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Von Bonn nach Berlin:
Politisches Joint Venture mit dem Deutschen Bundestag

 
In Bonn vor der Uni, in Berlin
Unter den Linden 69: Buchhandlung Bouvier - ein "arisierter" Betrieb
 
Kalte "Arisierung" damals - rechte Traditionspflege heute --
Im Bouvier-Verlagsprogramm der 90er Jahre:
Werner Maser, Ernst Nolte, Uwe Backes, H.-H. Knütter --
Inhaber Thomas Grundmann (inzwischen in Konkurs) lud sogar
Sigrid Hunke ein -- Bonner Antifa-Initiative verhinderte ihren Auftritt.

Das Geschäftslokal liegt im Gebäude des Deutschen Bundestages Unter den Linden 69, am Schaufenster steht "Deutscher Bundestag Shop - Buchhandlung Bouvier", neben Kaffeetassen und Bierkrügen mit der "fetten Henne" (Bundestagsadler) können Berlin-Touristen auch Bücher kaufen. Das ungewöhnliche Joint Venture des deutschen Parlaments mit einem der mächtigsten Privatbuchhändler und -verleger, Thomas Grundmann aus Bonn, ist nicht ohne Pikanterie: die "arische" Familie Grundmann machte mit dem Unternehmen der "nicht-arischen" Familie Cohen ein Schnäppchen, nachdem es durch den "Judenboykott" der Nazis fast ruiniert und die Cohen-Erben vor KZ und Gaskammer ins Ausland geflüchtet waren. Die Konsequenz des heutigen Inhabers Thomas Grundmann aus der Familiengeschichte: in seinem Verlag publiziert Werner Maser, eine Art Nachlaßverwalter von Hitler-Schriften; in seine Bonner Buchhandlung lud Grundmann die führende europäische Ideologin der Neuen Rechten, Sigrid Hunke, zum Vortrag ein und verteidigte dies gegen antifaschistische Proteste.

Max Cohen und Karl Henry gründeten 1829, kurz nach Gründung der Universität Bonn, das Unternehmen, das zu einem der bedeutendste Universitätsverlage und in Bonn zu der bedeutendsten Universitätsbuchhandlung wurde, bis die Nazi-Studenten den "Judenboykott" organisierten. Sohn Friedrich Cohen und Enkel Fritz Cohen verstanden sich als deutsche Patrioten, doch den Rassefanatikern imponierte das nicht. Die politische Abteilung des Verlags brachte nationale Erbauungsliteratur zur Unterstützung des Kaiserreichs heraus, und in den 20er Jahren hatte Fritz Cohen auch Autoren aus dem faschistischen Dunstkreis im Programm: Lebensphilosophie, Scheler, Klages, Heidegger, Stefan George. Literatur zur Verteidigung der Republik nennen die Chroniken, die über das Unternehmen geschrieben wurden, nicht. Ob sich die Familie Cohen dem Judentum verbunden fühlte, ist nicht bekannt. Der Verlag versorgte das katholische Rheinland anfangs auch mit allerlei katholischer Literatur, im preußischen Kulturkampf dann mit kritischer Literatur gegen den römischen Katholizismus. Über Literatur zur jüdischen Religion, zur Juden-Emanzipation oder Zionismus-Debatte ist nichts berichtet. Fritz Cohen heiratete nicht konfessionell gebunden, seine Frau Hedwig, geborene Bouvier, war keine Jüdin.

Kalte "Arisierung" jüdischen Vermögens

Hedwig Cohen führte das blühende Unternehmen nach dem Tode ihres Mannes ab 1928 unter dem 1891 eingeführten Namen "Buchhandlung Friedrich Cohen" fort; es wurde im kleinen Bonn zu einem Hauptangriffsziel der Nazi-Studenten. Durch den "Judenboykott" wirtschaftlich fast ruiniert, verkaufte Hedwig Cohen im Herbst 1933 einen Teil des Verlags an die Firma G. Schulte-Bulmke in Frankfurt a.M. In der Hoffnung, das Familienunternehmen für ihre Kinder retten zu können, nahm sie ihren Geburtsnamen Bouvier wieder an und nannte den Betrieb ab 1937 "Buchhandlung H. Bouvier u. Co.". Doch ihre Kinder waren nach den Nazi-Kriterien "Halbjuden". Vor der Verfolgung flohen sie nach Übersee; 1938 floh auch der jüngste Sohn, der das Geschäftserbe hätte antreten sollen.

Nun schlug die Stunde der "arischen" Familie Grundmann. 1938 wurde Herbert Grundmann, Buchhandelsgehilfe bei der Firma Hugendubel in München und Sohn eines Bankdirektors, anstelle des emigrierten Cohen-Sohnes als Geschäftsführer der Buchhandlung Bouvier in Bonn angestellt. Doch der "Judenboykott" gegen die Eigentümerin Hedwig Cohen-Bouvier - nach den Nazi-Kriterien eine "Rassenschänderin", die mit einem Juden Kinder gezeugt hatte - dauerte an, und die ökonomischen Folgen für das Unternehmen waren beabsichtigt. 1941 schließlich konnte Bankierssohn Herbert Grundmann "für 'n Appel un 'n Ei", wie man im Rheinland sagt, Miteigentümer der H. Bouvier u. Co. OHG werden. 1953 endlich - die emigrierten Cohen-Kinder waren nicht nach Deutschland zurückgekehrt - war die kalte "Arisierung" komplett: Grundmann wurde Alleininhaber des Unternehmens, das heute Filialen unter diversen Namen hat (Köln: Gonski; Bonn auch Röhrscheid).

Schnäppchen auch aus DDR-Vermögen

Seit 1981 ist Sohn Thomas Grundmann der Chef, der mit der Auflösung der DDR neue Schnäppchen witterte: Er übernahm als Pächter von der Treuhand die "Universitätsbuchhandlung" Unter den Linden, den "Kunstsalon" Unter den Linden, "Das gute Buch" am Alexanderplatz, die Buchhandlung am Bahnhof Friedrichstraße von der Mitropa, auch die traditionsreiche Karl-Marx-Buchhandlung an der Karl-Marx-Allee. Doch ach!, die Schnäppchen im Berliner DDR-Ausverkauf waren lange nicht mehr so günstig wie die seines Vaters im Bonn der goldenen Dreißiger und Vierziger! Grundmann mußte wegen zu hoher Mietforderungen der Bundesvermögensverwaltung Pachtverträge in Ost-Berlin kündigen: "Die unbezahlbaren Mieten machen das Geschäft kaputt", jammerte er 1992 im Bonner "General-Anzeiger". Was ist das für ein "Geschäft"?

Schlußstrich-Zieher im Verlagsprogramm

1992 präsentierte der Bouvier-Verlag seinen Autor Werner Maser, der u. a. "Hitlers Briefe und Notizen" herausgab und 1986 dem "NHB-Report" (Zeitschrift des Studentenbundes der NPD) seine Weltsicht im Interview dargelegt hatte. NHB-Report: "Halten Sie es für richtig, daß in der Bundesrepublik künftig jeder strafrechtlich belangt werden soll, der z. B. von der 'Auschwitz-Lüge' spricht?" Prof. Maser: "Nein!" Vielmehr müsse die deutsche Geschichte "proportionsgerecht und sachlich" dargestellt werden.

Da war Ernst Nolte nicht mehr weit. Imanuel Geiss brachte bei Bouvier 1992 seine Nolte-Verteidigung heraus: "Der Hysteriker Streit". Der hysterische Jürgen Habermas, - so die Verlagsankündigung - habe im Historikerstreit der 80er Jahre "eine systematische Kampagne der historisch-politischen Desinformation und Denunziation" gegen Nolte betrieben, Habermas "vergiftet die Demokratie". Geiss schrieb dann im Buch, Habermas und seine Mitstreiter betrieben "Apologie des Kommunismus, sogar des Stalinismus". Caspar von Schrenck-Notzing selbst schrieb die Rezension des Geiss-Buches, das der Neuen Rechten gerade recht kam, in "Criticon": "bestens dokumentierte Materialstudie", Geiss sei "Vorreiter" der Bewältigung der Vergangenheitsbewältigung. Schrenck-Notzing hatte Erfahrung: sein eigenes Buch "Charakterwäsche" prangerte in den 60er Jahren die re-education nach 1945 als Vernichtung der deutschen Kultur durch die Siegermächte an.

Ein Höhepunkt des Bouvier-Verlagsprogramms von 1989 bis 1997 war das "Jahrbuch Extremismus und Demokratie" von Uwe Backes und Eckhard Jesse, zwei bekannten Exponenten der Riege der "89er" um Rainer Zitelmann, seinerseits Mitglied des "wissenschaftlichen Beirates" des "Jahrbuchs". Hier schrieb dann auch Ernst Nolte selbst. Als ernst gemeinte "Analyse" druckte das "Jahrbuch" die Ausfälle des Anti-Antifa-Ideologen Hans-Helmuth Knütter, ebenfalls Mitglied des "wissenschaftlichen Beirates".

Dem Faschismus bitte erst mal zuhören !

Alte und Neue Rechte geben sich bei Bouvier die Klinke in die Hand. Zum 50-jährigen Kriegsende 1995 wartete das Bonner Stammhaus mit einem Sondertisch auf, der die Landser-Literatur des einschlägig bekannten Moewig-Verlags präsentierte, die ansonsten in den Zeitungen der extremen Rechten angepriesen wird. Das Buch zum "Rußlandfeldzug" zeigte jubelnde Menschen in Osteuropa, die die Wehrmachtstruppen als "Befreier vom sowjetischen Joch" begrüßten, und die deutschen Kriegsverbrechen verharmloste: die habe es auf allen Seiten gegeben. Diese Art Buchhandel macht mit vielem Geschäfte, und so fand man auch die apologetische Wehrmachtsliteratur von Paul Carell im Bouvier-Regal. Carell war unter seinem Geburtsnamen Karl Paul Schmidt als SS-Untersturmbannführer Propagandachef des Nazi-Außenministers und verurteilten Kriegsverbrechers Ribbentrop. Man sei "der Meinungsvielfalt unserer Gesellschaft unbedingt verpflichtet", entgegnet das Unternehmen auf Kritik.

Heftige Kritik mit einem unerwartet breiten Presseecho in Bonn bekam die zu Bouvier gehörende Buchhandlung Röhrscheid 1986 für ihre Einladung an Sigrid Hunke, die "Religionswissenschaftlerin" der Neuen Rechten und bis 1988 Ehrenpräsidentin der Nazi-Sekte "Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft e. V.", die sich direkt aus der Nazi-Kirchenkampf-Szene um den NSDAP-Chefideologen Alfred Rosenberg rekrutierte. Hunke hatte 1941 an der Berliner Universität (heute Humboldt-Uni) bei dem SS-"Rassepsychologen" Ludwig Ferdinand Clauß promoviert. Ihre Dissertation "Herkunft und Wirkung fremder Vorbilder auf den deutschen Menschen", in der sie sich vielfach auf die SS-Zeitschrift "Das Schwarze Korps" bezog, befindet sich noch heute im Bibliotheksbestand der Humboldt-Uni. Hunkes Nachkriegsschriften über "Europas eigene Religion", die germanisch-naturreligiös statt "vorderasiatisch-semitisch" (wie das Christentum) sei, stellen einen nur sprachlich gereinigten Neuaufgruß der Schriften Rosenbergs dar und werden heute in der europäischen Neuen Rechten (z. B. bei Alain de Benoist) breit rezipiert.

Aus dem damaligen Presseecho zu der Antifa-Aktion gegen die Sigrid-Hunke-Lesung in der Buchhandlung Röhrscheidt/Bouvier:



Die Protestaktion war vom Vorläufer des BIFFF..., der "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus", organisiert worden. Die Buchhandlung Röhrscheid war bereits von Bouvier/Grundmann aufgekauft.
(Abbildungen: Archiv des BIFFF...)

Bouvier/Röhrscheid wollte Hunke aus ihrer Neuerscheinung "Tod - was ist dein Sinn" lesen lassen, einem Buch, in dem Hunke ihre Nazi-"Religion" auf den Tod hin spezifizierte und zu dem Schluß kam, der germanische Mensch kenne nicht die Jenseits-Vorstellung der Semiten und den Wiederauferstehungs-Glauben der Christen, sondern der tote Deutsche lebe in seinem Volk weiter, wenn er im siegreichen Krieg den Heldentod gestorben sei.

"Bouvier - Eine Freundschaft fürs Leben"

Als Antifaschisten gemeinsam mit Grünen, Jusos, dem evangelischen Studentenpfarrer, dem AstA der Uni Bonn usw. eine Gegenveranstaltung ankündigten, auf der einschlägige neofaschistische Passagen aus Hunkes Werken gelesen würden, sagte Hunke ihren Auftritt in der Buchhandlung Bouvier/Röhrscheid nach Rücksprache mit Thomas Grundmann vorsichtshalber wieder ab. Die Buchhandlung bekräftigte in einer schriftlichen Erklärung, sie übe bei ihren eigenen Veranstaltungen keine "Vorzensur" (!) aus, auch nicht bei der Einladung an Hunke, warf aber den Antifaschisten vor, "von außen durch Druck Zensur auszuüben"; das "halten wir im Rahmen des demokratischen Konsens für sehr bedenklich". Thomas Grundmann verteidigte in der Presse die Einladung an die rechtsextreme Ideologin persönlich und bedauerte, "daß die Gegner Frau Hunkes nicht im Rahmen der Lesung sachliche Kritik an ihrer Person üben wollten", sondern "eventuell" "Krawall" machen würden: "Auf diese Art wird eine literarische Veranstaltung, die informieren soll, unter Druck gesetzt". Zum früheren "Krawall" und "Druck" der nationalsozialistischen Hunke-Freunde gegen die Familie Cohen schwieg er bei dieser Gelegenheit lieber. Vater Herbert Grundmann hatte schon früher dargelegt, daß die "eigentliche 'Arisierung'" des Unternehmens doch lange vor der Nazi-Zeit stattgefunden habe, nämlich 1928 mit dem Tod des Juden Fritz Cohen und der Übernahme des Geschäfts durch Cohens nicht-jüdische Ehefrau. Daß Grundmann Buchhandlung und Verlag nur übernehmen konnte, weil die "halbjüdischen" Cohen-Kinder emigrieren mußten, um ihr bloßes Leben zu retten, sah er nicht als "eigentliche 'Arisierung'". Thomas Grundmann setzt heute lieber auf positives Denken, statt sich für Schnäppchen zu rechtfertigen. Am "Bundestag Shop" Unter den Linden klebt sein Slogan: "Bouvier - Eine Freundschaft fürs Leben". Ein Schäppchen ist auch das Joint Venture des Banker-Enkels mit der Deutschen Bundesbank. In ihrem "Geldmuseum" in Frankfurt betreibt Bouvier heute den "Museum Shop".

(Juni 2000)

(Inzwischen mußte Thomas Grundmann mit seinem Betrieb Insolvenz anmelden, so Zeitungsmeldungen vom Sommer 2003. "Gonski" in Köln und "Bouvier" in Bonn gingen zur Buchhandelskette "Thalia" aus Hamburg, die ihrerseits mehrheitlich der Parfümerie-Kette "Douglas" gehört.)



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