Menschen hervor, die in Brasilien "Rattenmenschen" genannt werden. Sie leben auf den Müllhalden von Rio, Kairo oder Bombay. Die Mangelernährung aus dem Abfall und das Eindringen von Schadstoffen in ihre Körper hat nach medizinischen Untersuchungen bereits die Gensubstanz dieser Menschen angegriffen. Ihr Zwergwuchs und ihre organischen Schäden vererben sich auf ihre Nachkommen, die auf Müllhalden gezeugt und dort geboren werden. Die Objekte eines "Rechtes auf Ungleichheit" - wie es die ideologischen Agenten des Kapitals aus der "Neuen Rechten" fordern - werden durch die Welthandelspolitik und die Verelendungspolitik der regionalen Eliten erst geschaffen.

Die Forderung nach unterschiedlichen Tarifverträgen für West- und für Ostdeutschland läßt sich - auf ökonomisch höherer Ebene - nach demselben Muster vermitteln: Deutschland als "Yin und Yang", Einheit in der Vielheit. Das Regionalismus-Konzept der "Neuen Rechten" schlägt in der bundesdeutschen Politik bereits voll ein. Dagegen soll nach dem Modell der Disparatheit der Gestalten für die Ganzheit der Europäischen Union ein einheitliches Asylrecht geschaffen werden, damit die Gestaltfremden nicht länger die Geschlossenheit des Ganzen stören können.

Die Gelder, die in den hochindustrialisierten Gesellschaften an den Sozialleistungen eingespart werden, fließen seit Jahren als staatliche Subventionen in die Entwicklung faustischer High Tech. So ergibt beides zusammen eine Einheit: Die mehr oder weniger verelendeten Massen werden auf das Schicksal verwiesen, heroisch-realistisch - vor allem aber teuer - wird in die "offenbare Ordnung der Natur" eingegriffen.

Nur ein fiktives Ganzes ist hier angesprochen, das selbst Ideologie ist und für niemanden Wirklichkeit. Der konkrete Mensch kommt nicht vor, erst recht nicht die Fließbandarbeiterin X, die für ihr zweites Kind dringend auch ein zweites Kinderzimmer braucht, ein Partikularinteresse, zugegeben. Die Industrieberaterin Gertrud Höhler spricht in ihrem Artikel über "Bäume - Sinnbilder des Lebens: Indianerbäume", den sie in der Zeitschrift "MUT" veröffentlichte, von der freudigen und freiwilligen "Unterwerfung" der Indianer unter "die Gesetze der Natur", von der Bereitschaft, "sich selbst in die Kreisläufe des natürlichen und kosmischen Geschehens einzuordnen." Sie kritisiert den "selbstverständliche(n) Komfort des Zusammenlebens, an den wir uns unter dem Schlagwort des 'Sozialen' gewöhnt haben" und findet, das Soziale Netz tue "ein übriges, unser Wissen über die Unerbittlichkeit und Großartigkeit der Natur in gleicher Weise zu verwischen." "Nicht um Rückwege" geht es ihr beim Rückgriff auf die Weisheiten naturmystischer Indianerhäuptlinge, sondern um diesen faustischen Fortschritt aus Tradition, der für die Massen Rückschritt ist: "um den Versuch der Integration von Eroberergesinnung und Bewunderung" gegenüber der Natur. Einerseits ist dies ein Ausdruck für die heroisch-realistische Haltung. Andererseits ist es gesamtgesellschaftlich organizistisch: Das Erobern ist die Sache derer, die von Höhler beraten werden, das Bewundern die Sache derer, die sich wegen der quasi natürlichen "Unerbittlichkeit" der Verhältnisse mit nur einem Kinderzimmer für mehrere Kinder zufrieden geben müssen. Höhlers neuestes Buch, 1993 ganz oben auf der "Wirtschafts-Bestseller"-Liste der Zeitschrift "Wirtschafts-Woche", heißt bezeichnenderweise "Spielregeln für Sieger".

In dem Buch "Verspielen wir die Zukunft? Gespräche über Technik und Glück" von 1982 läßt Höhler die Katze Kapitalinteresse aus dem Sack New Age: "Die Zustimmungsfähigkeit zum Sinn der wissenschaftlich-technischen Welt muß erhalten bleiben oder wiederhergestellt werden in großen Teilen der Bevölkerung", nicht bei den von Höhler Beratenen, denn: "Es gibt keine Selbstverständlichkeit mehr bei den Wirkungen moralischer Ansprüche, die sich an Gruppen richten." "Wir müssen offenbar eine Zustimmungswilligkeit erzeugen", über Mythos und Respiritualisierung, jedenfalls über Irrationales, das "indianische Bewußtsein", wie es auch in der Linken oft und unbegriffen heißt. Die Parallele zu den New Age-Ideen Zimmerlis, wie wir sie oben dargestellt haben, ist offensichtlich.

Jakob von Uexküll, der Erfinder der ständestaatlichen "Organbäume", kritisierte in seiner "Staatsbiologie" von 1920 die angebliche Unverschämtheit des sozialen Anspruchdenkens der atomistischen Massen: "Solange der Betrieb des Staates geregelt weiterging", hatte dieser "die Möglichkeit, den einzelnen Arbeitsfeindlichen durch einen Arbeitswilligen zu ersetzen, der wohl stets vorhanden war. Sobald aber eine größere Zahl Arbeiter aus der Arbeitskette zurücktrat und streikte, stand das betroffene Staatsorgan vor dem Untergang." "Parasiten", und zwar insbesondere "Fremdrassige", die 1920 zahlreich in der deutschen Linken aktiv waren, "gedeihen besser in einem kranken Staate, der nur noch schwach auf ihre Eingriffe reagiert." "Die Versuche des (bereits "geschwächten", P. K.) Staates, ein Streikverbot zu erlassen, wurden ... vereitelt", statt dessen wird atomistisch ein "contrat social" geschlossen. (360)

Ist es ein Zufall, daß die Deutsche Bundesbank in ihren Informationstexten für die neuen Geldscheine organizistisch argumentierte? Die Naturforscherin Maria Sibylla Merian, die im absolutistischen Barock mit seinem noch althergebrachten Organizismus als Staatsideologie wirkte und heute auf dem Fünfhundertmarkschein abgebildet ist, behielt "trotz aller Liebe zum Detail" den Blick für "das übergeordnete Ganze", meint die Bundesbank 1990 in einer Zeitungsanzeige: "Ein vielschichtiger Organismus ist immer nur dann zu verstehen, wenn es gelingt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das gilt sowohl für die botanische Forschung der Merian wie auch für die Analyse gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge durch die Bundesbank." Für unwesentliche Teile, z. B. einzelne, für die Funktion des Ganzen austauschbare menschliche Individuen, ist hier kein Platz. "Im Hintergrund ordnen sich die Details zu einem überzeugenden Ganzen", lautet das Zitat der Dame, das die Bundesbank zum Leitspruch ihrer Anzeige machte. So eingestimmt, legte man uns die völkisch-romantischen Gebrüder Grimm vom Tausendmarkschein mit "Yin und Yang" ans Herz: "Was heute oft als Gegensatz erscheint, war für Jacob und Wilhelm Grimm selbstverständliche Einheit: Tradition und Fortschritt." Das Zitat der beiden, das die Anzeige überschreibt, könnte ein Motto der Konservativen Revolution, der "Neuen Rechten" oder von "Europas eigener Religion" sein, sicher auch des New Age: "Tradition ist die Wurzel, aus der unser Fortschritt entspringt." Bei den kleinen Scheinen verhält es sich nicht besser, auch Carl Friedrich Gauß, der nur für zehn Mark gut war, wird New Age-ideologisiert. "Ein eigentümlicher Zauber umgibt das Erkennen von Maß und Harmonie", so ist hier die Zeitungsanzeige mit einem Gauß-Ausspruch betitelt, als wollte man den großen Mathematiker, Astronomen und Physiker auf einen okkultistischen Zahlenmystiker reduzieren. "Seine Fähigkeit, Ordnung und damit Stabilität zu schaffen, ehrt die Bundesbank mit seinem Abbild auf dem neuen Zehnmarkschein." Die neuen Geldscheine liegen nicht nur im New Age-Trend, sie passen auch zu den ökonomischen Zielen des deutschen Kapitals in Europa.

"Fortschritt aus Tradition", das meint einen Fort-Schritt weg von der Linken und ihrer Politik. Die Zeitschrift "Criticon" von Caspar von Schrenck-Notzing, in der Armin Mohler mitarbeitet, berichtete 1977 über einen Europa-Plan der keltogermanisch tümelnden "Nouvelle Droite" um Alain de Benoist. Der Plan hieß in Frankreich "Les racines du Futur. Demain la France", meinte aber die gesamte Europäische Union: "In ihren (der Nouvelle Droite, P. K.) Augen", so schrieb "Criticon", "wurzelt das soziale Modell Europas vorgeschichtlich ... in den Mythologien der indoeuropäischen Völker." Die primären Ziele des Plans waren: die "Verstärkung der eigentlichen politischen Autorität" im Staate, die "Wiederherstellung einer militärischen Elite" sowie "eine präzise Zuweisung von Aufgaben an die Wirtschaft" durch die Staatsorgane. Das Ziel ist die ökonomische Weltherrschaft Europas mit Hilfe der faschistischen Planwirtschaft. Es wird begründet auf "indoeuropäischen" Naturreligionen, die heute - weltanschaulich inzwischen wesentlich weiterentwickelt - "Europas eigene Religion" heißen. 1979 antwortet Alain de Benoist in einem Interview des "Spiegel" auf die Frage "Warum sollen die vorchristlichen Kulturen der Griechen, Römer, Kelten und Germanen humaner gewesen sein und darum der menschlichen Natur eher entsprechen als die Neuzeit?": "Weil dort der alte Grundsatz naturgegebener Ungleichheit Gültigkeit hatte und die hierarchische Gesellschaft mit ihrer elitären Ordnung eine natürliche Rechtfertigung besaß." (361)

Diese "vorgeschichtlich mythisch wurzelnden" Konzepte wurden in Europa in diesem Jahrhundert bereits mehrfach Wirklichkeit. Pläne zu einem "organischen", ständischen, aber staatsdirigistischen Kapitalismus wurden in der Konservativen Revolution ausgearbeitet, aber auch in den Spitzen des Nazi-Staates, der die konservativ-revolutionären Ideologen praktisch beerbte. Der "Blut und Boden"-Ideologe und Chef des SS-Rasse- und Siedlungsamtes Walter Darr‚ wäre hier ebenso zu nennen wie das spätere prominente Mitglied der "Deutschen Unitarier Religionsgemeinschaft e. V.", der Nazi-Minister, Wirtschaftsexperte und Kriegsverbrecher Dietrich Klagges. Auch Othmar Spann, der anfangs wegen seiner ökonomischen Konzepte in enger Verbindung zur NSDAP stand, ordnete in seinem Ständestaat die Wirtschaft den staatlichen Zielsetzungen unter. Eines der ersten Vorbilder dieser faschistischen "ganzheitlichen" Wirtschaftspläne stellt das Buch "Der geschlossene Handelsstaat" des ganzheitlichen Organizisten Johann Gottlieb Fichte dar, auf das sich die extreme Rechte bis heute hin bezieht. (362)

Nicht nur im historischen Faschismus bezog sich das deutsche Kapital auf Mythen: In einem Interview mit dem "Spiegel" im Jahre 1989 sagt der High-Tech-Berater aller Bundesregierungen seit 1969, Ingolf Ruge, über den Konkurrenzkampf Europa-USA-Japan auf dem High-Tech-Weltmarkt: "Die Deutschen - und dann die Europäer - müssen sich mehr um einen Konsens bemühen. Das Wirtschaftssystem des Jahres 2000 muß anders strukturiert sein als unser heutiges System. Jetzt heißt es nur: Die Wirtschaft soll in den Zukunftsindustrien alles selbst machen, der Staat hält sich da mit seinen Subventionen raus. Der Erfolg der Japaner liegt einmal in ihrem Fleiß, in ihrer Sorgfalt, in ihrem Nationalbewußtsein, zum anderen aber in ihrem System der Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft." Wo man sich zugunsten des Sozialabbaus, organizistisch gestützt, gegen staatsinterventionistische Sozialleistungen wandte, weil bei eingesparten Sozialleistungen Geld frei wird, da verlangt man zur europäischen Formierung des Kapitals, organizistisch gestützt, Staatsinterventionen, wenn diese den Konzernen Subventionsgelder bringen. Es werden also staatliche Eingriffe abgelehnt, wenn von oben nach unten verteilt werden soll, dagegen werden sie gefordert, wenn die Verteilung von unten nach oben verläuft. Die Ideologie muß nicht logisch sein - das war sie schon nicht bei den KZ-Menschenversuchen -, der Kleister muß nur kleben.

Die geistig-moralische Wende aufgrund veränderter ökonomischer Bedingungen ist leicht zu erkennen. Beim Benoist-Interview 1979 bezog "Der Spiegel" noch eindeutig gegen die Position Stellung, heutige Politik wurzele in den vorzeitlichen keltogermanischen Mythen: Es gebe "keine Belege für eine humane Ur-Zivilisation in Europa. Die von der Neuen Rechten propagierte 'Wiederverwurzelung' der Menschen scheint eher mit dem Mythos von Volk, Blut und Boden begründbar zu sein", kommentierte das Blatt damals. Seit einigen Jahren aber wird in demselben Blatt auf eine Art gegen die angebliche "japanische Gefahr" vom Leder gezogen, die sehr wohl an die Inhalte dessen anknüpft, was pantheistisch-organizistische "Neurechte" aus "indoarischen" Mythen ableiten wollen: das angeblich kosmische Gesetz des Lebens, das Recht des Stärkeren im Kampf ums Dasein. "Kulturelle Unterschiede in der Art, Handel und Wirtschaft zu betreiben", sind für den "Spiegel" heute der Grund für den Erfolg des japanischen Kapitals: "Für Japaner ist die Wirtschaft ein Kampf, in dem es darum geht, zu siegen und der Beste zu sein."

"Mit herkömmlichen Methoden ist Japans unbändiger Drang an die Spitze längst nicht mehr zu stoppen", und als "herkömmlich" nennt "Der Spiegel": höhere Zölle, Dumpingstrafen und Einfuhrbarrieren. Es müßten vielmehr "visionäre, globale Strategien" her, zitiert das Blatt den Bundesaußenminister. Zu den "Inhalten" der "fernöstlichen Überlegenheit" - die es endlich zu verstehen gelte, um dagegen kämpfen zu können - gehöre auch der betriebliche "Morgenappell" der japanischen Arbeiter. Neidisch wird auf den organizistischen Ameisenstaat geschaut, den schon Capra oder Mynarek explizit als Modell nannten, damit niemand ihre Pläne für die zukünftige Gesellschaft des New Age mißverstehe. "Ein größerer Beitrag des Staates" wird gefordert, "strategisch plazierte öffentliche Aufträge, um neue Technologien und Märkte zu erschließen" und derart "die Schlagkraft der Europäer" zu erhöhen. Gleichzeitig sollen "sterbende Industriezweige wie der Kohlebergbau, die Werften und die Stahlindustrie" nicht länger am Leben erhalten werden, schließlich ist der Kosmos ein dynamisches Ganzes von Vergehen und Entstehen. Die sozialen Konsequenzen deutet "Der Spiegel" bereits an: "Aus der Sicht der Japaner ist der Ausgang des Technologie-Marathons deshalb schon klar: 'Ihr baut Straßen und Häuser', bekam der SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi kürzlich von einem Japaner zu hören, 'und wir investieren in Hochtechnologie - im Jahre 2000 sehen wir uns wieder." "Fortschritt aus Tradition" heißt demnach: Umverteilung der Subventionen, High Tech statt sozialer Wohnungsbau. (363)

Auf der alten keltogermanischen Schiene, die von Chamberlain bis Eichberg reicht und in der "Wurzelsuche" des New Age ihre vorerst letzten Blüten treibt, forderte die Nouvelle Droite in "Criticon" 1977 "eine neue europäische Einheit ..., die vom Kampf gegen einen gemeinsamen Feind (die Sowjetunion) ausgehend auf einer deutsch-französischen Achse ruht." Die Feinderklärung innerhalb Europas hat sich inzwischen - seit der Respiritualisierung Polens als dem Startschuß für das Ende des realsozialistischen Ostblocks - weitgehend erübrigt. Nachdem das Gestaltfremde entfernt wurde, konnte die innere Aufgabenverteilung nach der Organismus-Methapher beginnen: High Spirit und High Tech für das Zentralnervensystem in Mitteleuropa, viel Handarbeit für die Peripherie, vor allem im Osten. Mehr noch: Im neuen Europa gilt das deutsche Handelsrecht nicht nur bis zum Ural, wie es Lagarde vor hundert Jahren forderte, sondern faktisch bis zur chinesischen Grenze, wie es der damalige Bundesjustizminister Klaus Kinkel von den neuen osteuropäischen Staaten forderte und durchsetze. Die neue Ganzheit des deutsch geführten Europa formiert sich disparat und autonom gegen die Konkurrenz-Gestalten USA und Japan. Wo "Europas eigene Religion" eine abgrenzende national-chauvinistische Identität höherer Ebene schafft, wo einer der führenden US-amerikanischen New Ager, Fritjof Capra, ein Österreicher ist, wo inzwischen allenthalben archaische Naturreligiösität als die einzig wahre und dem "bunten, amerikanischen Supermarkt-New Age" entgegengesetzte "europäische" Spiritualität ausgegeben wird, da ist das ideologische Rüstzeug für den Kampf zwischen den Kapitalien aus EU, USA und Japan gegeben.

Im März 1993 veröffentlicht die "Alfred Herrhausen Gesellschaft für internationalen Dialog mbH" - Gesellschafter: Deutsche Bank AG - die kleine Schrift "Schicksal und Technik - Gedanken zur westöstlichen Kommunikation", die man über die "Deutsche Bank AG" beziehen kann. Die Assoziation zu Goethes "West-östlichem Diwan" erscheint als gewollt, einer literarischen Grundlage des organizistischen Pantheismus, mit der Goethe dem persisch-"arischen" Mystiker Hafez nacheiferte und die von Chamberlain über Hunke bis Capra als Referenz für das ganzheitliche Denken dient. Der ungarische Schriftsteller Péter Nádas bekennt in "Schicksal und Technik", von der westlichen Demokratie enttäuscht zu sein und sich von ihren geistigen Grundlagen abgewandt zu haben. Er fordert, nur solche "menschlichen Übereinkünfte" - gesellschaftliche Regeln, zu denen auch die Demokratie gehört - dürften Geltung erlangen, die den "Primat der Natur sicherstellen". Der Geschäftsführer der "Alfred Herrhausen Gesellschaft", Bernhard Rohe, beklagt anschließend den Siegeszug "intellektueller Kritikasterei", der den europäischen "Schriftstellern, Intellektuellen und auch den Medien" anzurechnen sei. Wie der "Primat der Natur" praktisch aussieht, das sagt dann Hilmar Kopper von der "Deutschen Bank AG": "Wir versuchen, alles vernunftmäßig zu begründen. ... Das heißt, uns fehlt die Emotionalität." "Die heiße Phase des Golfkriegs" sei dafür ein Beispiel gewesen, als die Deutschen sich mit rationalen Argumenten geweigert hätten, in den Krieg einzutreten. Zum Kuratorium der "Alfred Herrhausen Gesellschaft" gehört auch der Biologe Hubert Markl, bis 1991 Präsident der "Deutschen Forschungsgemeinschaft", der bei der "Siemens-Stiftung" unter Armin Mohlers Führung als biologistischer Denker auftrat und mit einer Zweigorganisationen der "Deutschen Unitarier" zusammenarbeitete.

Nicht einmal mehr der Weltkrieg von EU, USA und Japan gegeneinander wird heute noch ausgeschlossen, wie das Strategiepapier der US-Militärs "Anleitung zur Verteidigungsplanung" vom Frühjahr 1992 zeigt. Das ist der eigentliche Sinn, wenn Hunke von der "innerste(n) Notwendigkeit dieser Religiösität für den heutigen Europäer" spricht und ihr Hauptwerk "Europas andere Religion" mit den Sätzen schließt: "Zweifellos ist die Stunde gekommen, da der dualistische Orientalismus an seiner Sündigkeitserklärung des Menschen, an seiner Verelendung der Wirklichkeit und seiner Zerspaltung der Welt zugrunde gehen und die trotz seiner am Leben gebliebene andere Religion Europas - die 'europäische Religion' - in Wiederheiligung der Wirklichkeit und des Menschen und Heilung einer kranken und gespaltenen Welt Europa endlich besitzen und es zu seiner erst jetzt beginnenden 'europäischen' Zukunft bevollmächtigen (!) wird." Diese Stunde wurde allerdings erst zwanzig Jahre später, am 9. November 1989, endgültig eingeläutet. "Das deutsche Volk ist selber jener gelehrte Doktor Faustus", schrieb Heinrich Heine hundertfünfzig Jahre vorher in der "Romantischen Schule". (364)

Vom dritten Reich zum New Age

So ist das kosmische Weltbild, über "Ökoreligiösität" oder Naturreligion in die Köpfe der Menschen gebracht, also im Innern nützlich, um eine autoritären Gesellschaft zu formieren, und nach außen dienstbar, um sich vom angeblich "Fremden" abzugrenzen, das aber dennoch erobert werden soll. In seinem Mittelpunkt stehen die faustischen Produkte, um deren Verkauf sich alles dreht. Die wahre Perspektive des "Neuen Zeitalters" ist die eines materiellen, sehr irdischen neuen Reiches, das mehr gemein hat mit dem spirituellen Mythos des "dritten Reiches" der völkischen Bewegung in Deutschland als mit dem Freiheitstraum kalifornischer Hippies. Das "dritte Reich" und das "New Age" sind zwei Mythen, die sich gleichen, wie ein Ei dem anderen. Ihr gemeinsamer Inhalt ist die organisch-ganzheitliche "Gemeinschaft" des "jede/r an seinem/ihrem Platz", die gegen die atomistische "Gesellschaft" der Gleichen gestellt wird, die als "Un-Reich" gilt. Sie werden beide als eine spirituelle Vision ausgegeben, nicht als "konkrete Utopie". Nicht die tatsächliche Umwälzung der materiellen Verhältnisse soll zu ihnen hinführen, das unterscheidet sie auch vom "Reich der Freiheit" des Kommunistischen Manifestes von Marx und Engels. Beide sollen auf spirituellem Wege erreichbar sein. Beide wollen das endliche Stadium des Glücks sein, der "vollkommenen Harmonie des Ganzen", wie Mynarek schreibt, "die Sinfonie aller Teile im System des Ganzen am Ende der kosmischen Geschichte." Die real stattfindende Umwälzung, in der die Gesellschaft radikal gegen die Interessen der Mehrheit verändert wird, gerät derart aus dem Blick.

Vereint sind Faschismus und New Age im Mythos von Atlantis, der in beiden Ideologien in gleicher Weise anzutreffen ist: als Ort des wiedergefundenen neuen Reiches. Alfred Rosenberg widmet dem sagenhaften Eiland ein paar Seiten in seinem Buch "Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts". Atlantis sei "ein nordisches vorgeschichtliches Kulturzentrum", von dem die "uralt arisch-atlantischen Erinnerungen" herrührten. Rosenberg verbindet den Atlantis-Mythos mit dem der Pyramide, die als Sinnbild des New Age heute ebenso benutzt wird wie das "Yin und Yang"-Zeichen. Neben der Cheopspyramide, so der Nazi-Chefideologe Rosenberg, sei 1927 die Abbildung einer Prinzessin mit blonden Haaren ausgegraben worden, die wohl von der vorzeitlichen Insel gestammt habe. Hermann Wirth, als "Schamane" im New Age verehrter Nazi und Mitbegründer des SS-Organisation "Stiftung Ahnenerbe", die germanischen Mythen erforschte, will in Helgoland das versunkene Atlantis gefunden haben. Ein "Magazin für neues Denken und ganzheitliches Leben" nennt sich sogar "Das Atlantis Lichtnetz" und zeigt in seinem Logo einen in der Pyramide eingesperrten Menschen. Und schon gibt es Streit ums "Reich". "Nach Redaktionsschluß" erklärt der "Lichtnetz"-Herausgeber, Dr. med. Klaus Grochocki aus Wiesbaden: "Vor dem Start unseres Magazins haben wir den Zeitschriftenmarkt intensiv auf verwechselbare Titel hin überprüft: ohne Ergebnis. Nun hat sich eine Verlagsgruppe gemeldet, die unmißverständlich den Namen dieses sechsten (!) Kontinents für sich als Eigentum beansprucht. Haben wir nichts mehr zum Träumen? Sind auch im fernen Atlantis die letzten verfügbaren Grundstücke verkauft?" Wie man im Zweifelsfall ein Reich erobert, das sagt dann wieder Rosenberg. (365)

Paul de Lagarde sprach 1875 bereits ebenso vom spirituellen "inneren Reich" als Grundlage eines deutsch beherrschten "Mittel-Europa", so wie Pierre Krebs 1988. Der Verleger Eugen Diederichs, der zahlreiche Autoren der völkischen Bewegung und des "New Age" der zwanziger Jahre herausbrachte - und dessen Nachfolger im Verlag Eugen Diederichs heute wieder mit New Age ihr Geld verdienen -, sah 1918 in seiner Zeitschrift "Die Tat" bereits "Das Kommen des Dritten Reiches". Im deutschen Faschismus erschien eine Zeitschrift "Das innere Reich", in der 1937 auch der ursprünglich vom Deutschkatholizismus zum Neuheidentum bekehrte Martin Heidegger über Friedrich Hölderlin publizierte, den neben Goethe zweiten Lieblingsdichter des gesamten pantheistischen Organizismus. "Reichsbeseelung" war ein zentraler Begriff der völkischen Bewegung im so rational erscheinenden Kaiserreich der Hohenzollern, der Krupp und Borsig, der im Jahre 1913 zweitstärksten Industrienation der Welt, die Expansion und eine "organische" Neuordnung Europas anstrebte. Der Begriff des "dritten Reiches" als dem kommenden Reich des Heiligen Geistes, den die völkische Bewegung übernahm und den heute wieder Bahro explizit aufnimmt, stammt von dem gotischen Mystiker Joachim von Fiore, der zur Zeit Eckharts wirkte, der Zeit der deutschen Herrschaft über fast die gesamte bekannte Welt. Der Mythos der "Wiedergeburt" des Reiches wird heute auch vom "Thule-Seminar" gepflegt. Mit den Worten Hunkes heißt dies "Aufgangs Europas", gerichtet gegen die angeblich jüdisch-christliche Überfremdung, gegen die Fremdherrschaft eines falschen Reiches. Dieser Mythos findet sich durchgehend schon in den "deutschgläubig"-neuheidnischen Sekten seit der letzten Jahrhundertwende, wo das Reich selbst Heilscharakter bekommt und zum Heilsgut wird: "Es ist vom All gepflanzter Lebensbaum", so schreibt ein Reichstümler der zwanziger Jahre. (366)

Kurt Sontheimer analysierte "die Vision des Reiches" im antidemokratischen Denken der Weimarer Republik als eine religiöse. Nachdem diese Vision in der bürgerlichen Literatur weit verbreitet worden war, sah das Bürgertum im "Dritten Reich" der Nazis eine Erfüllung seiner Hoffnungen. Sontheimer führt unter der Überschrift "Gottes-Reich der Deutschen" den völkisch-protestantischen Ideologen Wilhelm Stapel an, der den Unterschied zwischen weltlicher und geistlicher Herrschaft in der Person eines christlichen Kaisers aufgelöst sah - das erinnert doch sehr an den spirituell gestützten "Fürsten der ökologischen Wende" bei Bahro, den Sontheimer noch nicht kennen konnte. Stapel mache die Rechnung zwischen "französisch" und "deutsch" auf - der alte Mythos des Kampfes zwischen "Lutetia" und "Germania", zwischen den "Ideen von 1789" und den "Ideen von 1914", letztlich zwischen Liberalismus/Sozialismus und dem organisch-ganzheitlichen Weltbild/Gesellschaftsaufbau, den wir so anschaulich auf der Berliner Siegessäule dargestellt sehen.

Sontheimer betont den imperialistischen Aspekt des vermeintlich rein geistigen "Reiches": "Dieser Kampf gehe um die Herrschaft in Europa. Europa müsse übernational werden, aber eine solche Ordnung müsse auf der natürlichen Rangordnung der Nationen beruhen." (Derartiges hört man heute aus der CSU mit Bezug auf die Europäische Union.) Das "Reich" war hier, ganz im Sinne des heutigen "New Age", universell, kosmisch geplant, nicht etwa "kleindeutsch". "Das Reich ist die endgültige Ordnung der Welt", zitiert Sontheimer einen weiteren "Reichs"-Ideologen, Franz Schauwecker, der von der "Identität von Deutschem Reich und Gottesreich" ausging. Dieses Zitat könnte das "Neue Zeitalter" bei Capra oder Mynarek beschreiben. Sontheimer kommentiert die spirituelle Reichs-Idee: "Dieses Reich ist nicht von Menschenhand erklügelt, es kommt von Gott selber her und empfängt von ihm den Glanz seiner Majestät. ... Diese Reichsschwärmerei korrespondiert, wie bei vielen anderen Reichsideologen, einer militanten Aggressivität gegen das demokratische System von Weimar." Sie entspricht auch - noch ohne Militanz - dem "New Age", wie es sich Mynarek in seiner "Ökologischen Religion" explizit vorstellt: als der politischen Durchsetzung der göttlichen Naturprinzipien im Gottesstaat der "ökoreligiösen Menschen".

Der New Age-faschistische Gottmensch ist in Friedrich Hielschers Buch "Das Reich" gemeint, aus dem Sontheimer zitiert: "Auf das Reich, als den Täter und Wissenden Gottes, ist die Geschichte aller anderen Seelentümer angelegt." Sontheimer kommentiert: "Das Reich lebt also von innen heraus; die es in sich tragen, sind Berufene, die unabhängig voneinander zu wirken beginnen, bis sie sich erkennen. ... Die Hielschersche Reichsidee ist esoterisch, ganz vom Schleier des Geheimnisses umwoben. ... Hielschers 'Reich' ist das Buch eines politischen Gläubigen, verfaßt für Gläubige, ein Buch großer Worte, geschrieben mit der Gebärde des Tiefwissenden." - Charakterisierungen, wie sie auf Capras "Wendezeit", Fergusons "Sanfte Verschwörung", Bahros "Rettung" und "Rückkehr" oder Mynareks "Ökologische Religion" ebensogut paßten. (367)

Die Vorstellungen des konservativ-revolutionären Juni-Clubs der frühen zwanziger Jahre über das Reich und Mitteleuropa lassen sich durchaus mit Sigrid Hunkes Ideen verbinden, die sie 1965 in dem provokativen Buch zusammenfaßte: "Das Reich ist tot - es lebe Europa". Hier wird das veraltete Heilige Römische Reich Deutscher Nation zeitgemäß zu einem deutsch geführten, in indogermanischen Mythen wurzelnden "Europa" weiterentwickelt. Zur historischen Niederlage des Germanischen - so sehen es die Faschisten - gegen das Römisch-Jüdische in Canossa im Jahre 1077, wo der Kaiser sich dem Papst unterwarf, schreibt Hunke: "Sünde war, was vordem Grundlage des Seienden gewesen: das Vertrauen auf den weltlich-geistlichen Zusammenhang der Dinge, der Glaube an das Einssein von Welt und Gott, von Mensch und Gott, die Einheit königlich-priesterlicher Kräfte im Träger des Reiches. Sünde und schlimmste Ketzerei war der germanische 'Zusammenfall der Gegensätze'". Das germanische "all-eine, göttliche Wirken in allem Naturgeschehen" sei damals vom imperialen Geltungsanspruch der römisch-jüdischen Priesterhierarchie weggefegt worden und müsse jetzt in einem ganzheitlich-religiös gestützten, aber nach Stämmen regionalistisch gegliederten Europa wiedererstehen, als Gestalt mit Untergestalten, fußend auf dem "inneren Reichs" des pantheistischen Organizismus, so Hunke. (368)

Dieses neue Reich ist für die Konservative Revolution mit Europa identisch, das zeigt bereits Jost Hermand an der völkischen Literatur der damaligen Zeit. Der Rückgriff der "Neuen Rechten" und der historischen Faschisten auf das "Erste Reich", das dann im imperialistischen Staufer-Kaiser Friedrich II. seinen Höhepunkt fand, gibt in doppelter Hinsicht Sinn: Es war die Zeit der deutschen Hegemonie über die bekannte Welt vom Baltikum bis zum ägyptischen Alexandria; es war die Zeit der wiedergewonnenen Macht des exkommunizierten Kaisers gegen den Papst, der den ökonomisch lukrativen Kreuzzug Friedrichs II. verbieten wollte, sich aber trotz der Exkommunikation gegen die weltlichen Herrschaftspläne des Kaisers nicht durchsetzen konnte; es war die Zeit der "Deutschen Mystik", die gegen die römische Kirche das "arische" Gottmenschentum vertrat. Die größte Macht Europas war das gotische Reich Friedrich II., Europa war die Welt und dieses Europa war deutsch dominiert. Sigrid Hunke - und mit ihr zahlreiche Alt- und Neofaschisten - benutzt siebenhundert Jahre später genau dieses Reich Friedrichs II. als Unterbau für ihre keltogermanischen Europa-Vision.

Schweidlenka verweist auf die Bemühungen, das New Age zur Weltanschauung der Europäischen Union zu machen, was kaum noch überraschen kann. Clevere Ideologen würden allerdings an den pantheistischen Brücken zwischen New Age und "Deutscher Mystik" ansetzen, damit die Idee des "christlichen Abendlandes", die ohne Zweifel immer noch tiefer im europäischen Bewußtsein verankert ist als die einer nichtchristlichen "europäisch eigenen Religion", eingebunden werden kann. Der vielfältige Bezug auf die schließlich wieder katholisch gewordenen Romantiker ist hilfreich, um diesen ideologischen Brei anzurühren. Die Zeitschrift "MUT" bringt für dieses Vorgehen immer wieder Beispiele, einige haben wir angeführt.

Über Moeller van den Brucks Schrift "Das dritte Reich" von 1923, die "die ungeheure mythische Kraft dieser Formel für die antidemokratische Massenbewegung" ausgedrückt habe, urteilt Sontheimer: "Es ist sowohl das Reich (gemeint), das der deutsche Nationalismus in nächster Zukunft errichten wird, wie jene besondere, nie voll einlösbare Verheißung für das deutsche Volk, das Endreich. Den Gedanken des Dritten Reiches als 'höchster und letzter Weltanschauungsgedanke', von dem er nicht lassen könne, empfindet Moeller selbst als problematisch: er sei 'seltsam wolkig' und ganz und gar jenseits. Er führe über die Wirklichkeit hinaus, doch müsse er gerade zu einem Wirklichkeitsgedanken gemacht werden." Dies entspricht der Idee einer Wirklichkeitsreligion, die - auch historisch-politisch - das Transzendente im Realen sieht. Sontheimer zitiert den ganzheitlichen "New Ager" Moeller van den Bruck, der den politischen Charakter dieser ganzheitlichen Weltanschauung begriffen hat und einsetzt: "Das Dritte Reich wird ein Reich der Zusammenfassung sein, die in den europäischen Erschütterungen und politisch gelingen muß." (369)

Wer nun einwenden möchte, der Dezentralisierungsgedanke im New Age stünde all dem entgegen, wird enttäuscht sein, denn auch die geistigen Wegbereiter des Faschismus waren Dezentralisten in der Theorie: Chamberlain z. B., mit seiner Kritik am römisch-antiken Imperiums-Gedanken, der seiner Meinung nach vom religiös fundierten Weltherrschaftsanspruch des Judentums nach Rom gedrungen sei, und den die Päpste - urbi et orbi - beerbt hätten. Oder wieder Moeller, über den Hans-Joachim Schwierskott schreibt: "Sich gegen den Zentralismus im Reichsvolk und den Imperialismus des Reiches abgrenzend, setzte Moeller als Motto über das Kapitel vom Reich die Forderung: 'Wir müssen die Kraft haben, in Gegensätzen zu leben'. Das bedeutet ein unzweideutiges Bekenntnis zum Föderalismus, der im Reiche nicht in uniformer Gleichmacherei erstickt werden, sondern im Gegenteil, den schöpferischen Reichtum dieses Reiches ausmachen soll." Hunke bringt Reich und Regionalismus zusammen: "Wenn im Inneren Einordnung in das Ganze verlangt ist und verlangt sein muß und, ohne in das Stammesleben und Stammesrecht einzugreifen, Aufgabe des Eigen- und Einzelwillens der Stämme zugunsten der geschlossenen Kraft des Reiches, so wahrt das Reich dem ihn in verschiedener Festigkeit angegliederten Räumen - ihren jeweiligen natürlichen Gegebenheiten entsprechend und nach Maßgabe ihrer Stellung und Aufgabe im Gesamtorganismus - die innere Selbständigkeit und die Freiheit ihres völkischen und staatlichen Eigenwuchses." Hier wird Gestalt-Theorie auf das Konzept des Reichs angewandt. Neben der Anerkennung der Hierarchie, der Führung durch ein Reichsvolk, tritt bei Hunke wie vorher bei Moeller van den Bruck die "coincidentia oppositorum" des spätmittelalterlichen "New Agers" Nikolaus Cusanus, das "Yin und Yang" Capras, die Zusammenfassung heterogener Kräfte durch diese Hierarchie. Damit beansprucht das Reich als Überstaat und Ordnungsprinzip einen nur ideell zu umreißenden Raum. "Die Gültigkeit seiner Idee schafft den Raum des Reiches", so ein Moeller-Zitat bei Schwierskott, das genuin New Age-Ideologie beinhaltet. (370)

Auf die spirituelle Seite des Reichsgedankens der Nazis verweist Josef Ackermann in seinem Buch "Heinrich Himmler als Ideologe". "Dieses Reich wird geradezu ein heiliger Mythos sein", zitiert er Himmler. Walther Wüst, beim SS-"Ahnenerbe" aktiv, Autor von "Das Reich. Gedanke und Wirklichkeit bei den alten Ariern", befand das Nazi-Reich laut Ackermann als "heilig, weil es in fugenloser Übereinstimmung eine Schöpfung der göttlichen Welt- und Zeitordnung sei, weil Gott es selber eingerichtet habe." So leitet auch Mynarek den "ökoreligiösen" Gottesstaat her, der Heil, Heilen und göttliche Natur politisch werden läßt. Auch bei Alfred Rosenberg erscheint das Reich als göttlicher Auftrag: In seinem "Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts" leitet er nach viel Brimborium mit der "Deutschen Mystik" im dritten Teil unter dem Titel "Das kommende Reich" dieses als ein organisches von Lagarde und Meister Eckhart her. Gerd-Klaus Kaltenbrunner hatte im März 1989 in "MUT" Eckhart "eine geistesgeschichtliche Großmacht" genannt, das paßt ja nun gut. (371)

Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Mythos des "Reiches" damals und dem des "Neuen Zeitalters" heute: Der imperiale Anspruch des "Reiches", der trotz aller gegenstehenden Rhetorik dann doch real existierte, bezog sich zuerst nur auf Europa, zuletzt - als Vision Alfred Rosenbergs - in der "Kolonisation der neuen Zeit" auf den gesamten Erdball. Der imperiale Anspruch des Aquarius richtet sich dagegen auf den Kosmos.

Die Rückkehr der Indogermanen

Naturreligionen sind "in", auch auf der Linken. Die "Einheit des Menschen mit der Natur" wird nicht mehr als eine Einheit in der "Industrie" und im "Kampf mit der Natur" verstanden, sondern wieder naturreligiös mit faustischer Konsequenz. Vergessen ist die Kritik von Karl Marx und Friedrich Engels aus der "Deutschen Ideologie" hieran. (372) Auch demokratische Sozialisten finden immer wieder gute Worte für das "indianische Bewußtsein" oder den angeblich nicht herrschaftlichen Umgang der Naturreligiösen mit der Natur, im angeblichen Gegensatz zum biblischen "Machet Euch die Erde untertan." Teile der verwirrten Linken, erst recht in Ostdeutschland, greifen romantisch zur Naturreligion, ohne sie zu kennen, ohne sie reflektiert zu haben. Oft sind es sogar nur opportunistische Floskeln, um sich den "neuen sozialen Bewegungen" anzubiedern. Von der Indianer-Rezeption der Nazis, die die nordamerikanischen Ureinwohner als Brüder im Geiste und manchmal sogar in der Rasse ansahen - die mittel- und südamerikanischen Indianer waren diesen Nazi-Ideologen dagegen nicht heldisch genug - wissen sie nichts, über den Grund faschistischer Ideologen, so zu handeln, machen sie sich allenfalls den dürftigen "Mißbrauch"-Gedanken. (373)

Gertrud Höhler und ihre kapitalfreundliche Interpretation indianischer Weltanschauung lesen sie nicht. Wenn Henning Eichberg den Crow-Häupling Curley von 1912 als Kronzeugen für die naturspirituell begründete Rechtmäßigkeit deutscher Ansprüche auf Hinterpommern und Schlesien (mindestens!) verwendet, mißverstehen sie dies möglicherweise gar noch - wie viele der ideologischen Winkelzüge Eichbergs - als antiimperialistisch. (374) Daß der verstorbene Häuptling Seattle - ungefragt - inzwischen bei so ziemlich jeder politischen Richtung seine Rede hat halten müssen, haben sie nicht bemerkt, weil sie nur ihre eigene Richtung kennen. Es ist schier unbegreiflich, wie Linke in vorzivilisatorischen Weltanschauungen eine Perspektive für ein sozialistisches Morgen erkennen können: in der irrationalen Herrschaft von Medizinmännern, die in Wahrheit kein einziges Mal Regen herbeigetanzt haben; in den patriarchalen Verhältnissen archaischer Gesellschaften (wie viele weibliche Häuptlinge gab es denn?); in ihrer brutalsten Barbarei anderen Menschen gegenüber, bis hin zu den nächsten Verwandten, die in manch indianischem Stamm bei Eintreten der Altersschwäche - und selbstverständlich naturreligiös legitimiert - erschlagen wurden, damit sie nicht als "unnütze Esser" zur Last fielen, auch in ihrer Praxis der Sklaverei usw. Solche "Vorbilder" braucht eine Bourgeoisie, die schon wieder ihre eigenen Fahnen verbrennt - die Linke braucht sie nicht.

Ein paar Zehntausende nordamerikanischer Ureinwohner benötigten einen ganzen Kontinent zu ihrer Ernährung, heute ernährt ein Bruchteil ihres Landes andere Kontinente mit. Agrarische Gesellschaften, teilweise auf dem Jäger- und Sammler-Niveau der Steinzeit - mit extrem hoher Sterblichkeit, Kindersterblichkeit und geringster Lebenserwartung, mit psychischen Verkrüppelungen aus Angst vor Dämonen -, hätten aufgrund gänzlich zurückgebliebener Nahrungsmittelproduktion auch nicht mehr Menschen hätten ernähren können als die wenigen überlebenden Starken. Das Recht des Stärkeren bedeutete für sie konkret: mangels Überflüssen den Schwachen keine Fürsorge angedeihen lassen zu können, sondern sie viehischen Verhältnissen, dem Kampf ums Dasein nämlich, anheim fallen lassen zu müssen. Trotz all der Mühsal und - aus heutigem Blick - Entbehrungen, die die Menschen in den vorzivilisatorischen Gesellschaften erleiden mußten, konnten sie nicht einmal in Frieden leben. Ob ihre Kriege um Jagdgründe und Sammelgebiete, um Wasserstellen, Höhlen und Rohstoffe zur Werkzeugherstellung, deshalb für die von Speeren Durchbohrten und von Steinäxten Zertrümmerten angenehmer waren, weil sie mit anderen Waffen geführt wurden als heute, ist kaum anzunehmen. Im New Age wird dieser Eindruck bisweilen erweckt, so z. B. bei Mynarek oder Fromm, die den Krieg zurückführen möchten auf den "tapferen Held" und "Abenteurer", der von ihnen heroisiert wird. Jedenfalls dürfte klar sein, daß nicht ein Zurück zu den unzulänglichen Produktionsweisen der Vorzeit Verteilungskriege verhindern wird - weil sie damals eben auch und erst recht stattfanden -, sondern nur eine ausreichende industrielle Produktion, die für die Überlebensmöglichkeiten z. B. von schwach geborenen Kindern, Behinderten oder Alten usw. einen genügend großen Überfluß erwirtschaftet, der solidarisch verteilt wird. Auch ist es sicher nicht jedermanns und -fraus Sache, im Winter zu frieren und bei schwacher Konstitution an Lungenentzündung zu sterben, selbst wenn dies innerhalb des "kosmischen Reigens" eines Fritjof Capra geschehen mag.

Schließlich hätten die naturmystischen New Ager die Frage zu beantworten, wie eine sechs oder acht Milliarden-Bevölkerung mit den Mitteln vorzivilisatorischer Gesellschaften überhaupt nur zu ernähren wäre, von Lebensqualität ganz zu schweigen. Offenbar muß doch dann die Bevölkerungszahl auf archaisches Niveau zurückgestutzt werden: Mit Hilfe einer Neuauflage des Komplexes Auschwitz? Indem Seuchen frei wüten dürfen? Durch die atomare Katastrophe? Und immer naturreligiös legitimiert? Und das soll friedlich ablaufen, ohne daß sich die Mehrheit der Menschen wehrt?

Fortschritt in der Menschheitsentwicklung kam überall und auf jeder Kulturstufe vor allem durch den praktischen Kampf gegen das massenhafte Sterben zustande. Keine Kultur, auch keine naturreligiöse, hat sich in Wahrheit mit dem Massensterben ihrer Träger als angeblichen Ausdrucks der Harmonie von Natur und Kosmos zufrieden gegeben. Allenfalls wurde den Massen das Sterben anheim gelegt. Medizinmänner und Schamanen, auch die "Hexen", wurden - wie Päpste, Patriarchen - meistens sehr alt. Ihr medizinisches Wissen war Herrschaftswissen, ihr Reichtum ermöglichte ein längeres Leben gegenüber denen, die auf dem Feld, in den Bergwerken, Werkstätten und Manufakturen diesen Reichtum erwirtschafteten. Das ist heute nicht anders, wenn auch durch soziale Revolutionen und Reformen entschärft: Die Eliten leisten sich Frischzellenkuren und machen auch im Alter von siebzig Jahren noch Politik, den Massen wird die Gesundheitsversorgung gekürzt, sie gehen in die Frühinvalidität. Diese Mißverhältnisse wieder zu verschärfen, statt sie weiter abzubauen, ist eine Vergangenheits-, aber keine Zukunftsperspektive für die Mehrheit der Menschen. Die Rückkehr zu einer naturreligiösen Todeskultur wäre nur diktatorisch durchsetzbar, weil sie - das bedarf keiner weiteren Erklärung - gegen die Interessen der Menschen gerichtet ist.

New Ager mögen das Spirituelle so sehr als primär und grundlegend ausgeben wie sie wollen, gerade die Revolutionen in Osteuropa haben wieder einmal den Wahrheitsgehalt des Satzes von Bertolt Brecht bewiesen: "Erst kommt das Fressen und dann die Moral." Ganz offensichtlich ist der Hinweis auf indianische, indische oder keltogermanische Naturreligionen als Lösungsanbieter unserer heutigen Probleme nichts weiter als ein blanker Unsinn, wenn er an der Öko-Basis ernst gemeint ist, nichts weiter als ideologischer Kleister zum Schutz der Privilegien der Herrschenden, wenn er von den Intellektuellen des New Age und des (Neo-) Faschismus vorgebracht wird.

Die New Age-Naturmystiker landen allenthalben auf ihrer Wurzelsuche bei den alten Germanen und ihren nazistischen Apologeten der Zeitgeschichte und Gegenwart. Gugenberger und Schweidlenka haben dies mit zahlreichen selbst erlebten Beispielen dargestellt. Es ist erstaunlich, daß Schweidlenka dennoch an völkischen Naturreligionen festhalten und sie als die Alternative zum "amerikanisierten" New Age aufbauen will. Offenbar sieht er die strukturellen Identitäten nicht. Er ist damit - wohl ungewollt - auf der neuen Linie der "Neuen Rechten", die das Feindbild USA aus euro-ökonomischen statt aus euro-religiösen Gründen nicht aufgeben kann. Die weltanschaulichen Inhalte von "Europas eigener Religion" hat es allerdings ungeachtet des ökonomisch begründeten Ideologie-Chauvinismus als geistigen Überbau archaischer Gesellschaftsorganisation überall auf der Erde gegeben.

Sigrid Hunke glaubt - wie übrigens auch Erich Fromm -, für ihr "arisches" Projekt des "Aufgangs Europas" den "bunt schillernden Supermarkt des New Age" nicht zu brauchen. Die inzwischen fast achtzigjährige Hunke wirft 1989 auf nur einer Seite alles über Bord, was in der von ihr bisher propagierten "indogermanischen" Geschichte der Spiritualität von außerhalb des eng begrenzen "Deutschland" gesammelt wurde, insbesondere jeden Anklang an "östliche Spiritualität". Und dies nur, weil das "Indoarische" als New Age neuerdings aus dem Land der verhaßten Sieger über den Faschismus zu uns kam, gewissermaßen als eine "Reeducation verkehrt", die Hunke aber nicht mehr aufnehmen kann. Sie sieht darin lediglich einen "Gemischtwarenmarkt, zu weitläufig, zu kommerziell und für Europäer grundfalsch assortiert", etwas Fremdes also, "neue Entfremdungen", die deshalb den Keim eines neuen Unterganges des Abendlandes bereits in sich trügen. Da waren die faschistischen und vorfaschistischen Ideologen früher klüger, auch Hunke selbst, da ist die "Neue Rechte" insgesamt heute immer noch klüger. Denn es liegt ja auf der Hand, auch und gerade im "ganzheitlichen" Denken: Nicht jede(r) ist mit Einem zu ködern, Vielfalt muß her. (375)

Die politische Rechte könnte eigentlich doch gerade mit den "Buntschillernden" recht zufrieden sein, wie die Beispiele zeigen. "Oneness", Ganzheit, heißt ein im übrigen deutschsprachiges Informationsblatt des Sri Chinmoy aus Indien, eines der bedeutenderen und (einfluß-) reicheren Gurus. Die Ausgabe dieser Zeitschrift vom November/Dezember 1989 mit dem Untertitel "Peace-News - Spiritualität: die Quelle des Weltfriedens" trägt auf dem Titel die Schlagzeile "Mit aktuellem Sonderteil über die neuesten Ereignisse in Deutschland." Innen ist eine "Seelenkarte Deutschlands seit dem 9. November 1989" abgedruckt: Ganzheitlich vorweggenommen werden die erst noch kommenden neuen deutschen Grenzen. Die prophetische Karte - in Wirklichkeit eine Land(nahme)-Karte statt "Seelen"-Karte des neuen "Deutschland als Ganzem" (376) - will Sri Chinmoy durch "eine Beobachtung, die er in der inneren Welt gemacht hatte", bereits vor dem November 1989 erschaut haben. Seine Anhänger belehren uns: "Er betonte jedoch, daß er von einem rein spirituellen Standpunkt aus gesprochen habe und sich jeder politischen Stellungnahme enthalte. Es freut uns, diese Neuigkeit veröffentlichen zu dürfen; es ist eine wirkliche Oneness-Peace-News, und wir hoffen, daß sie mit Reife und Weisheit aufgenommen wird."



Gemeinsamkeit der Indo-Arier:
Deutsches Seelchen im prophetischen indischen Guru.

Aus der Zeitschrift "Oneness - Peace-News" des Sri Chinmoy, Nr. 3 November/Dezember 1989.

9. November 1989, die Trümmer des verbrannten Judentums sind weggeräumt. Jetzt, endlich frei von vorderasiatisch-semitischer Überfremdung und jüdischer Streitsucht, spricht der "indoarische" Mystiker Sri Chinmoy zu den Deutschen: "Die Seele Deutschlands feiert einen großen Sieg über die dunkelste Nacht der Unwissenheit. Dieser göttliche Sieg Deutschlands ist ein echter Sieg der ganzen friedliebenden Einsseins-Weltfamilie." Nein, es wundert nicht mehr, daß sich schließlich Sri Chinmoy und Gorbatschow im Mai 1990 trafen, das mußte ja so kommen. Berichtet hat hierüber das UFO-"Magazin 2000", dessen "ständige Mitarbeiter" laut Impressum sind: Rudolf Bahro und Roman Schweidlenka. "Zum Tag der deutschen Wiedervereinigung, 3. Oktober 1990" bringt das "Magazin 2000" einen langen Bericht über Sri Chinmoys Bemühungen um die deutsche Einheit: "Gott singt niemals das Lied der Spaltung." Der deutschfreundliche Guru hatte aus Anlaß der Wiedervereinigung eigens "Deutsche Einsseins-Heimat-Lieder" komponiert, die er nun als "Höhepunkt" seiner Konzerte darbietet. Bereits 1986 hatte er sich in Berlin für Deutschlands Einheit stark gemacht, Originalzitat des "Meisters": "Es wird eine Zeit kommen, in der es nicht zwei Berlin geben wird, sondern nur noch eines, eins, eins. Zu dieser Zeit werden die innere Kraft und die äußere Stärke Deutschlands unbegrenzt zunehmen." Anfang 1990 bereits verlieh das "Magazin 2000" an Sri Chinmoy aus Dankbarkeit "für das, was er für die spirituelle Neugeburt" Deutschlands getan habe, eine "Trophäe" des Berliner Bären, der auf einer Weltkugel (!) triumphiert, und als Beigabe erhielt der Guru "auch noch ein Stückchen Berliner Mauer." Die Zeitschrift will "im nächsten Heft noch einmal auf die Vision des Meisters von der spirituellen Zukunft Deutschlands zurückkommen", das ist 1990 ein Dauerbrenner.

Sri Chinmoys "indoarische" Konkurrenten von der "Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewußtsein" - die sogenannte Hare Krishna-Sekte - hatten bereits 1981 in deutscher Sprache das "Varnasrama-Manifest der sozialen Vernunft" veröffentlicht, das seine Erkenntnisse aus den altindischen Veden haben will. Diese Epen dienten schon der völkischen Bewegung als Quelle "indoarischer" Weltanschauung. Das "Manifest" enthält das bekannte Konzept: "Die Brahmanas: Der Kopf des sozialen Körpers", das ist die Priesterkaste des Neuen Zeitalters, Mynareks biologisch angeblich höherstehenden "ökoreligiösen Menschen" vergleichbar; "die Ksatriyas: Die Arme des sozialen Körpers", hier werden die Beamten, die Polizei und die Streitkräfte genannt; "die Vaisyas: Der Magen des sozialen Körpers", damit sind Uexkülls "Organbäume" der (Ernährungs-) Wirtschaft gemeint. Schließlich kommen "die Sudras: Die Beine des sozialen Körpers": Dieses Kapitel des "Manifestes der sozialen Vernunft" ist ganz kurz und steht unter der Überschrift "Wirkliches Glück für die Arbeiterklasse." Im Text heißt es dann: "In jeder Gesellschaft bildet die Sudra-Klasse den größten und die Brahmana-Klasse den kleinsten Teil der Bevölkerung. ... Hochqualifizierte Menschen sind selten, unqualifizierte Menschen gibt es viele. ... Der beruflichen Neigung der Sudras entspricht es, körperlich zu arbeiten und zu dienen. ... Weil der Sudra nicht über die vier Tätigkeiten von Essen, Schlafen, Sexualität und Verteidigung hinaussehen will, sind seine Gedankengänge dieselben wie die der Tiere. ... Das Varnasrama-System läßt die Sudras hart arbeiten, damit sie ihre groben Verlangen austoben können. ... Wenn der Sudra seine Pflicht, den höheren Schichten der Gesellschaft treu zu dienen, ausführt, macht er trotz seiner tief verwurzelten materiellen Anhaftungen allmählich spirituellen Fortschritt. Dies ist das Geheimnis des Varnasrama-Systems. Wenn die Menschen einfach ihrer Natur folgen und sich an die Varnasrama-Richtlinien halten, werden sie allmählich gereinigt werden."

Die angebliche "Jugendsekte" der siebziger Jahre zeigt sich hier als Propagandaorganisation für antidemokratische Ideologie, deren Gesellschaftsperspektive die der sozialen Unterdrückung ist. Wenn im New Age unkritisch auf Veden und Krishna Bezug genommen wird, wie in Capras "Tao der Physik", so wird dem indirekt Vorschub geleistet. Nemitz weist in seiner Kritik an Capra bereits darauf hin, daß das kosmische Gesetz des chinesischen Tao die Herrschaftsverhältnisse des feudalen China legitimieren sollte: "Die patriarchalisch strukturierten ländlichen Gemeinschaften werden überformt durch den Staat, der sie zu tributpflichtigen Untertanen macht." (377)

"Die Naturgesetz Partei" macht indische Philosophie zu deutscher Politik. Dieser in Bremen ansässige Ableger der "Transzendentalen Meditation" "strebt eine Gesellschaft an, die ihre Entwicklung an dem für alle Menschen als Individuen und soziale Wesen geltenden Naturgesetz orientiert", so heißt es im Parteiprogramm. "Grundlegend für unseren wissenschaftlichen Ansatz ist die bahnbrechende Erkenntnis, daß das Feld des Naturgesetzes der Quantenphysik auch subjektiv von jedem Menschen erfahren werden kann. Diese Möglichkeit der subjektiven Erfahrung des Feldes des Naturgesetzes ist dokumentiert in der uralten Vedischen Wissenschaft (Veda: Sanskrit, bedeutet Wissen), wie sie von dem Philosophen Maharishi Mahesh Yogi wieder ans Licht gebracht wurde." Erstaunlich einfach sind die "wirtschaftspolitischen Ziele" des Parteiprogramms: "Wachstum und Wohlstand für Alle auf der Grundlage von Kreativität im Rahmen der freien/sozialen Marktwirtschaft. ... Die Naturgesetz-Partei unterstützt die Ideale der freien/sozialen Marktwirtschaft." Zum Merksatz "Gesunde Wirtschaft in einem freien Markt" heißt es weiter: Das erstrebte schrankenlose Wirtschaftswachstum "können wir durch die wissenschaftliche Anwendung der Prinzipien des natürlichen Evolutionsprozesses erreichen, auf denen der Haushalt der Natur basiert." Die konkurrierenden Krishna-Jünger hatten aus denselben Veden doch gerade erst die agrarische Autarkie herausgelesen. "Gleichzeitig wollen wir das kollektive nationale Bewußtsein verbessern", schreibt die "Naturgesetz-Partei". Auch hier kennt man also das "kollektive Unbewußte" Carl Gustav Jungs, der zum deutschen Psycho-Guru aufgestiegen ist.

Es ist wahr: Alles hängt mit allem zusammen, aber anders, als das New Age glauben machen will. Marcus Bauer ist Autor in der Zeitung "Junge Freiheit" und in dem Henning-Eichberg-Blatt "wir selbst", war Funktionär der REPs und Leiter der neonazistischen Gruppe "Politische Offensive", die in den achtziger Jahren mit dem "Initiativkreis Linke Deutschland-Diskussion" (LDD) des "MUT"-Autors Rolf Stolz in Lahnstein am Rhein ein gemeinsames Postfach hatte. Der Gründungsaufruf der LDD wurde auch von Hubertus Mynarek unterschrieben. In dem Buch "Gedanken zu Großdeutschland" des "Junge Freiheit"-Redakteurs Stefan Ulbrich schrieb - neben Alain de Benoist und dem LDD-Unterstützer Theodor Schweisfurth - Marcus Bauer: "Ökologischer Fundamentalismus, Erhalt der kulturellen Eigenart, Schaffung einer nationalen Identität, ein 'organischer' Staat und 'Patriotismus' als selbstüberwindende, auf das 'Ganze', den Staat, die Nation als Endzweck bezogene Haltung, bilden ... die Inhalte eines Nationalismus für die Zeit nach der 'Wiedervereinigung'".

In dem rassistischen "Heidelberger Manifest" von 1981 - das auch von Werner Georg Haverbeck unterzeichnet worden war, auf dessen Schriften wiederum Hubertus Mynarek seine "Ökologische Religion" stützt - hieß es in Anlehnung an die "Gestalt"-Prinzipien: "Völker sind (biologisch und kybernetisch) lebende Systeme höherer Ordnung mit voneinander verschiedenen Systemeigenschaften, die genetisch und durch Traditionen weitergegeben werden. Die Integration großer Massen nicht-deutscher Ausländer ist dabei bei gleichzeitiger Erhaltung unseres Volkes nicht möglich und führt zu den bekannten ethnischen Katastrophen multikultureller Gesellschaften." (378)

Das "Sri Lanka Foundation Institute" beschäftigte sich im August 1993 in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem "hinduistischen Fundamentalismus". Robert E. Frykenberg kam zu dem Schluß, daß der "hinduistische Fundamentalismus" eine nationalistisch-religiöse Bewegung sei, die totalitär und aggressiv die indische Demokratie und imperialistisch die gesamte indoasiatische Region bedrohe. Die sanskritischen Normen reflektierten die kosmischen Prinzipien der Vedischen Gesetze. Nach Frykenbergs Erläuterung entsprechen diese "Gesetze" den "Gestalt"-Prinzipien von Chamberlain bis Capra. Frykenberg findet den Ausgangspunkt des "hinduistischen Fundamentalismus" bei Mahatma Gandhi, der in Europa und den USA nur als Friedenskämpfer bekannt sei, in Wahrheit aber ein völkisch-religiöser Nationalist gewesen sei. Gandhi sei kein Freund der Demokratie und der politischen und sozialen Gleichheit gewesen, sondern habe die Unterprivilegierten auf ihren vermeintlich göttlich zugedachten Platz am unteren Rand der Gesellschaft verwiesen. In seinem "geschlossenen Hindu-Weltbild" habe er niemals die Hegemonie der obersten Klasse im religiösen, sozialen und politischen Bereich in Frage gestellt. (379)

Die Krishna-Zeitschrift "Back to Godhead", die sich selbst in den Dienst der "Respiritualisierung der menschlichen Gesellschaft" gestellt hat, brachte im Januar 1991 eine Zeichnung auf ihrem Titelblatt, die mehr zeigt als nur den Traum von einer angeblich heilen Welt. Da kommt unter der Parole "Getting free" ein Arbeiter aus der Welt der qualmenden Fabrikschlote, Tanklastzüge, Öltonnen und Kriegsschiffe, die im Strudel alles in die schwarze Tiefe reißt. Der Arbeiter zieht den Blaumann aus, wirft Schutzhelm und Schraubenschlüssel weg und wendet sich der vermeintlichen agrarischen Idylle zu, in der ein Ochse den Pflug zieht, ein Bauer mit der Sense das Korn schneidet und im Hintergrund Fähnchen auf einem indischen Hare Krishna-Tempel flattern. Kahlköpfige Krishna-Jünger mit der Trommel begrüßen ihn freudig. Dies ist das Sinnbild der naturreligiös gestützten Subsistenzwirtschaft, das auch in der Ökologiebewegung durch die Köpfe vieler geistert. Daß diese Gesellschaftsvorstellung nirgendwo, erst recht nicht in Indien, jemals zum Nutzen der Mehrheit funktioniert hat, spielt für ihre ideologische Funktion keine Rolle, denn es geht darum, die Grundprinzipen des Organizismus in den Köpfen der Menschen zu verankern. Naturspirituelle Ökofreaks sind hier die "nützlichen Idioten" der Herrschenden. Wenn sie an ihren naturromantischen Ideen festhalten und sie tatsächlich realisieren wollen - statt zu begreifen, daß der pantheistische Organizismus die autoritäre Verfassung einer faustischen Industriegesellschaft legitimieren soll - werden sie, wie in den dreißiger Jahren die völkischen Ideologen, in die Wüste geschickt bzw. direkt politisch verfolgt.

Daß die Bevölkerung in einer solchen Gesellschaft zur mühseligen Handarbeit zurückkehren müßte, wird oft sogar als erstrebenswertes Ziel ausgegeben. So steht z. B. im "ÖkoKalender '92", der von der Umweltorganisation "Robin Wood e. V." herausgegeben wird, in einem Text über "Frauen und Ökologie": "Die Übertragung aller 'lästigen' Arbeiten an Maschinen schafft Kälte und Einsamkeit statt menschliche, gesellschaftliche Beziehungen in der Gesellschaft - dies kann kein Ziel sein. ... Wenn Arbeit wieder als Freude erlebt wird, kann Arbeitszeitverkürzung kein Ziel sein." Es wird "der vermehrte Einsatz menschlicher und tierischer Energien" gefordert und schließlich sogar indirekt die Ideologie des Mutterkreuzes wiederbelebt: "Durch die Bewertung der Arbeit nach ihrem Beitrag zum Leben-schaffen und -erhalten entfällt das breite Feld der Ideologisierung und Verachtung der Frauen als Mütter." Fragt man die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Industrie, Handwerk und Landwirtschaft, so sind sie allerdings kaum bereit, zur alten Handarbeit zurückzukehren und diese Mühen - auch noch bei verlängerter Arbeitszeit - wieder auf sich zu nehmen und dabei gleichzeitig auch noch Mütter und Väter zu sein. Zur Frage nach der Möglichkeit, eine Milliardenbevölkerung mit dem Ochsenpflug zu ernähren, äußert sich die Autorin im Robin-Wood-"ÖkoKalender" nur indirekt: Es müßten "neue soziale Formen der Regelung der Fortpflanzung entstehen." Sie läßt auch offen, wie denn nun die acht Milliarden Menschen auf ein paar Millionen reduziert werden sollen. Entgegen allen Tatsachen über eine längere Lebenserwartung der Menschen durch bessere Ernährung, Gesundheitsvorsorge, Hygiene und Schutz vor Naturgewalten - durch Zivilisation also - wird hier behauptet: "Bevölkerungswachstum nicht als Ursache, sondern infolge von Kolonisierung, Missionierung, Patriarchat und Naturausbeutung können das Ökosystem der Erde gefährden." (380)

Entbehrungen jeder Art - vor allem auch, um Krieg führen zu können - mutet Erich Fromm überall in seinem Buch "Haben oder Sein" den Menschen zu, ergänzt um Haßtiraden auf die Gewerkschaften, die ein Zurück zur Handarbeit und eine längere Arbeitszeit wohl kaum auf ihre Fahnen schreiben werden. In ähnlicher Weise äußert sich Rudolf Bahro in seiner hektographierten Schrift "Über kommunitäre Subsistenzwirtschaft und ihre Startbedingungen in den neuen Bundesländern", die ein gänzlich wirklichkeitsfremdes und autoritäres Gesellschaftskonzept mit der Konsequenz des materiellen und psychischen Massenelends beinhaltet. Ihm schwebt vor, daß auserwählte Elitemenschen, "von einer spirituellen Motivation zusammengehalten", Kommunen von weniger als fünfzig Mitgliedern bilden, in denen auf vorzivilisatorische Art gewirtschaftet werden soll. Dabei stelle sich "tendenziell von selbst das (in der bisherigen Zivilisation so grundlegend gestörte) Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern wieder her", offenbar naturwüchsig, denn das "Gemeinwesen" soll neben "der spirituellen Praxis" vom "Naturverhältnis" getragen sein. Das heißt dann für die Frauen wohl wieder: Kinder, Küche, Kirche statt Kinderkrippen und der Möglichkeit zur selbstbestimmten statt Mutter-Natur-bestimmten Lebensführung.

"Bei dieser Lebensweise liegt die Priorität auf den ursprünglichen Zyklen und Rhythmen des Lebens", so Bahro, "die Differenzierung der Bedürfnisse und Fähigkeiten" sei "rückgebunden an die kosmische Einordnung und besondere Bestimmung der menschlichen Existenz." Die Menschen erneut an "ursprüngliche Lebensrhythmen" zu binden - die allerdings niemand mehr kennt: Was heißt denn "ursprünglich"? -, das schwebte auch Jakob von Uexküll in seiner "Staatsbiologie" vor, in der die ständischen "Organbäume" des Staatsaufbaus dies organisatorisch leisten sollten: etwa der "Nährstand" vom Bauern über den Müller, Bäcker, usw. zum Endverbraucher. Was in der menschlichen Geschichte "ursprünglich" heißt, geben die spirituellen Seher im Auftrag der Herrschenden kund. Und "das, worauf es ankommt" im Leben, gibt Bahro den Menschen vor, die sich damit abzufinden haben: "Schönheit und Ordnung eines Milieus, Weisheit und Kultur im Umgang mit Konflikten." Menschliche Freiheit und Emanzipation von Mühsal, Krankheit, Unterdrückung und Dämonen sind hier keine Werte mehr, ebensowenig Demokratie und gleiche Teilhabe an gesellschaftlichen Entscheidungen; statt dessen wird gefordert, sich den naturreligiös legitimierten Vorgaben unterzuordnen. Schon Gerd-Klaus Kaltenbrunner fragte 1984 in "MUT": "Müssen Demokratien häßlich sein?" und befand, daß vor allem der Adel "Anmut, Pracht, Festlichkeit" aufzuweisen habe. Er nennt die Pharaonen und römischen Kaiser, Ludwig XIV. von Frankreich (Versailles) und Ludwig II. von Bayern (Neuschwanstein !) und befindet, sie "waren zwar keine Demokraten. Doch sie haben ihren Völkern immerhin bewiesen, daß Macht und Schönheit, Politik und Kultur einander nicht ausschließen müssen", vor allem, wenn es Sklaven und Bauern sind, die diese Schönheit in Handarbeit schaffen, ohne an ihr teilhaben zu dürfen.

Bahro lehnt in seiner Schrift zur Subsistenzwirtschaft ausdrücklich die Demokratie ab und fordert - ohne dies so zu benennen - den spirituellen Guru-Psycho-Terror gegen Andersdenkende, die innerhalb der Kommune solange mit angeblichen kosmischen Notwendigkeiten traktiert werden sollen, bis sie von selbst aufgeben: "Das Wohin, die allgemeinen Angelegenheiten und die Regeln des Zusammenlebens können nur in einem konsensualen, nicht auf Köpfe zählende Abstimmung gegründeten Prozeß entschieden werden." Wie der "Konsens" in spirituellen Gemeinschaften - Sekten - hergestellt wird, ist ja allgemein bekannt. Bei diesem Verfahren der konsensualen Einheitsstiftung mit dem Kosmos wird den unterlegenen Minderheiten nicht einmal mehr die Möglichkeit des Bewußtseins der Niederlage gelassen, aus dem heraus sie die Kraft zu Protest, zu neuem Kampf für neue Mehrheiten gewinnen könnten. In Bahros Ideologie garantiert das Prinzip des spirituell begründeten Konsenses die angestrebte gesellschaftliche Stagnation auf vorzivilisatorischem Niveau. Tatsächlich aber entmündigt es die Massen zugunsten der Herrschenden und Eliten. Diese Weltanschauung kann nur totalitär sein, weil sie auf der einen Totalität der Welt aufbaut, von den Planetenbahnen bis zur Entscheidung über einen Kanaldeckel in der Straße, ungeachtet der realen qualitativen Unterschiede.

Der rechtsextreme ehemalige Bankdirektor und Unternehmensberater Arthur Korsenz entwirft in dem Buch "Mut zur Identität" des "Thule-Seminars" einen Autarkie- und Dezentralisierungsplan für Nordwesteuropa, den er ausdrücklich als Ausarbeitung entsprechender Ideen der Ökologiebewegung verstanden wissen will. Er beruht u. a. auf Arbeiten Henning Eichbergs und steht in der langen Tradition der Autarkie-Bestrebungen des Faschismus. Der Plan soll - im Sinne des inneren "Yin und Yang" von Autarkie und Imperialismus - "Europa wieder die Machtstellung in der Welt zurückgeben, die ihm gebührt", sein Ziel ist die "Herstellung eines solchen handlungsfähigen Europa." Er führt als scheinbar antiimperialistisches Argument für die Autarkie den schädlichen Einfluß Europas in der "Dritten Welt" an, der zur Überbevölkerung geführt habe, weil "unter europäischer Herrschaft bzw. durch sonstigen europäischen Einfluß die natürlichen Bevölkerungsregulative in diesen Ländern - Hunger , Seuchen, Krieg - weitgehend ausgeschaltet wurden." Welche Perspektive also für die "Dritte Welt" bleibt, wenn die Politik wieder aus den Naturmythen schöpft, läßt sich leicht ersehen. Im Gegensatz zu vielen New Agern spricht Korsenz es aus: "Man soll, von gewissen, nicht (!) humanitär begründeten Ausnahmen abgesehen (hier ist wohl die Ausbeutung der Rohstoffe gemeint, P. K.), die Entwicklungsländer sich selbst überlassen und in Kauf nehmen, daß sie sich auf die Menschenzahlen, die sich selbst ernähren können, zurückhungern." (381)

An den konkreten Folgen von Naturreligiösität ist zu erkennen, daß sie niemals eine Grundlage oder auch nur ein Teil linker Weltanschauung sein kann, weil sie niemals den Bedürfnissen der Mehrheit gerecht werden wird, weil sie im Gegenteil zur Rechtfertigung der Privilegien der vorzivilisatorischen Herrschenden erdacht wurde und - reformiert und den veränderten Bedingungen des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts angepaßt - von den Ideologen der heute Herrschenden propagiert wird. Das Bestreben nach Subsistenzwirtschaft, nach Autarkie, nach Selbstversorgung und Abgeschlossenheit gegen andere, ist die logische Folge des Gestalt-Konzeptes. Schon Johann Gottlieb Fichte predigte im Jahre 1800 die Autarkie als Konsequenz seines pantheistisch-ganzheitlichen Denkens in seinem Buch "Der geschlossene Handelsstaat". Die neuheidnischen Nazi-Organizisten, allen voran der Ernährungsminister und Reichsbauernführer Walter Darr‚, scheiterten mit ihren Versuchen kläglich, auch nur kurzfristige Selbstversorgungspläne durchzusetzen. Entbehrungen für die Massen sind die durchgreifendste Folge der Autarkie und das eigentliche Ziel des organizistischen Staatsdirigismus - bis hin zur Massenverelendung -, das wird nicht nur bei New Agern und im historischen Faschismus, sondern auch z. B. bei dem "Neurechten" Guillaume Faye deutlich, der "von der Konsumgesellschaft zur organischen Wirtschaft" will. Wirtschaftliche Autarkie ist so borniert wie der Nationalismus und ist, wie dieser, nur die Kehrseite des Imperialismus. Subsistenzwirtschaft war bereits das Ziel der völkischen Bewegung; gleichzeitig forderte sie direkte territoriale Expansion und deutsche Dominanz in einem der Reichsidee folgenden organizistischen Europa, weil auch Autarkie Land, Märkte und Rohstoffe braucht. Ihr Konzept der Eroberung von "Lebensraum" war innerlich verbunden mit der Autarkie-Forderung und -Politik: Nur "Großwirtschaftsräume" können sich der Autarkie annähern, die freilich dann ihren Sinn verloren hat, wenn der Wirtschaftsraum die Größe des Weltmarkts erreicht.

Das zeigt auch der Othmar Spann-Organizist Walter Becher mit seinem "ganzheitlichen" Autarkie-Konzept der "Großraumwirtschaft". Er beginnt mit dem Satz, den wohl viele New Ager und Öko-Bewegte mittragen würden: "Adam Smiths Behauptung, der sei ein schlechter Hauswirt, der selber herstelle, was er anderswo billiger kaufen könne, kann nicht der Leitspruch einer organisch-ökologisch fundierten Strukturpolitik sein." Becher endet mit der organizistischen Europäischen Union als der Gestalt, die mit anderen Wirtschafts-Gestalten konkurriert: "Weltwirtschaft und Weltwirtschaftspolitik werden um so erfolgreicher sein, je mehr sie sich auf Großraumwirtschaften stützen, welche Wirtschaftsstufen mit eigener Wirtschaftsorganisation und Wirtschaftspflege bilden. Die Europäische Gemeinschaft erfährt, was auch anderen Kontinenten und Großräumen dienlich wäre: Der größere Markt bringt allen Teilhabern größere ökonomische Fruchtbarkeit. ... (Er holt) ein, was die USA und in gewissem Sinne auch die UdSSR voraushaben: die Möglichkeit optimaler Integrationen, die mit entsprechenden Absatzmärkten auch eine bessere Kostengestaltung gestatten." Die Sätze lesen sich, als hätte Becher sie in seiner Nazi-Zeit geschrieben, "Großraumwirtschaft" war das deutsche Ziel des Zweiten Weltkriegs. Doch Bechers Anti-Capra erschien 1987.

Dies also ist das wahre Ziel der ganzheitlich-ökologischen Autarkie, des pantheistich-organizistisch gegründeten Wirtschaftens, der "Gliederung, Dezentralisierung, Auflockerung in allen Lebensbereichen", wie es in einer Rezension des Becher-Buches heißt: "Wir brauchen eine moderne ganzheitliche Selbststeuerung, die auf dynamisch vernetzten, nämlich dezentralen Denkstrukturen aufbaut, die selbststeuerungsfähige Einzelelemente sind. ... Ohne Rivalität kann ja auch die Natur nicht auskommen." (382)

Immer wieder haben sich Teile der Linken mit organizistischen Vorstellung zu Komplizen der Herrschenden gemacht, weil sie nicht erkannten, daß der Organizismus ihr Gegner ist. In der heutigen Zeit sind zu den altbekannten Konzepten des Nationalismus und Rassismus noch New Age und Naturreligion hinzugetreten. Die beiden sind nicht etwa besser, nur weil sie bisher weniger aggressiv auftreten. Sie sind gefährlicher, weil sie die Freiwilligkeit der Unterordnung betonen, weil sie auf Terror und Gewalt gerade zu verzichten vorgeben. Die Linke ist sich einig im Kampf gegen den Faschismus als terroristische Herrschaftsform, weil ihre Besten diesem Terror zum Opfer fielen. Doch in der Täuschung, eine "sanfte Verschwörungs" müsse ja wohl etwas Gutes sein, fallen bisher noch etliche Linke auf das dem Faschismus wesensverwandte New Age herein.

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Anmerkungen des dritten Teils von Kapitel 3:

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(307) Krieck 1942, S. 49-51; S. 54 f; ders. 1938, S. 23.
(308) S. Hunke: Kampf um Europas religiöse Identität, in: Krebs 1988, S. 79; S. 81. Fromm, S. 120 ff.
(309) Spranger, S. 275; S. 287; S. 295 f; S. 297; S. 311 f.
(310) Bahro 1987, S. 20 f. Capra 1988, S. 3. Spranger S. 294. Mynarek 1986, S. 186. Fromm S. 11; S. 29; S. 109 f. Rosenberg S. 217-277. Haberer S. 31.
Wenn das "Philosophische Wörterbuch" von Klaus und Buhr (Leipzig 1969, S. 754) Eckhart "und vor allem Böhme" wegen ihres Pantheismus unreflektiert zu einer "linken, progressiven Mystik" rechnet, kann man nur den Kopf schütteln; nicht einmal in historischer Betrachtung ist die gotische Mystik "links", wie man an ihren Beiträgen zum Imperialismus der Kreuzzüge ersehen kann.
(311) Smuts S. 9; S. 340; S. 355; S. 142.
(312) A. Bachmann und M. Schaeffer (Hrsg.): Neue Wege - neue Ziele. Denkanstöße und Orientierungshilfen in der Wendezeit, München 1990. Mit Beiträgen von F. Capra, F. Vester, R. Jungk, M. Gorbatschow, R. v. Weizsäcker, O. Lafontaine, Dalai-Lama, M. Griefahn u. a. Der meist oberflächlich argumentierende Jungk hatte 1974 in der Zeitschrift "Evangelische Kommentare" (Nr. 4, S. 225-228) ein Interview über seine "Zukunftswerkstätten" gegeben (Titel. "Die Verwandlung der Technik"), wo er den abstrakten Lebens-Begriff benutzt, den wir oben darstellten. Über "die kommende Technik", die er als "evolutionäre, lebendige Technik" haben will, sagt er hier: "Ihre Baupläne wären wesentlich von der Biologie her bestimmt. Eine solche Technik erscheint mir vernünftiger als jene, die dem Lebendigen entgegengestellt wird, ihm fremd, feindlich ist und dann diese Fremde vergewaltigt und unterdrückt." Er sieht das Technik-Problem analog zur Architektur als ein Problem von "Stilformen", als gewinne ein gigantomanisches Bauwerk eine andere ökologische Qualität, wenn sein Dach der Statik eines Blattes folgt. Jungk übersieht dabei gänzlich, daß die Statik ja selbst eine Naturwissenschaft ist und die heutigen Baupläne der Technik bereits den Naturgesetzen unterliegen.
(313) Jungk in Bachmann und Schaeffer, S. 94; S. 99; S. 95 f. D. Sillescu: Das New Age Buch, Mainz 1986. W. G. Haverbeck: Die andere Schöpfung, Stuttgart 1978. Mynarek 1986, S. 273. R. Jungk: Sein Kampf (Bahro-Rezension), "taz" 29. 10. 1987.
Zu Haverbeck/Kühnen vgl. Verfassungsschutzbericht 1984 des nordrhein-westfälischen Innenministers. Kühnen hatte in dem "Zeitgeist"-Blatt "Tempo" (Februar 1989, S. 84) gesagt: "New Age wirft sehr viele intelligente Fragen auf. Schade, daß die New Age-Intellektuellen Angst vor der Machtfrage haben - wir könnten ihre Weltanschauung gut gebrauchen. Ich habe viele Sympathien für Esoterik. ... Der Mensch wird ganzheitlich, der Sprung vom Homo sapiens zum Homo superior wird möglich." Vgl. Bahros Zustimmung zum Besuch Erich Frieds bei Kühnen, in: Bahro 1987.
(314) Jungk in Haverbeck, S. 2. Haverbeck S. 220; S. 174; S. 9; S. 343; S. 330; S. 346; S. 329; S. 326.
Zu Ziegler vgl. G.-K. Kaltenbrunner in "MUT", Nr. 292, Dezember 1991, S. 69 f: Kaltenbrunner ernennt Ziegler zum "deutschen Esoteriker" und "Weisen vom Bodensee", der "in einem Atemzug mit Oswald Spengler, Ludwig Klages und Hermann Graf Keyserling" zu nennen sei und "geistesverwandt" mit Julius Evola "in der Nachfolge Jakob Böhmes" stehe.
(315) Haverbeck S. 10. Mynarek 1986, S. 131; S. 139. Hunke 1989, S. 287-295; S. 311; S. 313; S. 218; S. 229. Zum Kampf gegen den "Sündenfall" vgl. Fromm, S. 120 f.
(316) Vgl. E. Mayr: Die Biologie des Menschen und das Jahr 2000, in: R. Jungk und H. J. Mundt: Der Weg ins Jahr 2000, München 1968 (Original: Toward the Year 2000, Cambridge/Mass. 1967); vgl. S. 225; S. 228 f.
(317) G. v. Uexküll: Können wir überleben?, in: R. Jungk und H. J. Mundt: Deutschland ohne Konzeption?, München 1964, S. 16.
(318) Diese Auseinandersetzung, deren Abart wir heute in der Debatte um die Eigenrechte der Natur erleben (vgl. Kratz 1989b), gehörte zu den Hauptbetätigungen der gegen "Rom" gewandten Heidnisch-Völkischen, obwohl es hier um Grundsätze aus dem antiken römischen Recht ging. Vgl. G. Isbary: Ziele einer deutschen Raumplanung, in: Jungk u. Mundt 1964, S. 107. Zum Kampf der Völkischen gegen die Einführung des Römischen Rechts vgl. K. v. See: Deutsche Germanen-Ideologie. Vom Humanismus bis zur Gegenwart, Frankfurt a. M. 1970, S. 49-52.
(319) J. Lederberg in R. Jungk und H. Mundt: Das umstrittene Experiment: Der Mensch, München 1966. Zit. n. L. Weß: Die Träume der Genetik, Nördlingen 1989, S. 184-194. Bei diesem von Jungk und Mundt herausgegebenen Buch handelt es sich um die Beiträge eines Kongresses der CIBA-Foundation, der Stiftung des schweizerischen Pharmakonzerns CIBA, im Jahre 1962.
(320) Ferguson S. 393. Wölflingseder S. 64 f; S. 147 f. Schweidlenka 1989, S. 70; S. 143. Küenzlen 1988, S. 243.
(321) Capra 1987, S. 18. C. F. v. Weizsäcker: Geist und Natur, in: Dürr u. Zimmerli 1991, S. 21 f.
(322) Chamberlain 1928, S. 101; ders. 1899, S. 1104; S. 1122; ders. 1921, S. 776; S. 778 f; ders. 1928, S. 74. Lukács, S. 557 ff.
Heute wird der Futurismus in der "Neuen Rechten" wieder reaktiviert, vgl. z. B. G. Accame: Futurismus und Politik, in: "Criticon", Nr. 96, Juli/August 1986.
(323) Vgl. Farías 1989, S. 390. Vgl. dagegen S. Vietta: Heideggers Kritik am Nationalsozialismus und an der Technik, Tübingen 1989, dem Heideggers Vortrag von 1938 "Die Begründung des neuzeitlichen Weltbildes durch die Metaphysik" genügt, den Philosophen als Technikgegner und Kritiker des nationalsozialistischen Modernisierungsschubs darzustellen.
Spengler hatte sich bereits in "Preußentum und Sozialismus" (München 1919) und in "Der Mensch und die Technik. Beitrag zu einer Philosophie des Lebens" (München 1931) für das Faustische ausgesprochen. Vgl. bei Ernst Jünger besonders "Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt", Hamburg 1931.
(333) Zu Mohler vgl. Kratz 1991b. A. Mohler: Wie modern war das Dritte Reich?, in: "Criticon", Nr. 125, Mai/Juni 1991, S. 137 f. Es handelt sich um eine Rezension des Buches von M. Prinz und R. Zitelmann (Hrsg.): Nationalsozialismus und Modernisierung, Darmstadt 1991. Zitelmann gehört inzwischen selbst zu den Nachfolgern der Konservativen Revolution.
(334) Mohler 1950, S. 155 ff.
(335) Ebd., S. 157; S. 169; S. 157 f; S. 160.
(336) Spranger S. 315 ff. Mohler 1950, S. 160 f.
(337) W. Hauer: Naturwissenschaft und Religion, Glauben und Wissen, in: ders.: Verfall oder Neugeburt der Religion?, Stuttgart 1961, S. 280; ders.: Indo-arische Metaphysik, Stuttgart 1934.
(338) Vgl. z. B. den wenig originellen und oberflächlichen Artikel von H.-G. Jaschke: Nationalismus und Ethnopluralismus. Zum Wiederaufleben von Ideen der "Konservativen Revolution", in: "Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament" 10. 1. 1992. Immerhin nimmt Jaschke das Konzept des "Ethnopluralismus" wenigstens endlich als ein neofaschistisches zur Kenntnis.
(339) Capra 1988, S. 338. Hunke 1969, S. 222 ff; S. 228; S. 225 f; S. 468; S. 226.
(340) G. Schiwy: Der kosmische Christus, München 1990, S. 103; S. 86 ff; S. 88.
(341) Hunke 1969, S. 226 f; S. 464.
(342) P. Teilhard de Chardin: Der Mensch im Kosmos, München 1959, S. 279 ff.
(343) Schiwy 1981, Bd. 2, S. 262; S. 202 ff; S. 261 f. Teilhard 1959, S. 281. Teilhard zit. n. Bahro 1987, S. 460. Ruppert 1987, S. 111 f.
(344) Hunke 1969, S. 465; S. 468.
(345) Schweidlenka 1989, S. 58. Niedenführ 1990, S. 111.
(346) G. Gerken: Die Geburt einer neuen Kultur, Düsseldorf 1988. "Management und Wissen", Nr. 1/1989, S. 5. "Wiener", Nr. 11/1989, S. 101-108.
(347) Hermand S. 67 f. Mynarek 1986, S. 159. Niedenführ 1990, S.76 f.
(348) Faye in Krebs 1988, S. 240; S. 245; S. 256 f.
Vgl. Weß, S. 99-107; Kardoff S. 67 ff.
(349) Teilhard 1959, S. 280. Krebs 1981, S. 152. Hermand S. 293-311. Spengler 1931, S. 86.
(350) H.-P. Michels: Informationsverarbeitung und Künstliche Intelligenz. Eine Analyse der Grundlagen der modernen Denk- und Gedächtnispsychologie, Frankfurt. a. M. 1991; vgl. S. 58 f; S. 106; S. 126; S. 178; S. 180-185. Ders.: Eighth International Joint Conference on Artificial Intelligence, in: "Das Argument", Nr. 142, 1983, S. 888 f.
Russel und Leary zit. n. Schweidlenka 1989, S. 151, S. 153. Schweidlenka beschränkt sich in seiner Darstellung der spirituellen "Computopia" wiederum auf eine romatizistische Kritik der technischen Entwicklung: Computer bedeuteten "Krieg gegen die Natur" (S. 155) und würden die Naturreligiösität der vermeintlich harmonischen vorzivilisatorischen Gesellschaften zerstören (S. 156).
(351) W. Ch. Zimmerli: Technik als Natur des westlichen Geistes, in: Dürr und Zimmerli, S. 389-409.
(352) Weizsäcker zit. n. Wisser, S. 234 f.
(353) A. von Schrenck-Notzing: Grundfragen der Parapsychologie, 2. Aufl. Stuttgart 1962 (1. Aufl. 1929), S. 24. Scheler verfaßte u. a. das Buch "Die Stellung des Menschen im Kosmos", Darmstadt 1928.
(354) Faye in Krebs 1988, S. 250. Chamberlain 1928, S. 74. Puttkamer zit n. "taz" 14. 3. 1987.
Der Nazi Otto Sigfrid Reuter war ein Halbbruder des von den Nazis verfolgten Ernst Reuter, dessen Sohn Edzard Reuter als Chef von Daimler-Benz die Fusion mit MBB herbeiführte, vgl. Kratz 1991b.
(355) Zit. n. "Der Spiegel", Nr. 12/1992, S. 146. Vgl. zur Siemens-Stiftung Kratz 1991b.
(356) Becher S. 150; S. 156; S. 162 f.
(357) Jäckh zit. n. R. Opitz: Europastrategien des deutschen Kapitals 1900-1945, Köln 1977, S. 367 ff.
(358) B. Kanitscheider: Selbstorganisation in komplexen Systemen, in: Universitas. Zeitschrift für interdisziplinäre Wissenschaft, Nr. 8/1991, S. 751-760.
(359) "Das Neue Zeitalter", Nr. 15/1990, S. 9. Capra 1987, S. 287; S. 289; S. 337; ders. 1988, S. 366; S. 374.
(360) G. Höhler: "Bäume - Sinnbilder des Lebens: Indianerbäume", in: "MUT", August 1989. Höhler im Interview in: Verspielen wir die Zukunft? Gespräche über Technik und Glück, Zürich 1982, S. 52 f; 54. Uexküll 1933, S. 66; S. 73.
(361) "Criticon", Nr. 44, S. 324. Vgl. G. Faye: Von der Konsumgesellschaft zur organischen Wirtschaft, in: Krebs 1981. "Der Spiegel", Nr. 34/1979, S. 157-162.
(362) Vgl. A. Barkai: Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus. Der historische und ideologische Hintergrund 1933-1936, Köln 1977, S. 31 ff. Zu Spann ebd., S. 77-81, 92-96.
(363) "Der Spiegel", Nr. 17/1989, S. 130 ff; Nr. 11/1992, S. 152 ff.
(364) Hunke 1969, S. 470; S. 505.
(365) Mynarek 1986, S. 203; S. 201. Rosenberg S. 24.; S. 26. "Das Atlantis Lichtnetz", Nr. 3/1990. Der sechste Kontinent der Erde ist Antarktika.
Vgl. z. B. Hermand 1988, S. 238-243, zur "Faschisierung des Atlantis-Mythos". Gugenberger u. Schweidlenka 1987, S. 49. A. Strohmeyer: Helgoland - Heiligland? Um den roten Felsen in der Nordsee ranken sich braune Mythen, in: "Waterkant. Mitteilungsblatt der Aktionskonferenz Nordsee e. V.", Nr. 1/2/1991, S. 45-48.
(366) "Die Tat", Heft 9, S. 642 ff. Zu Heidegger vgl. Farías, S. 43; Heidegger war selbst ein Respiritualisierer von Volk und Reich, vgl. ebd. S. 302 f, 365 f. Bahro 1987, S. 346; S. 451. Reichstümler zit. n. F.-W. Haack: Blut-Mythus und Rasse-Religion. Neugermanische und deutsch-völkische Religiösität, München 1983, S. 19.
(367) Sontheimer S. 226 ff; S. 230 ff.
(368) S. Hunke: Das Reich ist tot. Es lebe Europa, Hannover 1965, S. 52f.
(369) Schweidlenka 1989, S. 158 f; allerdings verfällt er dann in den Fehler, das nationalrevolutionäre Konzept des "Bioregionalismus" gegen die EU als zentralistische Macht zu setzen (S. 161 f) und anschließend auch noch, an die Ludendorffer-Sekte erinnernd, die UNO anzugreifen (S. 163-170). Sontheimer S. 239.
(370) H.-J. Schwierskott: Arthur Moeller van den Bruck und der revolutionäre Nationalismus in der Weimarer Republik, Göttingen 1962, S. 107 f. Hunke 1965, S. 123.
Vgl. J. Neurohr: "Der Mythos vom Dritten Reich", Stuttgart 1957, der vor allem in dem Kapitel "Imperium Sacrum" auch auf die geschichtliche Entwicklung der Idee eingeht. Er setzt den Reichsgedanken auch in Beziehung zu den Verheißungen des "Neuen Menschen", eine Vision, auf die auch Küenzlen (1988) für das New Age hinweist und die bei Teilhard de Chardin deutlich wurde. Zur "Idee eines übernationalen Reiches" läßt Neurohr den konservativen Revolutionär Edgar Jung ("Die Herrschaft der Minderwertigen, ihr Zerfall und ihre Ablösung durch ein Neues Reich", Berlin 1927) zu Wort kommen: "aus deutschem Geiste geboren, das Abendland vor endgültiger Auflösung bewahrt" (S. 201). Bei Sigrid Hunke heißt dies 1989: "Vom Untergang des Abendlandes zum Aufgang Europas". E. Jung und Hunke sind sich über mehrere Jahrzehnte hinweg einig: "Die Zukunft der Deutschen hängt von der Inbrunst ab, mit welcher sie religiös-geistiges Leben in den Mittelpunkt ihres Seins stellen" (Jung 1927, S. 65). Vgl. Läpple, S. 22 ff.
(371) J. Ackermann: Heinrich Himmler als Ideologe, Göttingen 1970, S. 171; S. 174. Vgl. Mynarek 1986.
(372) Vgl. MEW, Bd. 3, S. 43 f.
(373) Vgl. Gugenberger u. Schweidlenka, S. 31-39.
Insbesondere die Zusammenarbeit mit religiösen Gruppen innerhalb der Friedensbewegung der achtziger Jahre hatte in der DDR bei Marxisten eine Öffnung zu religiösen Fragen bewirkt, um Bündnispartner zu gewinnen, vgl. den Aufsatz von Birgit Gysi: Religiöse Aneignung der Welt als kulturelles Erbe, in: "Analytisch-synthetische Informationen der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED", Nr. 63/1987. Hier wurde auch der romantische Mythos von der naturreligiös gestützten "urgesellschaftlichen Ganzheit" ohne "antagonistische Klassenspaltung" gepflegt (S. 93), der sich auch bei Marx und Engels findet, für den aber eine überzeugende empirische Evidenz der Prähistorik immer noch auf sich warten läßt. Auf die Wirkung dieses Mythos setzen offenbar New Ager wie Bahro, ohne zu reflektieren, daß sich Zehntausende von Jahren der Menschheitsgeschichte nicht auslöschen lassen, wenn es denn unter der Gültigkeit des Rechts des Stärkeren, der Steinäxte und der Mangelwirtschaft der Jäger- und Sammler-Gesellschaften überhaupt diese Uridylle gegeben haben mag.
Demgegenüber machte Friedrich Engels in seiner Schrift "Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats" von 1884 deutlich, daß die Urgesellschaft "dem Untergang geweiht war" und ihre vermeintliche Idylle eine sehr beschränkte war, wie er am Beispiel der Irokesen aufzeigt: "Wo nicht ausdrücklicher Friedensvertrag vorlag, herrschte Krieg von Stamm zu Stamm, und der Krieg wurde geführt mit der Grausamkeit, die den Menschen vor den übrigen Tieren auszeichnet. ... Die Gentilverfassung in ihrer Blüte, wie wir sie in Amerika sahen, setzte voraus eine äußerst unentwickelte Produktion, also eine äußerst dünne Bevölkerung auf weitem Gebiet; also ein fast vollständiges Beherrschtsein des Menschen von der ihm fremd gegenüberstehenden, unverstandnen äußern Natur, das sich widerspiegelt in den kindischen religiösen Vorstellungen. Der Stamm blieb die Grenze für den Menschen, sowohl dem Stammesfremden, als auch sich selbst gegenüber: der Stamm, die Gens und ihre Einrichtungen waren heilig und unantastbar, waren eine von Natur gegebne höhere Macht, der der einzelne in Fühlen, Denken und Tun unbedingt untertan blieb" (zit. n. der Ausgabe Stuttgart 1948, S. 48).
(374) Eichberg 1987, S. 213. Der in Schlesien geborene Eichberg zitiert den Indianer-Häuptling mit einer Rede gegen die Forderung der US-Regierung an die Crow, weiteres Land an den Staat abzutreten: "Der Boden, den ihr hier seht, ist kein gewöhnlicher Boden - er ist das Blut, das Fleisch und die Knochen unserer Vorfahren. ... Dieses Land ist mein Blut und mein Tod, es ist heilig, und ich gebe kein Stück davon her."
(375) Hunke 1989, S. 319 f. Vgl. Fromm S. 79.
(376) Diese sprachliche Parallele von "Deutschland als Ganzem" (aus dem Deutschland-Vertrag von 1955) zum aktuellen ganzheitlichen Trend erscheint nunmehr als Treppenwitz der Weltgeschichte.
(377) H. S. Visnupada: Varnasrama-Manifest der sozialen Vernunft, Heidelberg 1981, S. 215-219. Nemitz, S. 51.
(378) M. Bauer: Plädoyer für ein Neues Deutschland, in: S. Ulbrich (Hrsg.): Gedanken zu Großdeutschland, Vilsbiburg 1990, S. 39.
(379) R. E. Frykenberg: Religion, Nationalism And Hindu Fundamentalism: The Challenge To Indian Unity, Colombo 1993.
(380) "ÖkoKalender '92", S. 167; S. 169 f. Der Kalender erscheint im Verlag Die Werkstatt, in dem es heftige Diskussionen um den hier kritisierten Kalendertext gegeben hat. Am Ende wurde er abgedruckt.
(381) A. Korsenz: Plädoyer gegen die Weltwirtschaft, in: Krebs 1988, S. 269-301, zit. S. 281; S. 285 f. Vgl. G. Faye: Von der Konsumgesellschaft zur organischen Wirtschaft, in: Krebs 1981.
(382) Vgl. Faye 1981. Becher S. 157; S. 168. Rezension: P. Küffner: Der Blick aufs Ganze. Das Weltbild eines ungewöhnliches Politikers, in: "Europa Zeitbünde", Nr. 7+8/1986, S. 26.

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