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Dieses Flugblatt erschien 1995.  
Ex-SPD-MdEP Schinzel: Prozeß in Aschaffenburg
 
Falschgeld, Faschos,
rechte Genossen
Beziehungen zur SPD-Spitze -- Ulla Schmidt, Tilman Fichter,
Peter Brandt, Erich Schmidt-Eenboom, Helmut Lölhöffel,
Alfred Mechtersheimer und so weiter:
Die Schinzel-Affäre kennt viele Namen

Zwei Leichen - wohl ermordet -, Millionen Schulden, Millionen Falschgeld, zwielichtige Geschäfte, Spielsucht in Roulette-Casinos, Neofaschisten, "Auschwitz-Lügner"-Szene - und eine Reihe prominenter Sozialdemokraten: Die Affäre um den ehemaligen SPD-Europaabgeordneten Dieter Schinzel ist undurchsichtig. Mitte September 1995 wird ihm in Aschaffenburg der Prozeß gemacht, doch die politischen Hintergründe werden wohl im Dunkeln bleiben.

Er war einmal ein Hoffnungsträger der SPD, Enkel-Generation: Dieter Schinzel, Aachener Bundestags-, dann Europaabgeordneter, bester Leumund, befreundet mit der Parteispitze, promotet vom "Sozialdemokratischen Pressedienst", Vertrauensperson Willy Brandts, der Schinzel sogar auf eine schwierige Mission in den Irak mitnahm.

Doch dann wurde Schinzel "Präsident" eines obskuren "Deutsch-Arabischen Friedenswerks", das sich selbst die Nazi-Abkürzung "DAF" gab und Literatur der "Auschwitz-Lügner"-Szene vertrieb: aus der "Verlagsgesellschaft Berg", die der Verfassungsschutzbericht regelmäßig als "rechtsextremistisch" erwähnt und dessen Chef Gerd Sudholt im Knast saß, weil er die "Auschwitz-Lüge" verbreitet hatte. Alfred Mechtersheimer hatte das "DAF" mit anderen Neofaschisten gegründet und Schinzel als "Präsidenten" geholt; etliche Mitbegründer des "DAF" stehen den nationalrevolutionären Ideen der Alt-Faschisten Niekisch und Strasser nahe, die die Verfassungsschutz- berichte heute unter der Rubrik "Neonationalsozialismus" nennen.

Und dann wurde Schinzel auch noch als einziger bundesdeutscher Abgeordneter in flagranti verhaftet, als mehrere Millionen gefälschte Schweizer Franken den Besitzer wechseln sollten: vier Wochen Untersuchungshaft für das damalige Mitglied des Europäischen Parlaments. Fast eineinhalb Jahre später wird Schinzel jetzt am Tatort Aschaffenburg der Prozeß gemacht. Verhandlungstage bisher: 18., 19., 21., 25. 9. 1995.

Merkwürdigkeiten um einen Prominenten

Weshalb der Prozeß gegen die anderen, beim Falschgeld-Coup Verhafteten (vier stammten aus dem ehemaligen Jugoslawien) abgetrennt wurde (in dem Prozeß spielten auch zwei Mordopfer eine Rolle, und nach Meinung der Bremer Staatsanwaltschaft bestehen Querverbindungen zwischen den Mordfällen und der Schinzel-Affäre); was es mit den Presse-Grüchten um einen Gold- und Waffendeal im Wert von 28 Millionen Mark auf sich hat, bei dem das Falschgeld nur eine Warenprobe gewesen sei; wieso Schinzel, dem öffentlich Schulden bis zu 13 Millionen Mark nachgesagt wurden, gegen läppische 50.000 Mark Kaution auf freien Fuß kam; wieso er heute wieder in der Welt umherjetten kann - mal nach Amsterdam, mal nach Wien: wer bezahlt die Tickets? -, obwohl doch ein Konkursverfahren gegen ihn läuft; welchen Geschäften Schinzel heute nachgeht, der im Januar 1995 vor dem Aachener Amtsgericht selbst von sich behauptete, er mache gerade Geschäfte "in Krisengebieten dieser Welt", die ihm Provisionen in Millionenhöhe einbrächten (nach Aussage des damaligen Vergleichsverwalters "unter anderem in der arabischen Welt"; ein Jahr vorher hatte Schinzel den Einsatz der Nato in Bosnien gefordert) - all das wissen wir nicht.

Ulla Schmidt, Peter Struck, Bundestagsfraktion

Was wir wissen: Schinzel hat einflußreiche Freunde. Ulla Schmidt z. B., Aachener Bundestagsabgeordnete, Mitglied des Fraktionsvorstandes der SPD-Bundestagsfraktion und von Rudolf Scharping als ministrabel für Frauen- und Familienfragen gehalten, obwohl sie selbst in Skandale aus dem Rotlicht-Milieu verwickelt war, nach einem Bericht des "stern" bis hin zur Vergewaltigungs-Pornographie. Nachdem Schinzels "DAF"-Aktivitäten bekannt gemacht worden waren, sprang Schmidt ihrem Roulette- und Parteifreund persönlich bei. Hinter den Kulissen der Bundestagsfraktion zog sie Fäden, der "Sozialdemokratische Pressedienst" half unterstützend mit großen Schinzel-Interviews, der eitle "Erste Parlamentarische Geschäftsführer" der SPD-Fraktion Peter Struck (immer mit großem "E", aber mit kleinem politischem Erfolg) machte Fraktionsgelder locker: Ein Rechtsanwalt wird nun von den Beiträgen der SPD-Fraktionsmitglieder für einen Gerichtsprozeß bezahlt, in dem die Schinzel-Affäre eine zentrale Rolle spielt - die Fraktion insgesamt weiß allerdings nichts davon. Das Urteil steht noch aus.

Struck beauftragte nicht irgendeinen der zig Anwälte in Bonn, sondern Dieter Felsch, Sozius in der Kanzlei des Anwalts Helmut Redeker, der wiederum mit Schinzel jahrelang im Vorstand des SPD-Bezirks Mittelrhein saß, wo die politischen Ämter an Schinzel und Schmidt vergeben wurden. Alles Zufall?

Quintett-Brief an Struck

Eine illustre Runde verlangte im März 1994 Unterstützung gegen Kritiker aus den eigenen Reihen. Fünf Leute mit Kontakten zum Neofaschismus - z. T. prominente Sozialdemokraten - baten Struck in einem gemeinsamen Brief um Hilfe, er möge doch dafür sorgen, daß sie aus der SPD heraus nicht mehr von Antifaschisten kritisiert würden. Ihre Gemeinsamkeit: Sie hatten in der nationalrevolutionären Niekisch-Strasser-Szene Politik gemacht. Schinzel im "DAF"; Tilman Fichter und Peter Brandt - gemeinsam mit Mechtersheimer und anderen späteren "DAF"-Leuten - in einem Kreis von Deutschland- Wiedervereinigern, in dem der Alt- und Neonazi Wolf Schenke den Ton angab; Erich Schmidt-Eenboom - dem man von Gerichts wegen nachsagen darf, er sei ein "Braunzonen-Vertreter", lasse "den nötigen Abstand zur NPD vermissen" und habe "Kontakte zu völkischen Gruppen" - in Sudholts "Verlagsgesellschaft Berg" und vorher ebenfalls - wiederum mit späteren "DAF"-Leuten - in nationalrevolutionären Wiedervereiniger-Zirkeln; und schließlich der frühere Nazi-Sekten-Funktionär Helmut Lölhöffel, über den das Oberlandesgericht Köln 1992 urteilte, es sei "als Tatsachenbehauptung wahr", daß er "bis heute Verbindungen" zu seiner alten Sekte "unterhalte". Vorher schon hatten Gerichte in Köln, Hamburg und Berlin geurteilt, Lölhöffels frühere politische Heimat dürfe man als "Nazi-Sekte", als "völkisch-rassistische Sekte" oder als "nazistische Tarnorganisation" bezeichnen. Im Berliner Prozeß 1990 hatte sich Lölhöffel vehement gegen die Bezeichnung "völkisch-rassistische Sekte" für diese heidnisch-germanische Religionsgemeinschaft gewandt, die sich selbst aus dem Kirchenkampf der Nazis herleitete.

Im März 1994 nun pfiffen die fünf gemeinsam, und Struck spurte sofort.

Wer sollte vom Falschgeld profitieren?

Und kam Schinzel, der prominenteste des Quintetts, in den Knast, in flagranti festgenommen, da nutzte auch keine Abgeordneten-Immunität. Bis heute ist unklar, wer aus dem versuchten Tausch der gefälschten Schweizer Franken gegen echte Deutsche Mark, bei dem Schinzel festgenommen worden war, den Nutzen ziehen sollte. Gemutmaßt wurde unpolitisch: Roulette-Spielschulden, Immobilien-Spekulationen. Schinzels Anwalt beteuerte, sein Mandant habe nur die Provision für den (Falsch-) Geld-Deal haben wollen. Schinzel hatte sich enorme Geldsummen nicht nur bei Banken, sondern auch bei Privatleuten und politischen Freunden zusammengeliehen. Etliche seiner Gläubiger - so vermutete die Aachener Lokalpresse - seien wohl um Anonymitat bemüht und bisher im Vergleichs- und Konkursverfahren gar nicht aufgetreten.

Unmittelbar nach der Verhaftung Schinzels eilte der SPD-Bundesgeschäftsführer Günter Verheugen nach Aachen und gab gemeinsam mit Ulla Schmidt die parteioffizielle Sprachregelung aus: "private Probleme einer Einzelperson" - derselbe Verheugen, der schon in den 70er Jahren in einer Zeitschrift Wolf Schenkes publiziert hatte, desselben Nazi Schenke, mit dem dann Fichter, Mechtersheimer und Peter Brandt in den 80ern rechte Politik machten. Alles nur Zufälle?

Die Frage, warum der Nationalrevolutionär Tilman Fichter auch unter Verheugen Funktionär in der SPD-Parteizentrale bleiben konnte, obwohl Verheugen sich ansonsten das Image des Verteidigers liberaler Freiheitsrechte gibt, schließt sich an.

Die juristischen Auswirkungen der Schinzel-Affäre, die viele Facetten hat, werden sich mindestens bis ins Jahr 1996 ziehen, auch wenn im Aschaffenburger Prozeß noch 1995 ein Urteil gesprochen werden sollte. Es ist auch nicht zu vermuten, daß die SPD-Spitze endlich die Kraft aufbrächte, einen politischen Schlußstrich zu ziehen. Weshalb nicht, darüber mehr in dem Buch "Rechte Genossen. Neokonservatismus in der SPD" (Elefanten Press Berlin 1995), das die Wiedergeburt "nationalrevolutionärer", "konservativ-revolutionärer" Konzepte der 20er Jahre in der SPD von heute behandelt.                       

(September 1995)

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