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"Mecki"-Bücher - Alltäglicher Rassismus für Kinder:
 

"Die schwarzen Teufel"

"Mecki bei den Negerlein. Ein märchenhafter Reisebericht, aufgeschrieben von ihm selbst"
 

(Dieser Artikel von Peter Kratz erschien im Februar 1992 in der
"Null Nummer. Zeitung der außerparlamentarischen Linken Bonn / Köln", Ausgabe 5.)

"Er schimpfte noch, als überhaupt kein Rukutu mehr zu sehen war" - das war für mich so ein Satz aus der Kindheit, den man niemals vergißt, der mir zum Synonym wurde für den schimpfenden Rohrspatz. Ich werde ihn wohl auch in Zukunft im Gedächtnis behalten, aber nicht mehr benutzen. Hoyerswerda ist schuld.

Der so schimpfte hieß Charly Pinguin, der mit der weißen Weste,auf die er doch so stolz war. Charly war einer der kleinen Begleiter des reiselustigen Igels Mecki. Mit dem Kater Murr, den sieben echt syrischen Goldhamsterchen und meiner damals so geliebten Ente Watsch zogen sie durch aller Herren Länder und durch meine ersten Lesestunden. Putzige Comic-Figuren waren die elf, deren Reiseabenteuer in den 50er und 60er Jahren auf der Kinderseite der "Hör zu" und in den Mecki-Büchern die Phantasie der Kids anregten, die noch deutsch "die Kleinen" waren, weder Walkman noch Alf kannten und die Sesamstraße auch nicht. Hätten wir nicht alles weggeworfen damals, 67/68, die soliden Hartpappekladden über die Reisen zu den Sieben Zwergen, den Eskimos, den Chinesen usw. könnten - in dieser merkwürdigen Reihenfolge - heute noch im Regal liegen.

Jetzt gibt es die Mecki-Bücher wieder neu. Der Kölner Lingen-Verlag hat sie aufgelegt und macht seit Sommer 1991 verstärkt Werbung bei den heutigen Eltern, die 67/68 vielleicht inzwischen bedauern mögen. Die Kölnische/Bonner Rundschau hatte sogleich einen Teil der Auflage für ihre jüngste Treuebuch-Aktion gekauft, die große Kölner Buchhandlung Gonski warb gemeinsam mit der Rundschau in halbseitigen Zeitungsanzeigen für die Mecki-Bücher, die exklusiv bei Gonski am Rundschau-Aktionstisch für sieben Mark fünfzig das Stück zu haben sind, ein Spottpreis für die liebevoll gezeichneten Bändchen.

Liebe zum Neger wie er war, in unseren verlorenen Kolonien, das sollen die Kleinen lernen. Die Kölnische/Bonner Rundschau ist als konservative Tageszeitung bekannt, Gonski gehört zum Imperium des größten privaten Buchhändlers Deutschlands, Thomas Grundmann, der mit der Bonner Buchhandlung Bouvier reich wurde. Bouvier gehörte früher einem Juden, in den 30er Jahren wurde der Betrieb zugunsten der Grundmann-Familie arisiert. Der Erbe und heutige Chef übernahm 1990 einige der Buchhandlungen in Berlin Mitte, in denen wir nach 67/68 zum Spottpreis die blauen Bände der MEW kauften. Heute sind Kaisers Zeiten wieder angesagt, kein Platz für den Palast der Republik, Unter den Linden zeugt der Bouvier-Schriftzug von der Kapitalisierung ehemals volkseigener Literaturläden. (Zusatz 2005: Inzwischen ist Grundmann/Bouvier/Gonski pleite, ein fortgeschritteneres Zeugnis kapitalistischer Wirtschaft! Zusatz 2009: Im Gebäude von "Gonski" ist inzwischen die "Mayersche" Buchhandlung eingezogen.)

Die Rundschau/Gonski-Aktion kommt recht zu einer Zeit, in der das reale, das verhungernde und AIDS-Afrika zugunsten der europäischen Konfliktzonen aus den fünfzehnminütigen Fernsehnachrichten verdrängt wird. Der Einblick in die wirkliche Situation der Armutsflüchtlinge weicht dem wiederentdeckten Märchen. "Wie wir mitten in der Negerschule landeten", mit dem Ballon, der die Deutschen - die putzigen Tierchen sind "die Deutschen"! - mit dem Wind rund um die Welt trug, so fängt das Buch "Mecki bei den Negerlein" an, von Mecki selbst erzählt: "Ach, jammerte die Ente Watsch, wir landen in der Hölle. In der Hölle? fragte ich erstaunt. Wie kommst Du denn darauf? Ja, stammelte sie und klapperte aufgeregt mit dem roten Schnabel, ich sehe nichts als schwarze Teufel. Aber das sind doch keine Teufel", findet Mecki, "sondern kleine Negerkinder. Ihre Haut ist so braun wie der Kakao, der hier wächst. Es sind bestimmt besonders nette Menschen", solange sie uns die Kolonialwaren zum Spottpreis überlassen. Die Kinder in den Schulbänken sind so gezeichnet, wie man sich wohl in Deutschland zu Zeiten von Deutsch-Ostafrika "Negerkinder" vorgestellt haben mag: ihre Gesichter sind rassistische Karikaturen, ihr einziges Kleidungsstück ist das Röckchen aus Steppengras. Der Koch des Häuptlings hat sich Löffel und hölzernen Eiquirl durch die Ohrlappen gesteckt, die Beute aus einem gestrandeten Schiff. Die Zeichnung der "Negerschule" entspricht der Vorstellung, die ich mir von der verruchten Einrichtung gemacht hatte, die unser Lehrer - uns Kindern mit der vom "Führergeschenk" verkrüppelten Faust drohend - immer als "Judenschule" bezeichnete, wenn er uns beschimpfte. "Als gebildeter Mann weiß ich selbstverständlich, daß es außer unserem Land nur noch Deutschland gibt", begrüßt der nette Lehrer mit dem albernen weißen Vorhemd auf der nackten schwarzen Brust die deutschen Weltumsegler. Und zu seinen "zehn kleinen Negerlein", die tatsächlich so benannt werden und inzwischen über Tisch und Bänke sind, wie es angeblich die Judenkinder auch getan hatten (ich konnte keine mehr kennenlernen, aber mein Lehrer hatte sie wohl noch gekannt, in der Zeit vor dem "Führergeschenk"), der Neger-Lehrer also zu den zehn Kleinen: "Seht ihr, das ist eines von den Flugzeugen, mit denen die Deutschen sich wie Vögel durch die Luft bewegen können", dank Graf Zeppelin und Kaiser Wilhelm, wie wir wissen. Käpt'n Petersen, der kürzlich mit seinem Schiff hier unter den "Negerlein" gestrandet ist, hatte dieses Weltbild gelehrt. Übrigens hieß der Gründer des "Schutzgebietes Deutsch-Ostafrika", der späteren kaiserlichen Kolonie, Carl Peters, gestorben 1919, nicht im Märchen sondern in der Wirklichkeit. "Als ich den Versuch machte", erzählt uns Mecki nun weiter, "den (auch nicht klügeren) Häuptling Kukudo über seinen Irrtum aufzuklären, lächelte er nur vielsagend. Ja, ja, sagte er, das werden aber nur ähnliche Unterschiede sein wie zwischen unseren Negerstämmen. Wir sind Neger und die anderen sind Deutsche" - er muß wohl "Arier" gemeint haben: belgische, schwedische, deutsche ...

Aus dem "Mecki"-Buch:

 

Wie Käpt'n Petersen das Kochen lernte
und Mecki schnell deutsche Hilfe holte.


Ein Negerstamm hat einen Maler, und der heißt bei Mecki natürlich "Pikasso", denn der richtige Picasso malte ja auch wie die Primitiven. Das haben wir nun beiläufig gelernt. Wegen eines Mißverständnisses über einen Häuptlingsbefehl muß "Pikasso" den Mecki und seine Freunde schwarz anmalen, "mit einer so häßlichen und traurigen Farbe", wie er selbst meint. Es ist seine Hautfarbe. Der beste Neger ist der, der von selbst einsieht, daß die Weißen auch die Strahlenden sind. "Pikasso verstand sein Handwerk. In knapp zwei Stunden hatte er uns alle in kleine Neger verwandelt." Armer Charly Pinguin mit seiner Persil-Schein-weißen Weste! Käpt'n Petersen, krebsrot, blond, blauäugig und auch im Wesen wie Hans Albers - der uns ja, ebenfalls 1991, von der Briefmarke anlachte -, kommt nun dazu und sieht "Pikassos" Werk. Petersen scheint der eigentliche Herrscher über Häuptling Kukudos Stamm zu sein, wie im richtigen Leben: "Dunnerkiel! Daß ihr meine Landsleute zu Negern macht, ist aber 'n starktes Stück!" Der Maler wird in den Käfig gesperrt, das kennen wir ja beim Neger nicht anders, wenn der jeweilige weiße Herr es so will, von Bokassa bis Idi Amin. "Pikasso" hatte die falsche Farbe genommen - er malt eben entartet: "Tscha, meinte Petersen (!), die Stammesbrüder von Kukudo sind nämlich schokoladenbraun. Es sind anständige und gute Menschen. Aber ein paar Kilometer weiter, da wohnt der Stamm der Rukutus. Sie sind schwarz - und zwar an Leib und Seele. Kein Wunder, daß wir (?) sie nicht riechen (!) können und in ständigem Krieg (!) mit ihnen leben".

Aha: Die guten Neger kennen nur sich und Deutschland und geben Deutschland die Schokolade. Auftritt der bösen Neger: Sie "überfallen uns", nehmen Petersen mit und stecken ihn in den Kochtopf. "Mich hielten zwei der schwarzen Teufel wie mit eisernen Zangen fest ... Wir sahen mit Entsetzen, wie die schwarzen Teufel unter dem Kessel ein kräftiges Feuer entzündeten." Schokoladen-Häuptling Kukudo, der Freund Deutschlands: "Wir werden einen großen Krieg gegen die Rukutus führen müssen". Die Neger sind die besten, die freiwillig für Weißland sterben. Mecki und seine Freunde holen noch Jumbo zu Hilfe, den Elefanten, der natürlich im Urwald nicht fehlen darf. Jumbo ist deutscher Meinung: "Diese schwarzen Teufel sollen mich kennenlernen!" Dann zieht er mit dem Rüssel Käpt'n Petersen aus dem Kochtopf. "Die Suppe werden wir Euch versalzen, so wahr ich Charly Pinguin heiße. Er schimpfte noch, als überhaupt kein Rukutu mehr zu sehen war".

Die Mosambikaner in Hoyerswerda im Septernber 1991 müssen Rukutus gewesen sein, deutsche Kinder haben sie im deutschen Fernsehen gesehen: sie sind pechschwarz und sie kommen aus der Nähe von Deutsch-Ostafrika. Als Kinder haben wir's so gelernt und unsere Kinder sollen es wieder lernen: gegen diese Art Neger müssen wir "in ständigem Krieg leben", sollen nicht unser Reichtum und am Ende wir selbst in deren Kochtopf wandern. Dank der Kölnischen/Bonner Rundschau und der größten deutschen - wenn auch arisierten - Privatbuchhandlung ist die Fortsetzung dieser Geschichte erst einmal weiterhin gesichert.

Der Gonski-Geschäftsführer schiebt alles auf die Rundschau, im September 1991: "Wir sind nur in den Vertriebsweg eingeschaltet". Und in die Zeitungsanzeigen, die für Meckis Reiseberichte zu den merkwürdigsten Rassen werben, daran muß er erst erinnert werden; und Gonski hält Stapel der Bücher auf Vorrat, der Geschäftsführer selbst hat die Verantwortung für die groß angelegte Werbeaktion - aber nur eine ökonomische, wie das bei Kolonialherren so üblich ist. Immerhin, jetzt fühle er sich auch "unwohl", die Bücher seien doch "textlich ziemlich bescheuert". Zu den rassistischen Schwarzen-Karikaturen schweigt er.

Beim Lingen Verlag und bei der Kölnischen/Bonner Rundschau dagegen haben die Verantwortlichen rein gar nichts an den Mecki-Büchern auszusetzen. "Das tut niemandem weh", meint der Lingen Verlag im September 1991 auf meine Frage. "Wir finden die Bücher attraktiv und haben sie unseren Kindern vorgelegt, die fanden das auch", heißt es aus der Geschäftsleitung der Rundschau. Nein, rassistisch wäre hier ja wohl überhaupt nichts. Kindheit muß unschuldig bleiben, auf Schwarzer Teufel komm raus.

Die Mecki-Bücher haben inzwischen eine Auflage von "Hunderttausenden" (Lingen Verlag), in Hoyerswerda merkt man's. Putzig kommt der Rassismus daher, mit Kater Murr, der Ente Watsch und den sieben echt syrischen Goldhamsterchen. Es gibt noch zwölf weitere Reiseberichte vom Igel Mecki, in denen die merkwürdigsten Rassen vorgestellt werden, von den Chinesen bis zu den Sieben Zwergen: jeden Monat ein neues Treuebuch in der Tageszeitung! Die Aktion von Kölnischer/Bonner Rundschau und Gonski lief bis Ende 1991. Die Mosambikaner aus Hoyerswerda waren da längst evakuiert.

(Im Jahr 1999 brachte das "Heimatmuseum Charlottenburg" in Berlin eine von "HÖRZU" gesponserte Ausstellung "50 Jahre Mecki". Hier wurde zwar auf den "Mecki"-Erfinder Ferdinand Diehl, einen Ideologen der Nazi-Propaganda, eingegangen, auch auf die "Mecki"-Zeichner Reinhold Escher und Wilhelm Petersen, die schon vor 1939 zusammengearbeitet hatten; zum Nazi-Künstler Petersen, der 1938 eine Professur erhielt, hieß es jedoch in der Ausstellung beschönigend, seine Nazi-Karriere sei für die Geschichten "kaum von Belang" gewesen. Die Darstellung der "Negerlein" wurde nur als "fragwürdig" bezeichnet. Im Gästebuch der Ausstellung waren Eintragungen zu lesen wie: "Habe in Erinnerungen geschwelgt." "Danke für die schöne Ausstellung,ich wünsche vielen Menschen beim Besichtigen glückliche Erinnerungen an die Kindheit." "Eine zaubehafte Ausstellung." Kritische Anmerkungen gab es nicht. Ein "Mecki"-Club verteilte Werbung für eine Tauschbörse von "Mecki"-Produkten.) 



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